Dienstag, 1. Oktober 2013

Wie neoliberale Hardliner eine Erfolgsmeldung verdrehen

"Schwellenländern droht schnelle Überalterung", (Hervorhebung die Red.) orakelt SPON angesichts einer der besten Nachrichten, die derzeit aus den Schwellenländern kommen. In vielen Ländern steigt nämlich die Lebenserwartung derzeit rapide an, was ein Beweis für gelungene Entwicklungsanstrengungen ist, vor allem im Gesundheitsbereich. Genannt werden Jordanien, Laos, Mongolei, Nicaragua und Vietnam.


Selbstverständlich werden die Entwicklungs- und Schwellenländer den demografischen Übergang (wiki) früher oder später genauso meistern, wie es Europa tat (und immer weniger tut). Ein hoher Anteil älterer Menschen ist ein Beweis für den Erfolg einer Gesellschaft und nicht der reitende Vorbote des Untergangs, wie viele scheinbar meinen. Folglich setzt sich die Global Age Watch Website von Help Age International auch weniger mit den "Gefahren" auseinander, die von den angeblich zu vielen Alten ausgehen, sondern richtet den Blick auf die Qualität der Politiken die die Regierungen für die Menschen (und für die Alten) machen. Und so wird auch ein Schuh draus.

Denn die schönen Erfolge können durch eine verfehlte Sozialpolitik auch ganz schnell wieder zunichte gemacht werden. Bisher ist in Deutschland alles ganz gut gelaufen. So schrieb das DIW 2012:
Hatten 65-jährige Männer in Westdeutschland Ende der 50er Jahre im Schnitt noch 12,3 Jahre zu leben, so stieg dieser Wert bis zum Jahr 2008 auf 17,3 Jahre. Bei Frauen ist die fernere Lebenserwartung im selben Zeitraum von 14,1 auf 20,6 Jahre gestiegen.
Aber die wachsenden Einkommensunterschiede trüben das schöne Bild:
Männer aus armutsgefährdeten Haushalten und solchen mit prekären Einkommen leben (...) durchschnittlich fünf Jahre weniger als Männer aus wohlhabenden Haushalten. In den mittleren Einkommenskategorien sind die Unterschiede etwas geringer: Männer aus Haushalten mit 80 bis 100 Prozent des mittleren Einkommens haben eine um viereinhalb Jahre geringere Lebenserwartung. Für Haushalte mit 100 bis 150 Prozent beträgt die Differenz zur höchsten Einkommensgruppe noch gut drei Jahre.

Bei Frauen sind die Unterschiede nach Einkommen weit weniger ausgeprägt als bei Männern. Im Vergleich zu wohlhabenden Frauen leben solche aus armutsgefährdeten Haushalten dreieinhalb Jahre weniger. In Haushalten mit prekären Einkommen und bei einem Einkommen von 80 bis 100 Prozent beträgt der Unterschied etwa zweieinhalb Jahre und bei 100 bis 150 Prozent nur noch anderthalb Jahre.
Es gibt viele weitere Belege für diese Tatsache (vgl. Sozialpolitik aktuell). Und es steht zu befürchten, dass sich die Situation zuspitzt, wenn die Ungleichgewichte noch schlimmer werden. Die taz meldet:
Die Lebenserwartung von Geringverdienern ist (...) in den letzten zehn Jahren deutlich gesunken. (...) Das Phänomen betrifft ausschließlich Männer und den Osten härter als den Westen. Im Bundesdurchschnitt sank demnach die Lebenserwartung von Geringverdienern zwischen 2001 und 2010 um zwei Jahre. Im Osten jedoch ging die Lebenserwartung im gleichen Zeitraum bereits um 3,8 Jahre zurück, also fast vier Jahre.
Ein Ende dieser Regression ist nicht abzusehen. Die Süddeutsche schreibt über Großbritannien:
Im schottischen Glasgow etwa erreichen Männer im wohlhabenden Bezirk Lenzie im Schnitt das stattliche Alter von 82 Jahren. Zwölf Kilometer weiter im ärmeren Stadtteil Calton sterben sie dagegen im Schnitt schon mit 54.

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