- eine Studie im Auftrag der Welthungerhilfe.
Ihr/Euer ergebenster MediaWatch-Redakteur hat sich für die Welthungerhilfe letztes Jahr lange mit Fragen des Weltagrarhandels auseinandergesetzt. Herausgekommen ist eine Handreichung, die eine ganze Reihe Grundlagen aufarbeitet - sowohl was die Empirie, als auch was die politökonomische Seite betrifft. Da mischt sich Bekanntes bunt mit Überraschungen. Hier die Links zu den Teilen 1, 2, 3, 4 und 5 der Serie.
Zum Download ist die Handreichung hier bereitgestellt. Redigiert, koordiniert und beraten haben diese Analyse AnneCatrin Hummel und Rafaël Schneider von der Welthungerhilfe. Neben den Themen, die hier in den letzten Wochen (gekürzt) vorgestellt wurden, enthält die Studie Kapitel oder Abschnitte über die EU-Agrarreform, zur Rolle von Freihandelszonen im Süden, zur Rolle der WTO sowie zu den Ergebnissen der WTO-Konferenz in Bali (vgl. auch MediaWatch vom August 2013). Abschließend gibt es ein Kapitel mit ausgewählten entwicklungspolitischen Initiativen zum Handel: Aid for Trade, Handelspräferenzen und Everything but Arms, Fairer Handel und Cotton made in Africa sowie natürlich den ganzen Apparat (Quellen etc.).
Letzter Teil: Die Rolle der EU
Zunächst die Zahlen:
Monetär betrachtet, ist die EU im Agrarbereich fast Selbstversorger, denn die Importüberschüsse verringerten sich von 2011 auf 2012 um fast 8 Mrd. auf nur noch 4,4 Mrd. Euro. Wichtige EU-Importe sind vor allem – mittlerweile meist bereits verarbeitete oder konfektionierte – Gemüse-, Obst- und Fischereiprodukte sowie Futtermittel und Ölsaaten. Hinzu kommen bedeutende Importe an Fleischprodukten und Tabak sowie traditioneller „Kolonialwaren“ wie Kaffee, Tee und Kakao.
Über 71 Prozent der Agrarimporte der Gemeinschaft und fast die Hälfte der entsprechenden Ausfuhren werden mit Entwicklungs- und Schwellenländern abgewickelt. Die Einfuhren aus Entwicklungs- und Schwellenländern belaufen sich auf 81 Mrd. Euro gegenüber Agrarexporten von 54,2 Mrd. Euro. Während die Einfuhren praktisch stagnierten (+1 Prozent), konnten die Exporte in Entwicklungs- und Schwellenländer mit einem Zuwachs von 12 Prozent zwischen 2011 und 2012 stark zulegen.
Warum der Handelsanteil an der EU-Agrarproduktion so groß ist und wie die EU Wertschöpfung bei der Nahrungsmittelproduktion innerhalb der eigenen Grenzen konzentriert, wird klarer, wenn man den virtuellen Flächenverbrauch für einzelne Produktgruppen betrachtet. Um diesen zu berechnen, werden die Import- bzw. Exportüberschüsse der einzelnen Produktgruppen mengenmäßig (also unabhängig von ihren Verkaufswerten) bilanziert und auf die dafür benötigten Flächen umgelegt. So entsteht ein anschauliches Bild davon, was die Landwirtschaft in verschiedenen Regionen leistet. Im Ergebnis erreicht die EU ein Flächendefizit von etwa 25 Mio. Hektar, d. h., für die Produktion der in der EU erzeugten landwirtschaftlichen Produkte werden 250.000 Quadratkilometer mehr landwirtschaftliche Nutzfläche gebraucht, als zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: Die gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland summieren sich auf etwa 187.000 Quadratkilometer.
2010 bestand in der EU-27 eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von 172 Mio. Hektar. Während sich die monetären Importüberschüsse der EU auf knapp 3,85 Prozent belaufen, beträgt das Minus an virtueller Fläche etwa 14,5 Prozent der Flächen. Diese Differenz ist darauf zurückzuführen, dass die Union mehr veredelte und verarbeitete Produkte exportiert als importiert. Die im Vergleich zum virtuellen Flächenverbrauch geringere monetäre Differenz zwischen Im- und Export ist Ausdruck der in der EU verbleibenden (und konsumierten) Wertschöpfung. Ganz einfach ausgedrückt, kaufen wir den Bauern in Entwicklungs- und Schwellenländern ihre Produkte zu niedrigen Preisen ab, veredeln sie hier, konsumieren einen wesentlichen Teil davon und verkaufen den Rest zu erheblich besseren Preisen an zahlungskräftige Kunden in aller Welt. Es ist wahrscheinlich, dass viele andere Volkswirtschaften diese Wertschöpfung gerne selber leisten würden.
