Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch
Der transatlantische Sklavenhandel wurde zur größten Zwangsumsiedlung der Menschheit, bei der schätzungsweise elf Millionen Menschen zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert in die Neue Welt und nach Europa verschleppt wurden. Dieses immense Ausmaß konnte von den Opfern naturgemäß kaum dokumentiert werden. Dennoch gibt es einige wenig bekannte, spärliche Zeugnisse von Betroffenen.
Der transatlantische Sklavenhandel wurde zur größten Zwangsumsiedlung der Menschheit, bei der schätzungsweise elf Millionen Menschen zwischen dem 17. und 18. Jahrhundert in die Neue Welt und nach Europa verschleppt wurden. Dieses immense Ausmaß konnte von den Opfern naturgemäß kaum dokumentiert werden. Dennoch gibt es einige wenig bekannte, spärliche Zeugnisse von Betroffenen.
Fußfessel für Sklaven, Musée de la civilisation.celtique / Bibracte, Frankreich.Foto: wikimedia, Quelle Urban |
In einer mehrteiligen Serie zum Sklavenhandel und ihren unterschiedlichen Folgen habe ich bereits einige dieser Zeugnisse vorgestellt - so die Die Prinzen von Calabar des Historikers Randy J. Spark, der den spannenden Briefwechsel zweier irrtümlich in die Sklaverei verschleppter nigerianischer Sklavenhändler in historische Zusammenhänge bringt oder die Aufzeichnungen Jan Stedmans, der fünf Jahre in Surinam Sklavenaufstände im Namen der britischen Krone niederschlug. In ihnen wird dieses belastende Thema weg von der bloßen Aufzählung geschichtlicher Fakten hin zu anschaulichen Geschichten von Einzelschicksalen verlagert, die trotz ihrer Einzigartigkeit und ihrer unterschiedlichen Perspektiven erhebliche Teile des blutigen Geschäfts beleuchten.
1852 erschien der Roman "Uncle Toms Cabin" von Harriet Beecher Stowe in Boston und ist also nicht wie die anderen Beiträge zur Sklaverei historisches Dokument, sondern Fiktion. Aber Beecher Stowe, eine glühende Kämpferin für die Abschaffung der Sklaverei, hat als Aktivistin in der Abolitionisten-Bewegung zahlreiche Dokumente von Sklavenschicksalen gesammelt und kam nicht zuletzt selber mit befreiten Sklaven in Kontakt, die sie zu einer fiktiven Geschichte mit einer Reihe von Einzelschicksalen zusammengeschmolzen hat. Sie bezeichnet "Uncle Toms Cabin" in der europäischen Ausgabe von 1856 deshalb als
...close wrought mosaic of facts.... they have been attested and confirmed by thousands of witnesses in the slave states ...been endorsed by slaveholders themselves....'
Sie möchte ihre europäischen Leser über die unmenschlichen Grausamkeiten der Sklavenhalter - Staaten in den USA aufklären und davon überzeugen, ihren Roman nicht als bloße Fiktion abzutun.
Wie alle Aktivisten argumentiert auch Harriet Beecher Stowe aus ihrer tiefen christlichen Überzeugung heraus gegen die Sklaverei, wie es ja auch die Methodisten in England taten, was Spark in seiner Dokumentation "Die Prinzen von Calabar" eindrücklich darlegt.
Abschaffung der Sklaverei in verschiedenen US-Bundesstaaten. Grafik: Quartier Latin 1968, Wikimedia * |
Beecher Stowes Roman ist ein einziger Appell an die noch nicht Überzeugten, die Zögernden und Unwissenden. Sie entwickelt deshalb eine Reihe von Figuren, die es dieser Leserschaft erleichtert, zu einer eindeutigen Haltung in der Sklavenfrage zu kommen. So gibt es die Farmer, die gut zu ihren Sklaven sind, sie ausbilden und sie fast (!) wie Ihresgleichen behandeln. Es gibt diejenigen, die ihre Haltung ändern möchten wie der Farmer St. Clare, der durch die Liebe seiner Tochter zum neu erworbenen Sklaven Tom in Zweifel über den rechtmäßigen Besitz von Sklaven gerät und sich doch, teils aus eindeutig ökonomischen Gründen, nicht entschließen kann, seinen Sklaven die Freiheit zu schenken. 'Uncle Tom' geht auf eine dokumentarische Vorlage zurück und ist - wie Beecher Stowe in ihrem Vorwort schreibt - vom freigelassenen Sklaven David Rice inspiriert, der nach 24 Jahren mit bestem Zeugnis seines ehemaligen Besitzers und einer Ausstattung von 100 US Dollar in die Freiheit entlassen wird. Dieses Zeugnis wird als historisches Dokument von ihr vollständig zitiert. Nicht alle Sklavenbesitzer, so möchte sie ihrer Leserschaft differenziert nahe legen, sind also Barbaren. Aber für sie ist unmissverständlich klar: Die Zeit ist gekommen, die Sklaverei abzuschaffen.
Klandestine Fluchtrouten für Sklaven nach Kanada.Grafik: Wilbur Henry Siebert, 1898, Wikimedia. |
Nicht zuletzt wird auch die Sklavenroute der entflohenen Sklaven beschrieben, bei denen sie nur durch ihre weißen UnterstützerInnen, die sie mit Unterkünften, falschen Papieren, Weitertranporten und Kontaktadressen versorgten, erfolgreich fliehen konnten. Sie retteten diese oft vor dem sicheren Tod und schleusten sie in Etappen durch ein ausgeklügeltes Netzwerk bis in ihre Freiheit nach Kanada, in dem es keine Sklaverei gab und sie nicht weiter verfolgt werden konnten. Aber vor allem ist ihr Roman eine Anklage und ein Appell an diejenigen, die sich Christen nennen:
...the humanity of Jesus Christ invests human existence with an awfull sacredness and in the eye of the true believer in Jesus, he who tramples on the rights of his meanest fellow man, is not only inhuman but sacrilegius - and the worst form of this sacrilege is the insitution of slavery.
Und sie ruft ihre europäischen Leser auf, an diesen Vorgängen in Amerika Anteil und darüber hinaus in die Verantwortung zu nehmen, um der Bewegung zur Abschaffung der Sklaverei eine größere Stoßkraft zu geben:
The internal struggles of no other nation in the world can be so interesting for the European as those of America, for America is fast filling up from Europe and every European who lands on her shores has almost immediately his vote in her counsels.
* Grüne
und hellgrüne Flächen: Abolition of slavery by Congressional action
during the Civil War (1862), braune und hellbraune Flächen:
Emancipation Proclamation as originally issued, 1 Jan 1863, Subsequent
operation of the Emancipation Proclamation in 1863, Abolition of slavery
by state action during the Civil War; orange, rote und rosa Flächen:
Operation of the Emancipation Proclamation in 1864, Operation of the
Emancipation Proclamation in 1865, Thirteenth Amendment to the US
constitution, 18 Dec 1865 (abolishes
slavery in Delaware, Kentucky, the portions of Virginia exempted from
the Emancipation Proclamation, and nationwide for all time to come)
Weiter geht's mit Teil 2.
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