Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch
Der transatlantische Sklavenhandel wurde zur größten Zwangsumsiedlung der Menschheit, bei der zwischen der Blütezeit der Sklaverei im 17. und 18. Jahrhundert schätzungsweise elf Millionen Menschen in die Neue Welt und nach Europa verschleppt wurden. Dieses immense Ausmaß konnte von den Opfern kaum dokumentiert werden. Dennoch gibt es einige wenig bekannte, spärliche Zeugnisse von Betroffenen.
In einer mehrteiligen Serie zum Sklavenhandel und ihren unterschiedlichen Folgen möchte ich einige dieser Zeugnisse vorstellen. In ihnen wird dieses belastende Thema weg von der bloßen Aufzählung geschichtlicher Fakten hin zu anschaulichen Geschichten von Einzelschicksalen verlagert, die trotz ihrer Einzigartigkeit und ihrer unterschiedlichen Perspektiven wesentliche Teile des blutigen Geschäfts beleuchten. Mit die "Prinzen von Calabar" (Teil 2) gab es den ersten Beitrag zu diesem Thema über zwei nigerianische Sklavenhändler, die irrtümlich selbst als Sklaven gefangen wurden.
Diesmal soll es um John Gabriel Stedman gehen. Stedmann - holländischer Staatsbürger - berichtet von seiner "Expedition nach Surinam" über 800 Seiten lang. Der Text ist durchsetzt mit akribischen Zeichnungen von Flora, Fauna und den Bewohnern von Surinam, Karten, Aufzählungen von Waren und den Profiten, die mit ihnen gemacht wurden bis hin zu Gedichten.
2011 wurden seine Aufzeichnungen für das Internet Archive digitalisiert und sind nun in altertümlichem, aber gut verständlichem Englisch allgemein zugänglich. Hier die Links, die zu Band 1 und Band 2 (zweite korrigierte Auflage von 1806) führen.
Fünf Jahre von 1772 bis 1777 - verbringt er in Surinam, angeheuert von der britischen Marine, die routinemäßig Truppen dorthin verschifft. Die sollen dort die erbitterten Sklavenaufstände bekämpfen, die verheerende Breschen in die kolonialen Abläufe und Geschäfte schlagen. Dabei zahlen die Rebellen die Grausamkeiten, die an ihnen als Sklaven verübt wurden, mit gleicher Münze an ihren Unterdrückern, den Kolonialherren, heim.
Diese Aufstände sind in ihrer Hartnäckigkeit und Wucht - wie Stedmann berichtet - so ungewohnt und demütigend für den weißen ‘Übermenschen‘, dass sich selbst die verfeindeten Nationen der englischen Krone und die Niederlande nach ihrem dritten Krieg gegeneinander auf diesem winzigen Stück Land zusammenraufen, um die "Society of Surinam" zu bilden. Denn nur gemeinsam - so ihre Einsicht nach den bitteren Niederlagen - können sie die Aufstände niederschlagen. Gegen die Rebellen rekrutieren sie sogar schwarze und indianische Söldner, die bei weitem besser als die Europäer mit dem erbarmungslosen Klima und der Orientierung in den Sümpfen zurechtkommen.
Hier der Link zu Teil 2.
Der transatlantische Sklavenhandel wurde zur größten Zwangsumsiedlung der Menschheit, bei der zwischen der Blütezeit der Sklaverei im 17. und 18. Jahrhundert schätzungsweise elf Millionen Menschen in die Neue Welt und nach Europa verschleppt wurden. Dieses immense Ausmaß konnte von den Opfern kaum dokumentiert werden. Dennoch gibt es einige wenig bekannte, spärliche Zeugnisse von Betroffenen.
In einer mehrteiligen Serie zum Sklavenhandel und ihren unterschiedlichen Folgen möchte ich einige dieser Zeugnisse vorstellen. In ihnen wird dieses belastende Thema weg von der bloßen Aufzählung geschichtlicher Fakten hin zu anschaulichen Geschichten von Einzelschicksalen verlagert, die trotz ihrer Einzigartigkeit und ihrer unterschiedlichen Perspektiven wesentliche Teile des blutigen Geschäfts beleuchten. Mit die "Prinzen von Calabar" (Teil 2) gab es den ersten Beitrag zu diesem Thema über zwei nigerianische Sklavenhändler, die irrtümlich selbst als Sklaven gefangen wurden.