Direkte und indirekte Subventionen
Wie in Abschnitt 3 bereits angedeutet, unterstützt die Europäische Union den Agrarsektor mit jährlich 60 Mrd. Euro und plant, diese Politik auf absehbare Zeit fortzusetzen. Die OECD geht davon aus, dass die Union ihre Landwirtschaft 2012 sogar mit etwa 83 Mrd. Euro gefördert hat. Das entspricht einem Satz von 19 Prozent – bei einem geschätzten Output von 370,5 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 5). Langfristig fallen die Unterstützungsleistungen in der EU jedoch kontinuierlich – von fast 40 Prozent des gesamten Produktionswertes im Agrarbereich 1986 auf mittlerweile unter 20 Prozent. 1986 stammten noch 38 Prozent aller Einnahmen in der Landwirtschaft aus Subventionen, jetzt ist es noch knapp jeder fünfte Euro. 1986 wandte die Union noch 2,56 Prozent ihres BNE für die Stützung der Landwirtschaft auf, mittlerweile sind es noch 0,72 Prozent.
Die EU organisiert ihre Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zweigleisig: Eine Gruppe von Maßnahmen (Säule I) umfasst alle Direktzahlungen und marktbezogenen Ausgaben. Dafür sollen von 2014 bis 2020 etwa 317,2 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Das Geld dafür kommt aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGLF). In die zweite Gruppe (Säule II) werden alle Maßnahmen gefasst, die der ländlichen Entwicklung dienen. Sie werden von den Mitgliedsstaaten kofinanziert. Für die Säule II hat die EU 101,2 Mrd. Euro für den Planungszeitraum 2014–2020 eingestellt. Dazu gehören unter anderem umweltbezogene Programme, Zahlungen an strukturschwache Regionen und Investitionsbeihilfen. Zudem plant die Union, zwischen 2014 und 2020 insgesamt rund 17 Mrd. Euro für die Politikbereiche Lebensmittelsicherheit, Bedürftige, Krisensicherheit, für bestimmte Forschungsbereiche sowie für die „Anpassung an die Globalisierung“ aufzuwenden.
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs)
Seit 1975 formalisierte die Europäische Union die besonderen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP) in den sogenannten Lome-Abkommen, die alle fünf Jahre fortgeschrieben wurden. Diese Vereinbarungen beinhalteten günstige Handelsbedingungen für die 79 AKP-Staaten (Special and Differentiated Treatment, S&D). Für den überwiegenden Teil der AKP-Exporte galten keine Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen oder mengenmäßigen Begrenzungen.
Seit der Vereinbarung des Cotonou-Abkommens 2001 verhandelt die EU mit diesen Ländern über sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs). Dies wurde notwendig, da die EU beschlossen hatte, den Zugang der AKP-Länder zum EU-Markt künftig WTO-konform zu gestalten. Diesem Zweck sollen die EPAs dienen. Vorgesehen war zunächst, diese Abkommen mit den einzelnen AKP-Ländergruppen regional zu vereinbaren – was aber aufgrund des Widerstands vieler AKP-Länder nicht gelang. Denn eine zentrale Bedingung der EPAs ist, dass die AKP-Staaten ihre Märkte für die EU öffnen und eine reibungslose schrittweise Integration in den Weltmarkt vollziehen.
Allerdings ist der Druck ganz erheblich, den die EU auf die AKP-Staaten ausüben kann, denn die Union nimmt etwa ein Viertel aller AKP-Exporte auf. Eine ganze Reihe von Staaten – vor allem in Afrika – ist in noch höherem Maße von den Geschäften mit der EU abhängig. Weil sie um Arbeitsplätze und den Lebensunterhalt vieler für den Export produzierender Bauern fürchteten, schlossen die meisten AKP-Staaten vorläufige EPAs (Interim-EPAs) oder Vorverträge zu EPAs ab. Damit sicherten sie zu, ihre Gütermärkte für 80 bis 97 Prozent aller EU-Produkte zu öffnen und weitere Verhandlungen über die Öffnung ihrer Dienstleistungsmärkte, den Schutz geistiger Eigentumsrechte und Investitionsschutz sowie öffentliche Beschaffung und Wettbewerbspolitik zu führen. 2008 schloss die EU zudem ein EPA mit den Staaten des Karibischen Forums (CARIFORUM) ab, das auch Elemente einer menschenrechtlichen und umweltpolitischen Überwachung und Korrektur etwaiger negativer Auswirkungen des Abkommens enthält (vgl. auch Empfehlungen und Abschnitt 6). Unabhängig vom wei-teren Verlauf der Verhandlungen gilt: Länder, die keine LDCs sind, laufen Gefahr, ihren präferenziellen Marktzugang zur EU zu verlieren, wenn sie kein EPA mit der Union vereinbaren. Umgekehrt gilt, dass LDCs von der Everything but Arms-Initiative profitieren und daher kein Interesse daran haben, ein EPA zu ratifizieren.
