Sonntag, 5. August 2018

Künstliche Intelligenz in den Auswärtigen Beziehungen?

Über den Einsatz fortgeschrittener Expertensysteme (vulgo Künstliche Intelligenz, KI) in der Analyse Auswärtiger Beziehungen zwecks Weiterentwicklung der internationalen Beziehungen sind in letzter Zeit gleich zwei - recht unterschiedliche - Veröffentlichungen im deutschen Sprachraum erschienen.

Zum Einen hat die IP, die Zeitschrift der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik e.V. (DGAP) den Schwerpunkt ihrer diesjährigen Sommerausgabe dem Thema gewidmet. Zwei Beiträge sind kostenlos online verfügbar:

In "Eine Frage der Zeit - Künstliche Intelligenz wird die Weltpolitik durcheinanderwirbeln" geht es wenig trennscharf um die Veränderungen die die zunehmende Verbreitung von KI sowohl gesellschaftlich als auch im Wettbewerb der Nationen auslösen wird. Da ist von Wachstumschancen und Spitzenpersonal die Rede. Für die Nutzung von Expertensystemen in der Außenpolitik werden drei Bereiche genannt:
"KI könnte komplizierte internationale Verhandlungen modellieren und vereinfachen; sie könnte geopolitisch wichtige Ereignisse voraussagen; und sie könnte dabei helfen, die Einhaltung von Waffenkontrollverträgen zu überwachen."
Wesentlich konkreter wird ehemalige Verteidigungs-Staatssekretärin Katrin Suder in einem Interview der IP „Es geht um den Kern von Sicherheit“. Da heißt es unter anderem
(...) was in jüngster Zeit passiert, ist, dass es unfassbar viel mehr Daten gibt, weil inzwischen überall Sensoren sind. Alles ist vernetzt, überall sind Chips, im Handy, im Auto, in all den Kameras, bald vielleicht standardmäßig in unserer Kleidung. Gleichzeitig gibt es zu geringen Kosten Rechnerleistung, um diese Datenmengen zu bewältigen. (...) Je mehr Daten, je schneller die Computer, desto besser die KI; (...) Gerade entstehen praktisch täglich neue Anwendungen – auch im militärischen Bereich mit entsprechenden sicherheitspolitischen Implikationen. KI ist zentraler Bestandteil des „digitalen Gefechtsfelds“ oder, ein bisschen drastischer formuliert, KI kann eine „Waffe“ sein.
Es gilt demnach:
(...) durch die Digitalisierung der Erhebung, Verarbeitung und Präsentation all dieser Daten, kann man Wirkungsüberlegenheit erlangen. Wer bessere Informationen hat, wem es gelingt, all diese Informationen zusammenzufügen, der gewinnt. Weil man mehr sieht; weil man genauer sieht, wo der Angreifer ist, was er tut, wie er ausgerüstet ist, usw. 
Es gilt aber auch:
Umgekehrt wird man durch die stärkere Vernetzung und Digitalisierung – ob wir jetzt vom Eurofighter oder vom Schützenpanzer Puma sprechen (...) oder von der Abhängigkeit von Lageinformationen – auch immer verwundbarer.
Suder macht zudem auf eine wichtige weitere Tatsache aufmerksam - leider im Zusammenhang mit angeblich möglichen terroristischen KI-Anwendungen und nicht im viel wesentlicheren Kontext von Rüstungskontrollvereinbarungen:
KI (...) einzusetzen, kostet im Zweifelsfalle nichts. Es fällt auch nicht auf, wenn jemand KI entwickelt oder stiehlt. Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts, man kann es nicht auf einem Satellitenbild erkennen.
Bei Telepolis wird gefragt, ob Außenpolitik durch "KI-gestützte Entscheidungsfindung vernünftiger" werden könne und auf einen Artikel in der South China Morning Post verwiesen, nachdem im chinesischen Außenministerium bereits computergestützte Expertensysteme getestet würden. In TP wird pragmatisch auf das Problem hingewiesen, Kategorien wie "Nationales Interesse" plötzlich spieltheoretisch einhegen zu müssen. Und es werden Hinweise auf die mehrlagigen Transparenzprobleme gegeben, die beim Einsatz derartiger Technologien entstehen. Denn die Öffentlichkeit wird wohl kaum mehr über die Prioritäten informiert werden, mit denen die KI "gefüttert" wird, um Entscheidungsmöglichkeiten überhaupt benennen zu können. Andererseits werden nicht einmal die ExpertInnen überwachen können, was ihre KI eigentlich wirklich tut und wie sie zu Entscheidungen gelangt.

Die South China Morning Post verweist schon im Titel ihres Berichts zum Thema auf einen weiteren spannenden Aspekt des Themas, die vermeintliche "Neutralität" von Expertensystemen: "Artificial intelligence, immune to fear or favour, is helping to make China’s foreign policy". In dem Artikel heißt dann allerdings: "The researchers said the AI “policymaker” was a strategic decision support system, with experts stressing that it will be humans who will make any final decision." Dies sei ein fundamentales Prinzip. Zur Funktionsweise der Versuchsanordnung heißt es:
The system studies the strategy of international politics by drawing on a large amount of data, which can contain information varying from cocktail-party gossip to images taken by spy satellites.
When a policymaker needs to make a quick, accurate decision to achieve a specific goal in a complex, urgent situation, the system can provide a range of options with recommendations for the best move, sometimes in the blink of an eye.
Auf einer Konferenz habe man unlängst Diplomaten gebeten, "Prinzipien und Politiken" für die chinesischen Außenbeziehungen "auf wissenschaftliche Art zu formulieren". Und der chinesische Präsident Xi Jinping wird mit der Warnung zitiert, dass Diplomaten sich "nicht in einer komplexen und sich ständig verändernden, internationalen Situation verlieren dürften".

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