Dienstag, 12. Januar 2021

#WeAreRemovingADictator

#WeAreRemovingADictator verkünden der ugandische Musiker Bobi Wine und seine Anhänger zuversichtlich. Leider wird das aller Voraussicht nach nicht klappen. 35 Jahre ist Yoweri Museveni jetzt an der Macht, aber der 76-Jährige hat offensichtlich noch viel vor. Formell gesehen ist der ugandische Präsident seit 1996 kein Diktator mehr aber sein Regierungsstil ist autoritär und auch durchaus brutal: Nachdem er Bobi Wine, dessen bürgerlicher Name übrigens Robert Kyagulanyi lautet, im November 2020 kurzzeitig hatte verhaften lassen, brachten ugandische Sicherheitskräfte bei anschließenden Protesten 54 Menschen um. So wird Museveni dem Zerrbild des klassischen afrikanischen Diktators immer ähnlicher.

Der besonders bei jungen Menschen sehr beliebte Musiker ist seitdem mehrmals verhaftet worden; zuletzt am 7. Januar 2021. Er hat sein Markenzeichen - ein rotes Barrett - inzwischen gegen eine schusssichere Weste und Stahlhelm vertauscht. Im Dezember setzte er seinen Wahlkampf zwischenzeitlich sogar ganz aus, weil die Gewalt gegen sein Wahlkampfteam erhebliche Ausmaße angenommen hatte. Mittlerweile hat er auch seine Kinder außer Landes bringen lassen, weil er Attentate auf sie fürchtet.

Bobi Wine sitzt seit 2017 im ugandischen Parlament. Seinen Sitz hat mit einem weithin beachteten Haustürwahlkampf erobert und in den Jahren darauf schafften es bei Nachwahlen meist Kandidaten aus seinem Lager der Plattform der Nationalen Einheit (National Unity Platform) ins Parlament. Dem hat die Staatsmacht diesmal aber vorgebeugt: Bis auf einen einzigen sind sämtliche Kandidaten, die sich für die Plattform um einen Parlamentssitz bemühen verhaftet worden. Auch seine Wahlkampfhelfer und Sicherheitsleute sind verhaftet oder schlichtweg von Autos ohne Nummernschilder überfahren worden. Es wird einsam um den Mann, der sich der geballten Macht des ugandischen Staatsapparates gegenüber sieht. 

Übermorgen, am Donnerstag, den 14 Januar 2021 ist Wahltag. Museveni überlässt nicht dem Zufall. Er wirft Bobi Wine vor, ausländische, vor allem europäische, Interessen zu vertreten und Homosexualität zu verbreiten. Gleichzeitig hält er die Medien an der ganz kurzen Leine weshalb Reporters Sans Frontiers die Glaubwürdigkeit des Urnengangs gefährdet sieht. Amnesty International resümiert kurz und knapp:
Der Wahlkampf war charakterisiert durch Tötungen sowie Verprügeln und gewalttätige Auflösungen von Oppositionsversammlungen mittels Gummigeschossen und Tränengas
 
Viele Beobachter im Westen führen das Phänomen Bobi Wine auf die sehr junge Altersstruktur der ugandischen Gesellschaft zurück. Aber Bobi Wine überzeugt nicht nur junge Leute. Mit seinen mittlerweile 86 Jahren ist der nigerianische Schriftsteller und Nobelpreisträger Wole Soyinka diesbezüglich unverdächtig. Er beobachtet den Weg von Bobi Wine offensichtlich schon eine ganze Weile. In einem  Interview mit Quartz Africa meinte Soyinka unlängst:
Sogar bevor wir uns getroffen haben, habe ich mich für seine Bewegung und seine Kandidatur und seine Leidenschaft interessiert. Und ich teile sie, jedes bisschen davon.
(...) Derzeit repräsentiert Bobi Wine für mich das Gesicht der Demokratie in Uganda.
Für Wole Soyinka gilt das alte afrikanische Sprichwort, dass ein alter Mann auch im Sitzen weiter sieht, als ein Junge - selbst wenn der auf einen Baum klettert. Denn der große alte Mann der westafrikanischen Literatur hat auch Museveni schon persönlich  getroffen, über den er heute sagt:
Ich habe Museveni während des Kampfes gegen Sani Abacha [ehemaliger nigerianischer Militärdiktator von 1993-1998] getroffen. Zu dieser Zeit war es immer noch möglich, ihn als demokratischen Führer zu betrachten. Heute hat er sich der Gang angeschlossen - den Feinden der Gesellschaft.
Euer/Ihr MediaWatch Redakteur hofft inständig, dass Bobi Wine noch lange leben möge - doch da ist er sich leider überhaupt nicht sicher. Ende 1995 hat man sich auch nicht vorstellen können, dass Sani Abacha den Schriftsteller und Aktivisten Ken Saro Wiwa ganz locker aufs Schafott schickt. So weit wird Museveni ziemlich sicher nicht gehen - aber es reicht ja schon ein Auto ohne Nummernschilder.


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