Die Bedeutung der EPAs für die landwirtschaftliche Produktion in den AKP-Ländern sollte trotz fallender Tendenz nicht unterschätzt werden: 2010 hatte sich der AKP-EU-Handel von der Finanzkrise noch nicht wieder ganz erholt. Dennoch erreichten die EU-Exporte fast 70 Mrd. Euro und die AKP-Exporte etwa 66 Mrd. Euro. Den größten Anteil macht der Handel mit Südafrika aus, das über 27 Prozent aller AKP-Exporte in die EU liefert. Die anderen afrikanischen Länder bestreiten weitere 64 Prozent der Lieferungen. Für die karibischen AKP-Länder verbleiben 6,5 und für die pazifischen nur noch 1,6 Prozent. 40 Prozent aller EU-Importe aus den AKP-Staaten waren mineralische Rohstoffe (vor allem Erdöl aus Angola und Nigeria), 17 Prozent Nahrungsmittel und lebende Tiere. Ein Blick auf den längerfristigen Trend im EU-AKP-Handel zeigt, dass sich der wertmäßige Anteil der Agrarerzeugnisse an den Exporten der AKP-Staaten in die EU verringert. Betrug er 2004 etwa 21 Prozent, waren es 2006 nur noch 16 Prozent.
Das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP)
Derzeit wird zwischen den USA und der Europäischen Union über ein Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP oder – weniger gebräuchlich – TAFTA) verhandelt. Da zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten der Welt praktisch keine tarifären Handelshemmnisse mehr bestehen, wird sich das Abkommen – soweit die Verhandlungsagenda bisher bekannt geworden ist – vor allem auf Themen der Tiefen Integration (technische, soziale, umweltrechtliche und Qualitätsstandards, Verbraucherschutz, Wettbewerbspolitik, intellektuelle Eigentumsrechte, Investorenschutz, Verwaltungsvorschriften und die öffentliche Beschaffung) konzentrieren. Kritiker befürchten, dass jeweils nur noch die schwächsten Regelungen auf beiden Seiten des Atlantiks greifen werden („race to the bottom“). Im Agrarbereich geht es dabei z. B. um die Standards bei der Veredelung („Chlorhühnchen“, „Klonfleisch“, Kennzeichnungspflichten, Einsatz von GVO), aber auch um den Anbau genmanipulierter Ackerfrüchte.
Die EU beziffert das mit dem Abkommen jährlich erreichbare Wirtschaftswachstum auf 119 Mrd. Euro für die EU. Das entspräche einem Wirtschaftswachstum von fast einem Prozent jährlich. Doch in der von der Union zitierten Studie, die die Gemeinschaft selbst beim Londoner Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung in Auftrag gegeben hatte, ist lediglich von insgesamt 0,48 Prozent Wirtschaftswachstum die Rede. Prognosen zu der Zahl der durch das Abkom-men möglicherweise entstehenden Arbeitsplätze differieren ebenso stark: Während Ber-telsmann z. B. davon ausgeht, dass in Deutschland 180.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen werden, errechnet das Bundeswirtschaftsministerium nur mehr 25.000 neue Jobs.
Die möglichen Auswirkungen des TTIP auf Entwicklungsländer sind nur schwer abzuschätzen. Es gibt Befürchtungen, dass Umlenkungseffekte in den Handelsströmen entstehen, wenn für die USA und die EU der Einkauf in der jeweilig anderen Region noch attraktiver im Vergleich zu Importen aus Drittländern wird. In diesem Zusammenhang werden auch Befürchtungen geäußert, dass das Abkommen einen Hebel für eine Strategie bilden könnte, die Schwellenländer zu marginalisieren. Laut einer Analyse, die das ifo-Institut für die Bertelsmann-Stiftung erarbeitet hat, haben Produzenten von Erzeugnissen wie Kakao, Tee oder Kaffee, die nicht zu den Exportprodukten der Vertragspartner zählen, vermutlich wenig zu befürchten. Anders dagegen verhält es sich z. B. im Fall Baumwolle: Die Elfenbeinküste etwa müsste um Teile ihrer Baumwollexporte fürchten. Für ostafrikanische Länder wie Uganda und Tansania träfe wahrscheinlich ein ähnliches Szenario zu. Insgesamt steht für eine Reihe afrikanischer Länder ein deutlicher Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens zu befürchten: Für Botswana prognostiziert das ifo-Institut einen Rückgang von 4,1 Prozent, für Mosambik und Niger 4,0 Prozent, für Algerien 3,5 Prozent, für Namibia 3,1 und für Ägypten 2,8 Prozent.
Es sind Befürchtungen geäußert worden, dass TTIP auch dem Fairen Handel zu schaffen machen könnte. Ob ein möglicher Zuwachs der Handelsaktivitäten die oben beschriebenen Umlenkungseffekte ausgleichen kann oder wird, ist umstritten. Offen ist derzeit zudem, ob TTIP die Schwellen- und Entwicklungsländer – und hier vor allem China – dazu bewegen wird, ihre Handelsregime ebenfalls stärker zu deregulieren oder ob sie ihr Heil in der Bildung konkurrierender Freihandelszonen suchen werden. Schließlich bestehen Bedenken, dass TTIP indirekt zu einer wieder verschärften Auslegung der handelbaren Rechte an geistigem Eigentum in Hinblick auf essenzielle Medikamente führen könnte.
Investitionsschutz auf Kosten der staatlichen Souveränität und der Steuerzahler?
