Donnerstag, 25. August 2011

Für Regen beten

"Schlechtes Wetter verursacht Bürgerkriege", meint Spiegel Online und greift damit eine Diskussion auf, die im angelsächsischen Raum schon länger geführt wird. Das Gefährliche an dieser Denke ist, dass Hungerkatastrophen so zu etwas Unabänderlichen werden. Von da ist es gedanklich nur noch ein Katzensprung, bis man anfängt für Regen zu beten, wie es der republikanische US-Präsidentschaftskandidat Rick Perry von seinen WählerInnen möchte.

Derartige Überlegungen lassen sich denn auch relativ leicht widerlegen. Bei SPON heißt es zum Beispiel: "Im Sudan brachen in den El-Niño-Jahren 1963, 1976 und 1983 bewaffnete Konflikte zwischen dem Norden und dem Süden des Landes los". Doch wäre daran wirklich die Dürre (El Nino) schuld gewesen, hätte der gesamte Sahel in den 70er und 80 Jahren in Bürgerkriegen versinken müssen. Dass gerade im Sudan Gewalt aufflammte, muss also andere Gründe gehabt haben. (Ganz grundsätzlich sollte überdies klar sein, dass an einem Krieg immer die schuld sind, die zur Waffe greifen und nicht irgendwelche Begleitumstände.)

Andererseits ist es extrem aufwändig, im Einzelfall zu belegen, dass das Wetter nur einer von vielen bedeutenden Faktoren ist, die Kriege und Hunger auslösen. Und doch hat sich jemand im großen Umfang dieser Mühe unterzogen und gezeigt, dass sie nicht von El Nino "gemacht" werden. Sie werden durch Ernteausfälle ausgelöst, verursacht werden sie aber vor allem durch menschliches Handeln.

"Die Geburt der Dritten Welt: Hungerkatastrophen und Massenvernichtung im imperialistischen Zeitalter", heißt das Buch des Soziologen Mike Davis, der detailliert und in Dutzenden von Einzelfällen belegt, dass nicht das Wetter, sondern imperiale Machtgelüste und die Durchsetzung der libertären Marktordnung an den Hungerkatastrophen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts schuld waren. 30 bis 60 Millionen Menschen sind dabei umgekommen. Das 460 Seiten umfassende Werk gehört in jeden ordentlichen Haushalt.

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