Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch
Die Geschichte von 'Onkel' Tom
Mit der Konversation zwischen dem Farmer Shelby und dem Sklavenhändler Haley
beginnt der Einstieg in die Geschichte. Shelby ist verschuldet und
braucht dringend Geld. Schweren Herzens will er deshalb seinen
bestausgebildetsten Sklaven Tom an Haley verkaufen. Haleys Geschäft besteht darin, in finanzielle Bedrängnis geratenen Farmern
Sklaven zum Schnäppchenpreis abzupressen und diese dann gewinnbringend
weiter zu verkaufen. Denn die Nachfrage nach Sklaven konnte teilweise durch die
inzwischen vorhandene Nachkommenschaft durch die Sklaven selbst -
darunter viele durch Vergewaltigungen
gezeugte Mischlinge - sowie durch die Pleiten oder Besitzauflösungen von
Farmern 'gedeckt' werden.
Tom ist ausserdem zum Christentum konvertiert, ein Fakt, der immer eine enorme Rolle bei der Sklavenfrage gepielt hat. Sie entzündete sich daran, ob Christen Christen versklaven dürfen und bezog daraus ihre moralische Schlagkraft. Viele Sklaven sind genau aus diesem Grund konvertiert, weil sie sich dadurch bessere Chancen auf ihre Freiheit versprachen, was auch bei den Prinzen von Calabar eine erhebliche Rolle spielte. Beide Prinzen, selbst Sklavenhändler, konvertierten zum Christentum, um sich der Unterstützung der Methodisten für ihre Rückkehr sicher zu sein, um dort wieder als Sklavenhändler tätig zu werden. Weder für die weißen noch für die schwarzen Sklavenhändler hatte das Christentum irgendeine moralische Bedeutung. Das wollte die Abolitionisten-Bewegung ändern. Für sie war das Christentum eine Verpflichtung zur Menschlichkeit gegenüber Christen, die ihre Versklavung verbietet.
Ein Christ, so beschreibt es treuherzig Beecher Stowe anhand ihrer Romanfiguren, ist ehrlich, moralisch integer und einfach mehr einer 'der Unseren', für den es sich einzusetzen lohnt. Diesen Dünkel, wer zu 'uns' gehört, zeigt sich bis heute: Es war das Foto eines weißen, womöglich von syrischen Christen stammenden ertrunkenen Jungen am türkischen Strand von Bodrum, das den heuchlerischen Medienhype über Flüchtlinge auslöste, während man jahrelang Hunderte von ertrunkenen afrikanischen Flüchtlingen dokumentieren könnte, die aber in unseren Mainstream-Medien kein solches Mitleid erregen würden. So sitzt mitten in der Empathie erschreckend tief der Rassismus. Und das ist auch bei Beecher Stowe und den Abolitionisten der Fall. Es gilt, den domestizierten, christianisierten Sklaven zu befeien, der sich einbinden lässt in die weiße Gesellschaft und nicht auf Rache sinnt oder gar den Platz der Herren einunehmen möchte, sondern dankbar ist für die Hand, die ihm im Namen eines christlichen Gottes befreien möchte.
Tom ist ausserdem zum Christentum konvertiert, ein Fakt, der immer eine enorme Rolle bei der Sklavenfrage gepielt hat. Sie entzündete sich daran, ob Christen Christen versklaven dürfen und bezog daraus ihre moralische Schlagkraft. Viele Sklaven sind genau aus diesem Grund konvertiert, weil sie sich dadurch bessere Chancen auf ihre Freiheit versprachen, was auch bei den Prinzen von Calabar eine erhebliche Rolle spielte. Beide Prinzen, selbst Sklavenhändler, konvertierten zum Christentum, um sich der Unterstützung der Methodisten für ihre Rückkehr sicher zu sein, um dort wieder als Sklavenhändler tätig zu werden. Weder für die weißen noch für die schwarzen Sklavenhändler hatte das Christentum irgendeine moralische Bedeutung. Das wollte die Abolitionisten-Bewegung ändern. Für sie war das Christentum eine Verpflichtung zur Menschlichkeit gegenüber Christen, die ihre Versklavung verbietet.
Die Peitsche überlebt. Foto von 1863, Louisiana. Wikimedia |
Ein Christ, so beschreibt es treuherzig Beecher Stowe anhand ihrer Romanfiguren, ist ehrlich, moralisch integer und einfach mehr einer 'der Unseren', für den es sich einzusetzen lohnt. Diesen Dünkel, wer zu 'uns' gehört, zeigt sich bis heute: Es war das Foto eines weißen, womöglich von syrischen Christen stammenden ertrunkenen Jungen am türkischen Strand von Bodrum, das den heuchlerischen Medienhype über Flüchtlinge auslöste, während man jahrelang Hunderte von ertrunkenen afrikanischen Flüchtlingen dokumentieren könnte, die aber in unseren Mainstream-Medien kein solches Mitleid erregen würden. So sitzt mitten in der Empathie erschreckend tief der Rassismus. Und das ist auch bei Beecher Stowe und den Abolitionisten der Fall. Es gilt, den domestizierten, christianisierten Sklaven zu befeien, der sich einbinden lässt in die weiße Gesellschaft und nicht auf Rache sinnt oder gar den Platz der Herren einunehmen möchte, sondern dankbar ist für die Hand, die ihm im Namen eines christlichen Gottes befreien möchte.