Im Rahmen des TTIP sind auch Investorschutzklauseln vorgesehen. Sie sollen verhindern, dass Investoren durch einzelstaatliche Gesetzgebungen mögliche Gewinne entgehen. Was solche Investor-Staat-Klagen (Investor State Dipute Settlements, ISDS) praktisch bedeuten, ist gut an den heute bereits laufenden Verfahren abzulesen, die im Kontext bereits vereinbarter Investitionsschutzabkommen anhängig sind:
• Direkte Zuwendungen an die Landwirte in der EU sind angesichts der hohen Effizienz im Agrarsektor nur noch zu begründen, wenn
- die Landwirte dafür gesellschaftlich wünschenswerte Leistungen (z. B. „Greening“, biologische Produktion, Arten- und Sortenschutz, Landschaftspflege) übernehmen oder wenn
- soziale Aspekte vor allem in den ärmeren EU-Ländern eine Unterstützung von Menschen angeraten sein lässt, die sonst keine Chancen haben, ein Auskommen zu finden. In diesem Fall sollten die Gelder allerdings aus den Sozialhaushalten der Mitgliedsländer stammen.
• Produktpreisbezogene Subventionen (Interventionsregime) sollten möglichst zügig und vollständig abgebaut werden.
• Unsinnige und gefährliche Subventionen – vor allem die für Biokraftstoffe – sind unverzüglich und ersatzlos zu streichen.
• Entwicklungsländer und die EU sollten EPAs nur dann ratifizieren, wenn eine unabhängige Vorab-Kosten-Nutzen-Analyse für beide Seiten günstig ausfällt. Für Entwicklungsländer müssen damit Chancen verbunden sein, volkswirtschaftlich wünschenswerte Entwicklungen anzustoßen, die Ziele der eigenen Entwicklungsplanung begünstigen.
• Menschenrechtliche Folgeabschätzungen – vor allem hinsichtlich des Menschenrechts auf Nahrung – sollten bereits vor Abschluss von Verträgen durchgeführt und öffentlich gemacht werden.
• Zudem sollten Freihandelsabkommen soziale und umweltrechtliche Mindeststandards beinhalten, die dazu beitragen helfen, die gehandelten (Agrar-)Produkte ohne unmenschliche Ausbeutung und entsprechend grundlegenden Nachhaltigkeitskriterien herzustellen.
• Um sicherzustellen, dass der Schaden von EPAs nicht größer ausfällt als der Nutzen, sollten künftige EPAs regelmäßige Wirkungsprüfungen beinhalten, deren Ergebnisse veröffentlicht werden. Die Verträge sollten Kompensationsklauseln für Entwicklungsländer einschließen, die dann greifen, wenn die Marktöffnung nachweislich Menschenrechtsverletzungen nach sich zieht und/oder Entwicklungsbemühungen blockiert und/oder schwere Umweltschäden auslöst.
Um solche Tatbestände feststellen zu können, sollten den Stakeholdern (zumindest aber den Vertragsparteien) Klagerechte und -möglichkeiten eingeräumt werden.
• EPAs sollten zudem Möglichkeiten der zeitweisen Aussetzung einschließen und/oder mit einer Auflösungsklausel ausgestattet werden.
• Um negative Konsequenzen – vor allem für das Recht auf Nahrung und auf Gesundheit – für die Menschen in den Vertragsstaaten vermeiden zu können, sollte diese Klagerechte und -möglichkeiten erhalten. Nur dann kann im Vergleich zu den Investorenrechten (annähernd) von „Waffengleichheit“ ausgegangen werden.
• Ein TTIP-Vertrag sollte den Bedenken von Drittländern – und hier vor allem denen von Entwicklungsländern – Sorge tragen. Um etwaige negative Auswirkungen feststellen zu können, sollten auch etwaigen Betroffenen innerhalb und außerhalb des Vertragsgebiets Beschwerdemöglichkeiten eingeräumt werden.
• Der Vertrag sollte um Klauseln für seine zeitweise Aussetzung und/oder Auflösung ergänzt werden.
Ihr/Euer ergebenster MediaWatch-Redakteur hat sich für die Welthungerhilfe letztes Jahr lange mit Fragen des Weltagrarhandels auseinandergesetzt. Herausgekommen ist eine Handreichung, die eine ganze Reihe Grundlagen aufarbeitet - sowohl was die Empirie, als auch was die politökonomische Seite betrifft. Da mischt sich Bekanntes bunt mit Überraschungen. Hier die Links zu den Teilen 1, 2, 3, 4 und 5 der Serie.
Zum Download ist die Handreichung hier bereitgestellt. Redigiert, koordiniert und beraten haben diese Analyse AnneCatrin Hummel und Rafaël Schneider von der Welthungerhilfe. Neben den Themen, die hier in den letzten Wochen (gekürzt) vorgestellt wurden, enthält die Studie Kapitel oder Abschnitte über die EU-Agrarreform, zur Rolle von Freihandelszonen im Süden, zur Rolle der WTO sowie zu den Ergebnissen der WTO-Konferenz in Bali (vgl. auch MediaWatch vom August 2013). Abschließend gibt es ein Kapitel mit ausgewählten entwicklungspolitischen Initiativen zum Handel: Aid for Trade, Handelspräferenzen und Everything but Arms, Fairer Handel und Cotton made in Africa sowie natürlich den ganzen Apparat (Quellen etc.).