Fußfessel für Sklaven, Musée de la civilisation.celtique / Bibracte, Frankreich.Foto: wikimedia., Quelle Urban |
2011 wurden seine Aufzeichnungen für das Internet Archive digitalisiert und sind nun in altertümlichem, aber gut verständlichem Englisch allgemein zugänglich. Hier die Links, die zu Band 1 und Band 2 (zweite korrigierte Auflage von 1806) führen.
Aufbruch nach Surinam
Anders als bei den "Prinzen von Calabar" spricht hier sozusagen einer der 'Unseren', der ganz im Dienste der Kolonialherren steht. Diese Primärquelle gibt Einblicke in die Kolonialgeschichte Surinams von einem Zeitgenossen, der natürlicherweise keine abgeklärte Sicht auf die Verhältnisse entwickeln kann. Seine Aufzeichnungen sind deshalb zutiefst verwirrend und widersprüchlich, denn begabt mit einem scharfen Verstand und seiner selbst auferlegten Rolle eines Chronisten, nimmt er die tiefe Ungerechtigkeit und Menschenverachtung der Sklaverei durch die koloniale Herrschaft ebenso wahr wie er auf der anderen Seite die überlegene Rolle eines weißen kolonialen Militärs einnimmt.Fünf Jahre von 1772 bis 1777 - verbringt er in Surinam, angeheuert von der britischen Marine, die routinemäßig Truppen dorthin verschifft. Die sollen dort die erbitterten Sklavenaufstände bekämpfen, die verheerende Breschen in die kolonialen Abläufe und Geschäfte schlagen. Dabei zahlen die Rebellen die Grausamkeiten, die an ihnen als Sklaven verübt wurden, mit gleicher Münze an ihren Unterdrückern, den Kolonialherren, heim.
Stich nach Zeichnung von Jan Stedman |
Diese Aufstände sind in ihrer Hartnäckigkeit und Wucht - wie Stedmann berichtet - so ungewohnt und demütigend für den weißen ‘Übermenschen‘, dass sich selbst die verfeindeten Nationen der englischen Krone und die Niederlande nach ihrem dritten Krieg gegeneinander auf diesem winzigen Stück Land zusammenraufen, um die "Society of Surinam" zu bilden. Denn nur gemeinsam - so ihre Einsicht nach den bitteren Niederlagen - können sie die Aufstände niederschlagen. Gegen die Rebellen rekrutieren sie sogar schwarze und indianische Söldner, die bei weitem besser als die Europäer mit dem erbarmungslosen Klima und der Orientierung in den Sümpfen zurechtkommen.
Der Werdegang von Jan Stedman
Da sein väterliches Erbe verloren ist, hat Jan Stedmann nicht die Mittel, sich beim holländischen Militär einen Offizierstitel zu kaufen. Also mustert er als Fähnrich - ein Rang, für den man kein Offizierspatent bezahlen muss - in einem schottisches Regiment an. Dort bringt er es bis zum Leutnant. Sein größter Wunsch aber ist es, in die britische Marine einzutreten und in die Kolonien aufzubrechen, um dort die britische Vorherrschaft, die er tief bewundert, zu festigen. Dieser Wunsch geht 1772 in Erfüllung. Gleich zu Anfang gibt er sich als eine Art aufgeklärter Kolonialist zu erkennen, indem er die übliche Auffassung zunächst teilt, dass Milde gegenüber den Eingeborenen und Freiheit "to illeterate and unprincipled men" geradezu gefährlich für alle Beteiligten sei. Dennoch sieht er die Erde Surinams getränkt vom Blut der "African Negroes", nennt den Kolonialismus eine "almost constant and diabolical barbarity", an der - wie er gleich hinzufügt - nicht die Holländer allein, sondern vor allen anderen Nationen die Juden die Hauptschuld trügen. So gleichmäßig paternalistisch und rassistisch teilt er zu allen Seiten aus, noch bevor er den Boden Surinams betritt.Karte von Surinam, Stich nach Zeichnung von Jan Stedman |
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