Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch
Ankunft in Surinam
Privilegiert und in bester Verfassung wird er von der kolonialen Elite der Hauptstadt Paramaribo als Gast aufgenommen und in das gesellschaftliche Leben eingeführt. Neben Ausritten über Land wird er den 20 besten Familien in der Stadt zugeführt. Hier nur ein kurzes Zitat, das einen Einblick in das feine, müßiggängerische Leben gibt, dass Stedman die nächsten Wochen führt:One gentleman, a Mr. Kennedy, in particular, carried his politeness so far, as not only to offer me the use of his carriage, saddle-horses, and table, but even to present me with a fine negro boy, named Quaco, to carry my umbrella as long as 1 remained in Surinam.Dieser Müßiggang, durchsetzt von Bällen, Konzerten und allerlei Amusements für die oberen Ränge der frisch angekommenen Truppe, gibt Stedman die Gelegenheit, seine aufregende Umgebung zu studieren und seine ersten Beobachtungen aufzuschreiben: Zu allererst einmal die Frauen, deren Attraktivität für die Europäer fein säuberlich nach der Helligkeit ihrer Hautfarbe gestaffelt ist.
Offensichtlich sind die Indio-Afrikanerinnen und allen voran die hellhäutigeren Mulattinnen am beliebtesten, während er vor allem die Haut der Kreolinnen detailliert als hässlich und ungesund beschreibt. Auch geht er auf die Eifersucht der Frauen untereinander ein, die sich vor allem um die Neuankömmlinge reißen, obwohl sie wissen, dass sie meistens nicht mit nach Europa genommen werden und vergleicht sie mit Moskitos:
...... that the tropical ladies and the musquitoes have an instinctive preference for a newly-landed European...Die Begegnung seines Oberbefehlshaber Oberst Fourgeoud mit dem Gouverneur Surinams beginnt mit einem Affront, weil dieser bei der Ankunft seine Truppen gleich zu Beginn mit dem Rücken zum Gouverneurspalast aufstellen ließ, was er als respektlos empfindet und dazu führt, diese zunächst in einen unproduktiven wochenlangen Wartezustand zu versetzten.
Bestrafung einer Sklavin, Stich nach Zeichnung von Jan Stedman |
Stedman’s Studien zur wechselvollen Geschichte von Surinam
Briten und Holländer reißen sich in Surinam von Beginn der Kolonisierung an um Kakao, Zucker, Kaffee, wie Stedman aus seinen Archivstudien erfährt. Franzosen, die das Nachbarland Guayana besetzen, das bis heute eine französische Kolonie ist und die den Surinamfluss als Verkehrsader nutzen, berauben öfters die Plantagen der Holländer und erobern immer wieder Teilgebiete, die sie sich in erpresserischen Verhandlungen dann teuer abkaufen lassen. Das sind allesamt Diebe, Räuber und Mörder, unverblümt gierig und skrupellos auch gegeneinander. Neben den Unruhen, verursacht durch die entlaufenen Sklaven, gibt es immer wieder Meutereien der eigenen Soldaten gegen die Offiziere, die durch ihr angenehmes Leben die unteren Ränge erbittern, während sie selbst bei schlechter Bezahlung ständig harte Arbeit in tropischer Hitze verrichten müssen. Um 1726 - so Stedman - wächst die Zahl der Rebellen, die gut organisiert in den Sümpfen versteckt leben und dort sogar Plantagen errichten und mit den gestohlenen Waffen bestens umzugehen verstehen. Die Verstecke der Rebellen auszuheben, schlägt lange fehl. 1730 werden elf von ihnen gefasst und zur Abschreckung extrem brutal hingerichtet. Stedman:One man was hanged alive upon a gibbet, by an iron hook stuck through his ribs; two others were chained to stakes, and burnt to death by a slow fire. Six women were broken alive upon the rack, and two girls were decapitated. Such was their resolution under these tortures, that they endured them without even uttering a sigh.Der Effekt dieser Hinrichtungen schlägt ins Gegenteil um. Die Seramica Rebellen bedrohen die Siedler danach umso mehr, so dass der Gouverneur Mauricius schließlich mit ihnen verhandelt und tatsächlich zu einem Friedensschluss mit ihnen kommt. Dabei muss der als Captain Adoe bezeichnete Rebellenführer noch reich beschenkt werden. Der Friedensvertrag ist mit 12 Artikeln sehr konkret ausgearbeitet und überrascht Stedman, der an dieser Stelle seine Bewunderung für diese Präzision gegenüber angeblich unzivilisierten Wilden nicht verhehlt. Aber als Militär sieht er Verhandlungen mit den Rebellen zwecks Konfliktlösung als bedenklich an:
...nothing appears to be more dangerous than making a forced friendship with people, who by the most abject slavery and ill usage are provoked to break their chains, and shake off their yoke in pursuit of revenge and liberty, and who by the trust which is placed in them have it in their power to become from day to day more formidable...Bei dem Transport der versprochenen Geschenke an Captain Adoe kommt es zu einem Überfall eines anderen Rebellenführers, bekannt unter seinem nom de guerre Zam Zam, der sich hintergangen fühlt und die Lieferung an sich reißt. Weil Captain Adoe die versprochenen Waren nicht erhält, ist der Vertrag für ihn damit gebrochen. Erneute Überfälle finden statt. Die Härte der Siedler gegen ihre Sklaven versorgen die Rebellen zusätzlich mit immer neuen entlaufenen Sklaven.