Letzter Teil: Die Rolle der EU
Zunächst die Zahlen:
- 2011 betrug der Anteil der Landwirtschaft an der Bruttowertschöpfung von 17.580 Mrd. Euro in der Europäischen Union (EU-27) noch 1,7 Prozent.
- Der Anteil der Agrarexporte an den gesamten EU-Exporten lag 2011 bei 6,4 Prozent – also etwa 3,75-mal höher als der Anteil der landwirtschaftlichen Erzeugung an der gesamten Wertschöpfung in der Union. Bei den EU-Importen machten Agrarprodukte knapp 6,27 Prozent aus.
Monetär betrachtet, ist die EU im Agrarbereich fast Selbstversorger, denn die Importüberschüsse verringerten sich von 2011 auf 2012 um fast 8 Mrd. auf nur noch 4,4 Mrd. Euro. Wichtige EU-Importe sind vor allem – mittlerweile meist bereits verarbeitete oder konfektionierte – Gemüse-, Obst- und Fischereiprodukte sowie Futtermittel und Ölsaaten. Hinzu kommen bedeutende Importe an Fleischprodukten und Tabak sowie traditioneller „Kolonialwaren“ wie Kaffee, Tee und Kakao.
Anteil der EU-27-Exporte an der globalen Produktion
im Durchschnitt der Jahre 2010–2012 in Prozent
im Durchschnitt der Jahre 2010–2012 in Prozent
Über 71 Prozent der Agrarimporte der Gemeinschaft und fast die Hälfte der entsprechenden Ausfuhren werden mit Entwicklungs- und Schwellenländern abgewickelt. Die Einfuhren aus Entwicklungs- und Schwellenländern belaufen sich auf 81 Mrd. Euro gegenüber Agrarexporten von 54,2 Mrd. Euro. Während die Einfuhren praktisch stagnierten (+1 Prozent), konnten die Exporte in Entwicklungs- und Schwellenländer mit einem Zuwachs von 12 Prozent zwischen 2011 und 2012 stark zulegen.
Warum der Handelsanteil an der EU-Agrarproduktion so groß ist und wie die EU Wertschöpfung bei der Nahrungsmittelproduktion innerhalb der eigenen Grenzen konzentriert, wird klarer, wenn man den virtuellen Flächenverbrauch für einzelne Produktgruppen betrachtet. Um diesen zu berechnen, werden die Import- bzw. Exportüberschüsse der einzelnen Produktgruppen mengenmäßig (also unabhängig von ihren Verkaufswerten) bilanziert und auf die dafür benötigten Flächen umgelegt. So entsteht ein anschauliches Bild davon, was die Landwirtschaft in verschiedenen Regionen leistet. Im Ergebnis erreicht die EU ein Flächendefizit von etwa 25 Mio. Hektar, d. h., für die Produktion der in der EU erzeugten landwirtschaftlichen Produkte werden 250.000 Quadratkilometer mehr landwirtschaftliche Nutzfläche gebraucht, als zur Verfügung stehen. Zum Vergleich: Die gesamten landwirtschaftlichen Nutzflächen in Deutschland summieren sich auf etwa 187.000 Quadratkilometer.
2010 bestand in der EU-27 eine landwirtschaftlich genutzte Fläche von 172 Mio. Hektar. Während sich die monetären Importüberschüsse der EU auf knapp 3,85 Prozent belaufen, beträgt das Minus an virtueller Fläche etwa 14,5 Prozent der Flächen. Diese Differenz ist darauf zurückzuführen, dass die Union mehr veredelte und verarbeitete Produkte exportiert als importiert. Die im Vergleich zum virtuellen Flächenverbrauch geringere monetäre Differenz zwischen Im- und Export ist Ausdruck der in der EU verbleibenden (und konsumierten) Wertschöpfung. Ganz einfach ausgedrückt, kaufen wir den Bauern in Entwicklungs- und Schwellenländern ihre Produkte zu niedrigen Preisen ab, veredeln sie hier, konsumieren einen wesentlichen Teil davon und verkaufen den Rest zu erheblich besseren Preisen an zahlungskräftige Kunden in aller Welt. Es ist wahrscheinlich, dass viele andere Volkswirtschaften diese Wertschöpfung gerne selber leisten würden.
Kennzahlen für Agrarsubventionen ausgewählter Länder und Regionen für 2011
* PSE, Producer Support Estimate: Der jährliche Geldwert der Bruttotransfers von Konsumenten und Steuerzahlern zu den Produzenten von Agrarerzeugnissen gemessen als Erlös der Produzenten (farm gate level). Eingeschlossen sind Preis-, Einkommens- und Produktsubventionen, direkte Zuwendungen aus dem Budget und entgangene Steuereinnahmen.