Verteilung der Slaven in den USA um 1860. Jeder Punkt steht für 200 Menschen. Grafik: Wikimedia |
Nichts war unbeliebter - selbst unter den gierigsten Menschenhändlern - als der Menschenraub in Afrika und ihr Transport auf den Sklavenschiffen in die Neue Welt. Ein Zwischenhandel innerhalb der Skavennationen in den Südstaaten der USA war da zwar immer noch riskant, da die Sklaven entfliehen konnten und man dafür ja bereits in Vorleistung getreten war und der Profit erst beim erfolgreichen Weiterkauf auf den Sklavenmärkten in anderen Teilen des Landes realisiert wurde. Aber auch das war weit weniger aufreibend als die Arbeit auf den Sklavenschiffen selbst.
Zum Sklaven Tom gesellt sich als profitabler Weiterverkauf auch noch der achtjährige Harry, der nur zufällig in das Gespräch der beiden platzt und von Haley sofort als rentables Geschäft erkannt wird. Der Junge ist hübsch, hellhäutig und intelligent und damit eine hochwertige Ware. Das löst die eigentliche Handlung aus, denn die Mutter des Jungen bekommt die heimliche Absprache zwischen ihrem Besitzer Shelby und Haley mit, was sie in tiefe Verzweiflung und schließlich zur Flucht treibt. Noch in derselben Nacht flieht sie mit ihrem Jungen. Durch sie führt Beecher Stowe ihre LeserInnen in die organisierte Sklavenroute bis nach Kanada ein.
Tom dagegen flieht nicht. Als tiefgläubiger Christ nimmt er sein Schicksal hin, von seiner Frau und den Kindern getrennt zu werden - ein Umstand, der eine ganze Reihe von Sklaven in den Suizid trieb, was auch Beecher Stowe in zwei Nebenszenen in ihrem Roman aufgreift. Ihn ereilt ein zunächst viel freundlicheres Schicksal als es eine mühsame, von Todesangst begleitete Flucht ist. Er wird Haley schon auf dem Mississippi Dampfer von einem Mann namens St. Clare abgekauft, der durch seine Tochter Eva dazu gedrängt wird. Beecher Stowe nutzt die Gespräche zwischen der Erzieherin von St. Clares Tochter Eva - Miss Ophelia und St. Clare - dazu, eine Reihe von Positionen und Ängste ihrer Zeitgenossen zur Skavenfrage auszubreiten. Denn Miss Ophelia, die Cousine St. Clares, stammt aus den Nordstaaten der USA, wo die Sklaverei bereis abgeschafft ist. Durch diese Gespräche wird man - wenn auch in einem fiktiven Roman - unmittelbar Zeuge des damaligen Stands der Diskussion.
Plakat für eine Sklavenauktion in Leon County, Florida 1862. Wikimedia |
Aber Tom wird nicht - wie es die vielversprechende Vorlage für seine Figur hoffen lässt - freigelassen wie David Rice. St. Clare stirbt, bevor er sich dazu aufraffen kann, seine Wankelmütigkeit zu überwinden und seine Sklaven der Freiheit zu überschreiben. Verträge in denen die Bedingungen für die Freilassungen festgeschrieben wurden und die Namen der Sklaven mit ihrem Alter und ihren Fähigkeiten gelistet waren, gab es häufiger. Teils mussten die Sklaven große Summen entrichten, um für ihre Befreiung zu bezahlen, teils wurden ihnen Zeugnisse über ihre in der Sklaverei erworbenen Fähigkeiten ausgestellt, wie es dem Freigelassenen David Rice zu teil wurde. Beecher Stowe zitiert in ihrem Nachwort aus solchen Verträgen sowie Zeugenaussagen von freigelassenen Sklaven - auch hier wieder, um ihre Fiktion mit Dokumentarischem zu untermauern.
St. Clares Frau, ist eine eingefleischte Rassistin mit allen Merkmalen - einschließlich der Neigung, sich selbst zum Opfer zu stilisieren. Sie verkauft den gesamten 'Besitzstand' nach dem Tod ihres Mannes an eben jene Zwischenhändler, die Tom dem brutalen, moralisch verrohten Farmer Legree weiterverkaufen. Neben Haley ist er die zweite negativ überzeichnete Figur in ihrer Geschichte. Auf der Farm von Legree stirbt Tom, weil er es verweigert, eine Sklavin auszupeitschen, die nicht genug von der Tagesernte auf den Baumwollfeldern zurückgebracht hat. Wegen dieser Befehlsverweigerung wird er von den zwei schwarzen Vorarbeitern Sambo und Qimbo zu Tode gequält. Beecher Stowe stilisiert ihn hier zu einer Art Christusfigur, die seinen Peinigern vergibt, allen voran Sambo und Qimbo, die ihn im Auftrag von Legree als seine tumben und devoten Befehlsausführenden quälen und foltern. Ihre Namen verraten ihre offensichtlich rohe afrikanische Identität - widerum ein Verweis auf den verdeckten Rassismus der christlichen Sklavengegner, denen Beecher Stowe angehörte. In diesen beiden Vorarbeitern deckt sie den Kreislauf von Unterdrückung auf:
It is a common remark ....that the negro overseer is always more tyrannical than the white. It is no more of this race than the every oppressed race, the world over. The slave is always a tyrant, if he can get the chance to be one.
