Diese Auffassung vertritt jedenfalls Spiegel Online und hat auch schon einen Bösewicht identifiziert, einen "unheimlichen Königsmacher". Und tatsächlich ist der "radikale Schiiten-Prediger" Muktada al-Sadr (wiki dt.) gut geeignet, künftig als Projektionsfläche westlicher Ängste zu dienen. Spiegel Online:
Während Sadr in Bagdad Politik betrieb, lieferte sich seine Privatarmee in den Jahren 2006 und 2007 auf den Straßen des Irak mit sunnitischen Gruppierungen einen Bürgerkrieg, der das Land an den Rande des Abgrunds brachte.Bei wikipedia (dt.) heißt es dagegen wesentlich nüchterner:
Im Oktober 2006 kam es abermals zu Unruhen, als US-Truppen Scheich Mazin al-Sa'idi verhafteten, einen Vertrauten Sadrs, den sie für die Leitung von Todesschwadronen der Mahdi-Miliz verantwortlich machen. Auf persönliche Intervention des schiitischen Premierministers Maliki wurde er wieder freigelassen; dieses Eingreifen soll bei den US-Amerikanern großen Unmut hervorgerufen haben.Und die Asia Times schreibt:
For all the talk of "democracy", Iraq remains militia heaven. Everybody has a militia - from the Kurds to the Sadrists' Mahdi Army, not to mention the notorious Badr Brigade of the ISCI. The former Sunni Iraqi resistance - from Ansar al-Islam to the 1920 Revolution Brigades - appears to have disarmed, but in fact it is laying low. The Sahwa ("Awakening") movement - which US corporate media spun as "heroes" in the fight against al-Qaeda - is a mess.Und natürlich hat der Iran ein Interesse daran, dass die Schiiten im Irak sich zusammenraufen und weiterhin die Regierung stellen. Noch einmal Spiegel Online:
Gefördert werden diese Bestrebungen von Iran, das seinen Einfluss auf das Nachbarland ausweiten möchte. Sadr könnte Teherans Mann in Bagdad werden. Ihn auf einen einflussreichen Posten in der neuen Regierung zu befördern, wäre ganz im Sinne der iranischen Bestrebungen, Hegemonialmacht in der Region zu werden. Iran ist deshalb bemüht, die Differenzen zwischen Malikis vornehmlich schiitischer Allianz "Rechtsstaat" und Sadrs Bündnis auszuräumen.Doch erstens hält der Iran bereits eine Schlüsselposition in der Region (vgl. auch Mediawatchblog von Ende Januar). Zweitens ist Teherans Vorgehen keineswegs so einseitig auf al-Sadr abgestellt, wie von Spiegel Online kolportiert. Wichtige Details erfahren wir bei der Asia Times, die erfreulich deutlich wird:
Now Tehran is pulling no punches. Late last week, a meeting in Tehran united Maliki's people, Sadrists, President Jalal Talabani (a Kurd), and Vice President Adil Abdel Mahdi of ISCI. Target: find the way to set up a non-Allawi-led coalition.Und während sich Spiegel Online in Spekulationen über eine Abstimmung unter den Sadristen spekuliert, schließt die Asia Times mit einer leider sehr ernst zu nehmenden Warnung:
Withdrawal or no withdrawal, Washington must remain in Iraq in some muscular way to try to profit from the energy bonanza. Thus the necessity of a huge mega-protected fortress (budget for 2010: US$675 million) disguised as the American Embassy, crammed with more than 10,000 intelligence operatives.Es steht zu befürchten, dass Spiegel Online die Tragweite der Entscheidungen verkennt, die jetzt im Irak anstehen und dass die Asia Times einen wesentlich genaueren Blick auf die Tatsachen hat. Auch kann ihr Beitrag besser erklären, warum (unter anderem) die iranische Botschaft in Bagdad angegriffen wird.
So the stage is set for major fireworks to erupt. Washington's game is to do everything to back Allawi. Tehran's game is to support Maliki, the Sadrists and ISCI inside the INA, and the Kurds against Allawi. In one more piercing irony permeating the whole Iraqi tragedy, if "Saddam lite" Allawi ends up getting nothing, one can bet a basket of explosives that the Sunnis will go literally ballistic.
Einen knappen aber im Ton gelungenen Überblick über die Lage Iraks nach den Wahlen vom 7.3.2010 bietet die junge welt.
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