Direkte und indirekte Subventionen
Wie in Abschnitt 3 bereits angedeutet, unterstützt die Europäische Union den Agrarsektor mit jährlich 60 Mrd. Euro und plant, diese Politik auf absehbare Zeit fortzusetzen. Die OECD geht davon aus, dass die Union ihre Landwirtschaft 2012 sogar mit etwa 83 Mrd. Euro gefördert hat. Das entspricht einem Satz von 19 Prozent – bei einem geschätzten Output von 370,5 Mrd. Euro (vgl. Tabelle 5). Langfristig fallen die Unterstützungsleistungen in der EU jedoch kontinuierlich – von fast 40 Prozent des gesamten Produktionswertes im Agrarbereich 1986 auf mittlerweile unter 20 Prozent. 1986 stammten noch 38 Prozent aller Einnahmen in der Landwirtschaft aus Subventionen, jetzt ist es noch knapp jeder fünfte Euro. 1986 wandte die Union noch 2,56 Prozent ihres BNE für die Stützung der Landwirtschaft auf, mittlerweile sind es noch 0,72 Prozent.
Die EU organisiert ihre Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zweigleisig: Eine Gruppe von Maßnahmen (Säule I) umfasst alle Direktzahlungen und marktbezogenen Ausgaben. Dafür sollen von 2014 bis 2020 etwa 317,2 Mrd. Euro bereitgestellt werden. Das Geld dafür kommt aus dem Europäischen Garantiefonds für die Landwirtschaft (EGLF). In die zweite Gruppe (Säule II) werden alle Maßnahmen gefasst, die der ländlichen Entwicklung dienen. Sie werden von den Mitgliedsstaaten kofinanziert. Für die Säule II hat die EU 101,2 Mrd. Euro für den Planungszeitraum 2014–2020 eingestellt. Dazu gehören unter anderem umweltbezogene Programme, Zahlungen an strukturschwache Regionen und Investitionsbeihilfen. Zudem plant die Union, zwischen 2014 und 2020 insgesamt rund 17 Mrd. Euro für die Politikbereiche Lebensmittelsicherheit, Bedürftige, Krisensicherheit, für bestimmte Forschungsbereiche sowie für die „Anpassung an die Globalisierung“ aufzuwenden.
Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs)
Seit 1975 formalisierte die Europäische Union die besonderen politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu den ehemaligen europäischen Kolonien in Afrika, der Karibik und dem Pazifik (AKP) in den sogenannten Lome-Abkommen, die alle fünf Jahre fortgeschrieben wurden. Diese Vereinbarungen beinhalteten günstige Handelsbedingungen für die 79 AKP-Staaten (Special and Differentiated Treatment, S&D). Für den überwiegenden Teil der AKP-Exporte galten keine Handelsbeschränkungen in Form von Zöllen oder mengenmäßigen Begrenzungen.
Seit der Vereinbarung des Cotonou-Abkommens 2001 verhandelt die EU mit diesen Ländern über sogenannte Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (Economic Partnership Agreements, EPAs). Dies wurde notwendig, da die EU beschlossen hatte, den Zugang der AKP-Länder zum EU-Markt künftig WTO-konform zu gestalten. Diesem Zweck sollen die EPAs dienen. Vorgesehen war zunächst, diese Abkommen mit den einzelnen AKP-Ländergruppen regional zu vereinbaren – was aber aufgrund des Widerstands vieler AKP-Länder nicht gelang. Denn eine zentrale Bedingung der EPAs ist, dass die AKP-Staaten ihre Märkte für die EU öffnen und eine reibungslose schrittweise Integration in den Weltmarkt vollziehen.
Allerdings ist der Druck ganz erheblich, den die EU auf die AKP-Staaten ausüben kann, denn die Union nimmt etwa ein Viertel aller AKP-Exporte auf. Eine ganze Reihe von Staaten – vor allem in Afrika – ist in noch höherem Maße von den Geschäften mit der EU abhängig. Weil sie um Arbeitsplätze und den Lebensunterhalt vieler für den Export produzierender Bauern fürchteten, schlossen die meisten AKP-Staaten vorläufige EPAs (Interim-EPAs) oder Vorverträge zu EPAs ab. Damit sicherten sie zu, ihre Gütermärkte für 80 bis 97 Prozent aller EU-Produkte zu öffnen und weitere Verhandlungen über die Öffnung ihrer Dienstleistungsmärkte, den Schutz geistiger Eigentumsrechte und Investitionsschutz sowie öffentliche Beschaffung und Wettbewerbspolitik zu führen. 2008 schloss die EU zudem ein EPA mit den Staaten des Karibischen Forums (CARIFORUM) ab, das auch Elemente einer menschenrechtlichen und umweltpolitischen Überwachung und Korrektur etwaiger negativer Auswirkungen des Abkommens enthält (vgl. auch Empfehlungen und Abschnitt 6). Unabhängig vom wei-teren Verlauf der Verhandlungen gilt: Länder, die keine LDCs sind, laufen Gefahr, ihren präferenziellen Marktzugang zur EU zu verlieren, wenn sie kein EPA mit der Union vereinbaren. Umgekehrt gilt, dass LDCs von der Everything but Arms-Initiative profitieren und daher kein Interesse daran haben, ein EPA zu ratifizieren.