Hundert-Dollar Schein der Konföderierten Staaten von 1862 - also wärend de us-amerikanischen Bürgerkrieges herausgegeben. Public domain, Wikimedi |
Negersklaven und Christensklaven
Wie sehr die afrikanische Herkunft der Sklaven abgelehnt und offensichtlich nur der christianisierte Sklave zur Gattung Mensch gezählt wird, kommt unverhohlen in der Beschreibung eines schwarzen Sklavenmädchens zum Ausdruck, das in den Haushalt der St. Clares kommt. Sie wird sogleich unter die Fittiche von Miss Ophelia genommen, der Erzieherin der engelsgleichen Tochter Eva. Dieses Sklavenmädchen trägt den lächerlichen Namen Topsy, wobei unklar bleibt, ob die Sklaven ihre angeblich 'afrikanischen' Namen von ihren Käufern bekamen, einfach, um sie zu benennen - quasi als Bezeichung für die Ware - und ob sie erst als Konvertiten zu den geläufigeren Namen wie Tom, Eliza oder Harry kamen. Die resolute Miss Ophelia jedenfalls hat bereits Pläne für die 'Instruktion' dieses 'Wesens' und beginnt das Terrain zu sondieren.
'How old are you, Topsy?'Das Mädchen soll ausserdem zeigen, was es kann und ein solches Wesen kann - neben dümmlichen Grinsen und gottfernen Antworten - offensichtlich nur Eines: Singen und dazu tanzen. Und das beschreibt Beecher Stowe auf eine Weise, die - nur dürftig durch ihre fiktionalen Personen kaschiert - vermutlich ihre eigenen ambivalenten Empfindungen und Vorurteile gegenüber dem noch ungezähmten afrikanischen 'Wilden' verrät:
'Dun no, Missis', said the image, with a grin that showed all her teeth.
'Don't you know how old you are? Didn't anybody ever tell you? Who was your mother?'
'Never had none', said the child with another grin.
'Never had any mother? What do you mean? Where were you born?'
'Never was born!', persisted Topsy, with another grin, that looks so goblin-like that, if Miss Ophelia had been at all nervous, she might have fancied, that she had got hold of some sooty gnome from the land of Diablerie; but Miss Ophelia was not nervous, but plain and business-like...
'Have you ever heard anything about God, Topsy?'
The child looked bewildered, but grinned as usual. 'Do you know who made you?'
'Nobody, as I knows on', said the child, with a short laugh.... 'I 'spect I grow'd. Don't think nobody never made me.'
The black, glassy eyes, glittered with a kind of wicked drollery, and the thing struck up, in a clear shrill voice, an odd negro melody, to which she kept time with her hands and feet, spinning round, clapping her hands, knocking her knees together, in a wild, fantastic sort of time, and producing in her throat all those odd guttural sounds which distinguish the native music of her race; and finally, turning a summerset or two, and giving a prolonged closing note, as odd and unearthly as that of a steam-whistle, she came suddenly down on the carpet, and stood with her hands folded, and a most sanctimonious expression of meekness and solemnity over her face, only broken by the cunning glances which she shot askance from the corners of her eyes.Topsy wird nun die strenge, aber gütige Erziehung Miss Ophelias zuteil und später erfahren wir, dass diese reife Früchte getragen hat. Topsy ist zu einem wohlerzogenen, ergebenen und damit brauchbaren Menschen geworden - auf dem Weg zum Christentum. Auf keinen Fall wünscht sie sich die Freiheit und möchte für immer bei Miss Ophelia bleiben, die ihr so viel Gutes getan hat. Derartige Auffasuungen werden auch gerne in der Propaganda der Gegner der Abolitionisten aufgegriffen. Die Karrikatur (s.u.) zeigt einen Sklaven, der gegen seinen Willen wie ein Stück Vieh an einem Strick in die Freiheit gezerrt werden soll. Hier wird der Sklavenbefreier zum Unmenschen, der den Sklaven in seiner lieb gewonnenen Unterdrückung gewaltsam von seinen gütigen Unterdrückern trennen will.
"The Blessings of Liberty - Or how to hook a "Gentleman" of Color. Karikatur der Anti-Abolitionisten aus der Zeit vr dem us-amerikanischen Bürgerkrieg. Autor
unbekannt,1850er Jahre. Wikimedia commons
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Den ersten Teil dieser Serie kann man hier nachlesen. Weiter geht es hier zu Teil 3.
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