"A Negro hung by the Ribs to a Gallow", Stich nach Zeichnung von Jan Stedman |
Zwischen militärischer Aufrüstung aus Europa und Verhandlungen mit den Rebellenführern geht es hin und her. Die Verluste sind so hoch, weil bereits viele der Neuankömmlinge geschwächt ankommen und von Malaria und anderen tropischen Krankheiten geplagt werden, an denen sie wie die Fliegen sterben. Auch gibt es Berichte über meuternde Soldaten, die ihren Offizier mitten in den Sümpfen aus Protest verlassen haben und dabei den Rebellen in die Hände fallen.
Durch sein Studium der bewegten Geschichte Surinames steigert sich sowohl Stedmans Tatendrang als auch sein Wissen darüber, worauf er sich einlässt. 1772 ist die Situation am Tiefpunkt und die weißen Siedler formen ein Regiment aus freigelassenen Sklaven, die nun gegen ihre eigenen Leute zum Einsatz kommen sollen. Stedman äußert sich voller Respekt zu diesem Regiment:
When we consider the treatment which was so generally exercised against the slaves of this settlement, it must surprise the reader to be told, that this hazardous resolution had providentially the desired effect. These brave men performed wonders above expectation, in conjunction with the Colonial or Society troops, whose strength and numbers alone were no longer thought sufficient to defend this settlement.Aber um nicht vollständig auf diese prekäre Lösung bauen zu müssen, bat die Society of Surinam den Prinzen von Orange um ein reguläres Regiment. So wird ein 300 Mann starkes Regiment aus Amsterdam geschickt, von denen allerdings nur circa 50 Mann die Reise so fit überstanden, dass sie auch eingesetzt werden konnten. Solche und ähnliche Meldungen durchziehen Stedmans Bericht, in denen er auch die Grausamkeiten weißer Offiziere gegen die eigenen Leute festhält:
The unhappy creatures, under the command of Mr. H. were starved and tormented by unnecessary severity; and his lieutenant, unable to continue a witness of the tyrannical punishments he inflicted, leaped from the cabin window, and terminated his existence.Auch erzählt er die Geschichte des in seiner Zeit meist gefürchteten Rebellenführers; bekannt unter seinem Fantasietitel Baron. Dieser ist einer der begabtesten Sklaven eines Mr. Dahlberg aus Schweden gewesen, der ihm Lesen und Schreiben beigebracht und ihn sogar nach Holland mitgenommen hat. Er verspricht ihm nach der Rückkehr aus Europa, ihn zu einem freien Mann zu machen, bricht dieses Versprechen aber und verkauft ihn sogar weiter. Daraufhin hin flieht Baron in die Wälder, setzt sich mühelos an die Spitze der Rebellen und wird zu einem der berüchtigtsten Gegner der Sklavenhalter. Beim Eintreffen von Stedman ist Baron gerade gefasst, womit ein großer Schlag gegen die Rebellen gelungen ist.
"The River Surinam", Stiche nach Zeichnungen von Jan Stedman |
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