Die Bedeutung der EPAs für die landwirtschaftliche Produktion in den AKP-Ländern sollte trotz fallender Tendenz nicht unterschätzt werden: 2010 hatte sich der AKP-EU-Handel von der Finanzkrise noch nicht wieder ganz erholt. Dennoch erreichten die EU-Exporte fast 70 Mrd. Euro und die AKP-Exporte etwa 66 Mrd. Euro. Den größten Anteil macht der Handel mit Südafrika aus, das über 27 Prozent aller AKP-Exporte in die EU liefert. Die anderen afrikanischen Länder bestreiten weitere 64 Prozent der Lieferungen. Für die karibischen AKP-Länder verbleiben 6,5 und für die pazifischen nur noch 1,6 Prozent. 40 Prozent aller EU-Importe aus den AKP-Staaten waren mineralische Rohstoffe (vor allem Erdöl aus Angola und Nigeria), 17 Prozent Nahrungsmittel und lebende Tiere. Ein Blick auf den längerfristigen Trend im EU-AKP-Handel zeigt, dass sich der wertmäßige Anteil der Agrarerzeugnisse an den Exporten der AKP-Staaten in die EU verringert. Betrug er 2004 etwa 21 Prozent, waren es 2006 nur noch 16 Prozent.
Das Transatlantische Freihandels- und Investitionsabkommen (TTIP)
Derzeit wird zwischen den USA und der Europäischen Union über ein Transatlantisches Freihandels- und Investitionsabkommen (Transatlantic Trade and Investment Partnership, TTIP oder – weniger gebräuchlich – TAFTA) verhandelt. Da zwischen den beiden größten Wirtschaftsmächten der Welt praktisch keine tarifären Handelshemmnisse mehr bestehen, wird sich das Abkommen – soweit die Verhandlungsagenda bisher bekannt geworden ist – vor allem auf Themen der Tiefen Integration (technische, soziale, umweltrechtliche und Qualitätsstandards, Verbraucherschutz, Wettbewerbspolitik, intellektuelle Eigentumsrechte, Investorenschutz, Verwaltungsvorschriften und die öffentliche Beschaffung) konzentrieren. Kritiker befürchten, dass jeweils nur noch die schwächsten Regelungen auf beiden Seiten des Atlantiks greifen werden („race to the bottom“). Im Agrarbereich geht es dabei z. B. um die Standards bei der Veredelung („Chlorhühnchen“, „Klonfleisch“, Kennzeichnungspflichten, Einsatz von GVO), aber auch um den Anbau genmanipulierter Ackerfrüchte.
Die EU beziffert das mit dem Abkommen jährlich erreichbare Wirtschaftswachstum auf 119 Mrd. Euro für die EU. Das entspräche einem Wirtschaftswachstum von fast einem Prozent jährlich. Doch in der von der Union zitierten Studie, die die Gemeinschaft selbst beim Londoner Zentrum für wirtschaftspolitische Forschung in Auftrag gegeben hatte, ist lediglich von insgesamt 0,48 Prozent Wirtschaftswachstum die Rede. Prognosen zu der Zahl der durch das Abkom-men möglicherweise entstehenden Arbeitsplätze differieren ebenso stark: Während Ber-telsmann z. B. davon ausgeht, dass in Deutschland 180.000 zusätzliche Arbeitsplätze entstehen werden, errechnet das Bundeswirtschaftsministerium nur mehr 25.000 neue Jobs.
Die möglichen Auswirkungen des TTIP auf Entwicklungsländer sind nur schwer abzuschätzen. Es gibt Befürchtungen, dass Umlenkungseffekte in den Handelsströmen entstehen, wenn für die USA und die EU der Einkauf in der jeweilig anderen Region noch attraktiver im Vergleich zu Importen aus Drittländern wird. In diesem Zusammenhang werden auch Befürchtungen geäußert, dass das Abkommen einen Hebel für eine Strategie bilden könnte, die Schwellenländer zu marginalisieren. Laut einer Analyse, die das ifo-Institut für die Bertelsmann-Stiftung erarbeitet hat, haben Produzenten von Erzeugnissen wie Kakao, Tee oder Kaffee, die nicht zu den Exportprodukten der Vertragspartner zählen, vermutlich wenig zu befürchten. Anders dagegen verhält es sich z. B. im Fall Baumwolle: Die Elfenbeinküste etwa müsste um Teile ihrer Baumwollexporte fürchten. Für ostafrikanische Länder wie Uganda und Tansania träfe wahrscheinlich ein ähnliches Szenario zu. Insgesamt steht für eine Reihe afrikanischer Länder ein deutlicher Rückgang des Pro-Kopf-Einkommens zu befürchten: Für Botswana prognostiziert das ifo-Institut einen Rückgang von 4,1 Prozent, für Mosambik und Niger 4,0 Prozent, für Algerien 3,5 Prozent, für Namibia 3,1 und für Ägypten 2,8 Prozent.
Es sind Befürchtungen geäußert worden, dass TTIP auch dem Fairen Handel zu schaffen machen könnte. Ob ein möglicher Zuwachs der Handelsaktivitäten die oben beschriebenen Umlenkungseffekte ausgleichen kann oder wird, ist umstritten. Offen ist derzeit zudem, ob TTIP die Schwellen- und Entwicklungsländer – und hier vor allem China – dazu bewegen wird, ihre Handelsregime ebenfalls stärker zu deregulieren oder ob sie ihr Heil in der Bildung konkurrierender Freihandelszonen suchen werden. Schließlich bestehen Bedenken, dass TTIP indirekt zu einer wieder verschärften Auslegung der handelbaren Rechte an geistigem Eigentum in Hinblick auf essenzielle Medikamente führen könnte.
