Freitag, 3. November 2023

Nicht weitere zweieinhalb Jahre

Karim Khan, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, versucht seinen Ruf und den des ICC mit Symbolpolitik zu retten (Reuters; auf deutsch Euronews). Dabei hat er selber sehr maßgeblich dazu beigetragen, das Gericht (wieder) auf einen hart prowestlichen Kurs zu trimmen (MediaWatch berichtete). Einmal den Rafah-Grenzübergang von Gaza nach Ägypten zu besuchen und Warnungen auszustoßen, wird nicht reichen um die diskreditierte Institution wieder mit der nötigen moralischen und faktischen Autorität auszustatten.

Da reicht die Initiative des türkische Präsident Tayyip Erdogan schon weiter: Der hat seine Verwaltung angewiesen, zu untersuchen, wie man die israelische Gewalt gegen ZivilistInnen in Gaza als Kriegsverbrechen vor dem ICC verhandeln lassen kann (MEMo). Der Schönheitsfehler hier: Weder Israel noch die Türkei sind Unterzeichnerstaaten des Rom-Statuts.

In Den Haag ist seit 2014 eine Anklage wegen möglicher Verbrechen anhängig, die "in den besetzten palästinensischen Gebieten, einschließlich Ost-Jerusalem, seit dem 13. Juni 2014" begangen wurden. Derzeit wird darüber gestritten ob der ICC zuständig ist (territorial scope of the Court's jurisdiction).

Der bislang letzte Eintrag zu dem Thema stammt vom März 2021 in dem Fatou Bensouda feststellt: Wir wussten,

dass die Frage der territorialen Zuständigkeit des Gerichtshofs im Zusammenhang mit der Situation in Palästina geklärt werden musste. Als zuständige Strafverfolgungsbehörde machten wir uns daraufhin daran, vorab eine gerichtliche Entscheidung zu dieser Frage einzuholen, da es uns entscheidend erschien, diese Klarstellung von Anfang an zu erhalten, damit künftige Ermittlungen auf einer soliden und rechtlich erprobten Grundlage stattfinden können.
(...)
In diesem speziellen Fall gibt es jedoch eine vernünftige Grundlage für die Einleitung einer Untersuchung sowie potenzielle Fälle, die zulässig sind. Unsere Prüfung wird im Rahmen der Untersuchung fortgesetzt, damit wir die auf nationaler Ebene ergriffenen Maßnahmen gemäß dem Grundsatz der Komplementarität weiter bewerten können.
(...)
Wir hoffen, dass wir auf diese Weise die Verantwortlichkeiten feststellen und Gerechtigkeit für die palästinensischen und israelischen Opfer von Verbrechen, die unter das Römische Statut fallen, schaffen können.
Karim Khan ist hoffentlich bewusst, wie wichtig es ist, diese Untersuchung aktiv voranzutreiben und zügig abzuschließen. Es sollten nicht weitere zweieinhalb Jahre verstreichen, bis der nächste Eintrag zu dem Thema auf der Website des ICC erscheint.

P.S.: Palästina ist seit 2015 Mitglied des ICC.

2 Kommentare:

  1. Vielversprechender als das Wahlkampfgetöse von Präsident Erdogan erscheint das schon eine Initiative von Gilles Devers, einem französischen Rechtsanwalt, der die Palästinensische Autonomiebehörde bereits vor dem Internationalen Gerichtshof vertreten hat. Er hat allein in den letzten zehn Tagen weltweit 300 AnwältInnen zusammengetrommelt, die die israelische Regierung wegen vor allen denkbaren nationalen und internationalen Gerichten anklagen werden - wegen Völkermord. https://twitter.com/PlanetReportHQ/status/1724020006072045725 Devers' Versprechen an die Menschen in Gaza: "Sie hatten niemanden, der Sie verteidigt hat, aber jetzt haben Sie eine Armee, die Sie vor internationalen und nationalen Gerichten verteidigt". PlanetReport, hat tip Pepe Escobar.

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  2. Mittlerweile hat auch Südafrika (https://twitter.com/CyrilRamaphosa/status/1724786221661225106, Video, ab min 3:14) den ICC ersucht, Ermittlungen gegen Israel wegen des Gaza Krieges anzustrengen. Bolivien hat das schon am 9. Nov. getan (https://twitter.com/petrogustavo/status/1722629705046819249). Human Rights Watch (https://www.hrw.org/news/2023/11/14/gaza-unlawful-israeli-hospital-strikes-worsen-health-crisis) empfiehlt ebenfalls eine Untersuchung durch den Gerichtshof.

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