Investitionsschutz auf Kosten der staatlichen Souveränität und der Steuerzahler?
Im Rahmen des TTIP sind auch Investorschutzklauseln vorgesehen. Sie sollen verhindern, dass Investoren durch einzelstaatliche Gesetzgebungen mögliche Gewinne entgehen. Was solche Investor-Staat-Klagen (Investor State Dipute Settlements, ISDS) praktisch bedeuten, ist gut an den heute bereits laufenden Verfahren abzulesen, die im Kontext bereits vereinbarter Investitionsschutzabkommen anhängig sind:
- Während in Deutschland ein Mindestlohn eingeführt wird, verklagt der französische multinationale Konzern Veolia gerade die ägyptische Regierung auf eine Zahlung von 82 Mio. US-Dollar. Der Grund: Kairo schreibt neuerdings ebenfalls einen Mindestlohn gesetzlich vor, und Veolia sieht seine Gewinnerwartungen beeinträchtigt.
- Der schwedische Energiekonzern Vattenfall hat die Bundesrepublik wegen des Atomausstiegs auf über 1 Mrd. Euro Schadensersatz verklagt.
- Uruguay wurde vom Tabakkonzern Philipp Morris auf 2 Mrd. US-Dollar Schadensersatz – über 15 Prozent des derzeitigen Staatshaushalts – verklagt, weil der Nichtraucherschutz in dem Land angeblich zu scharf ist.
• Direkte Zuwendungen an die Landwirte in der EU sind angesichts der hohen Effizienz im Agrarsektor nur noch zu begründen, wenn
- die Landwirte dafür gesellschaftlich wünschenswerte Leistungen (z. B. „Greening“, biologische Produktion, Arten- und Sortenschutz, Landschaftspflege) übernehmen oder wenn
- soziale Aspekte vor allem in den ärmeren EU-Ländern eine Unterstützung von Menschen angeraten sein lässt, die sonst keine Chancen haben, ein Auskommen zu finden. In diesem Fall sollten die Gelder allerdings aus den Sozialhaushalten der Mitgliedsländer stammen.
• Produktpreisbezogene Subventionen (Interventionsregime) sollten möglichst zügig und vollständig abgebaut werden.
• Unsinnige und gefährliche Subventionen – vor allem die für Biokraftstoffe – sind unverzüglich und ersatzlos zu streichen.
• Entwicklungsländer und die EU sollten EPAs nur dann ratifizieren, wenn eine unabhängige Vorab-Kosten-Nutzen-Analyse für beide Seiten günstig ausfällt. Für Entwicklungsländer müssen damit Chancen verbunden sein, volkswirtschaftlich wünschenswerte Entwicklungen anzustoßen, die Ziele der eigenen Entwicklungsplanung begünstigen.
• Menschenrechtliche Folgeabschätzungen – vor allem hinsichtlich des Menschenrechts auf Nahrung – sollten bereits vor Abschluss von Verträgen durchgeführt und öffentlich gemacht werden.
• Zudem sollten Freihandelsabkommen soziale und umweltrechtliche Mindeststandards beinhalten, die dazu beitragen helfen, die gehandelten (Agrar-)Produkte ohne unmenschliche Ausbeutung und entsprechend grundlegenden Nachhaltigkeitskriterien herzustellen.
• Um sicherzustellen, dass der Schaden von EPAs nicht größer ausfällt als der Nutzen, sollten künftige EPAs regelmäßige Wirkungsprüfungen beinhalten, deren Ergebnisse veröffentlicht werden. Die Verträge sollten Kompensationsklauseln für Entwicklungsländer einschließen, die dann greifen, wenn die Marktöffnung nachweislich Menschenrechtsverletzungen nach sich zieht und/oder Entwicklungsbemühungen blockiert und/oder schwere Umweltschäden auslöst.
Um solche Tatbestände feststellen zu können, sollten den Stakeholdern (zumindest aber den Vertragsparteien) Klagerechte und -möglichkeiten eingeräumt werden.
• EPAs sollten zudem Möglichkeiten der zeitweisen Aussetzung einschließen und/oder mit einer Auflösungsklausel ausgestattet werden.
• Um negative Konsequenzen – vor allem für das Recht auf Nahrung und auf Gesundheit – für die Menschen in den Vertragsstaaten vermeiden zu können, sollte diese Klagerechte und -möglichkeiten erhalten. Nur dann kann im Vergleich zu den Investorenrechten (annähernd) von „Waffengleichheit“ ausgegangen werden.
• Ein TTIP-Vertrag sollte den Bedenken von Drittländern – und hier vor allem denen von Entwicklungsländern – Sorge tragen. Um etwaige negative Auswirkungen feststellen zu können, sollten auch etwaigen Betroffenen innerhalb und außerhalb des Vertragsgebiets Beschwerdemöglichkeiten eingeräumt werden.
• Der Vertrag sollte um Klauseln für seine zeitweise Aussetzung und/oder Auflösung ergänzt werden.
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