Samstag, 19. Juni 2010

Was ist seitdem geschehen?

Eine verzerrte China-Berichterstattung in den deutschen Medien konstatiert eine unlängst erschienene Studie der Heinrich-Böll-Stiftung in Kooperation mit den Universitäten Erfurt und Duisburg-Essen. Gefunden bei epo.de. Wirklich verwundern kann dies die Mediawatchblog-LeserInnen nicht. Vgl. Kein Ende der Erniedrigungen (und auch Vorsicht beim China-bashing sowie in vielen Fundstücken). Im Vorwort zur Studie heißt es:
Laut (...) GlobeScan-Studie, (...) glauben nur 20 Prozent der Deutschen, dass China eine «eher positive Rolle» in der Welt spielt, rund 71 Prozent sehen den Einfluss Chinas sogar «eher negativ». Damit gehören die Deutschen weltweit zu den größten China-Skeptikern. Noch 2005 hielten sich positive und negative Wahrnehmung Chinas in Deutschland fast die Waage. Was ist seitdem geschehen?
Die zunehmende Bedeutung Chinas für die Weltwirtschaft und -politik erzeugt Unbehagen und ist vielen Beobachtern Anlass zur Besorgnis. (...) Im Olympiajahr 2008 eskalierten die Spannungen zu einem regelrechten Medienkrieg. Er entzündete sich an der Berichterstattung über die politischen Unruhen in Tibet und den olympischen Fackellauf.
Einen guten Eindruck vermittelt etwa dieser Beitrag im Handelsblatt vom Februar 2010. Die Ängste vor der "gelben Gefahr" müssen überwältigend sein. Wer das nicht glaubt, kann ja mal bei Spiegel Online (2006) nachlesen:
Im Weltkrieg um Wohlstand kämpfen die Angreiferstaaten Asiens mit brutalen Methoden: Sie ertragen im Land bittere Armut und verursachen gigantische Umweltzerstörung. Ihr Aufstieg ist unser Abstieg - es sei denn, der Westen überwindet seine Angst und schmiedet ein Abwehrbündnis.
Schwer zu übertreffen wie immer die Bild-Zeitung: "Hat China uns jetzt endgültig abgehängt?" oder "Droht bald ein Krieg um Rohstoffe? China läuft Europa und Amerika davon" oder auch "Volkskongress in China - Die Super-Show der Steinzeit-Kommunisten". Die Reihe ließe sich fortsetzen.

In der Studie wird denn auch besorgt festgestellt:
Noch im selben Jahr wurden daraufhin die ersten Dialogforen und runden Tische organisiert: Medienvertreter, Politiker und Studenten aus China und Deutschland diskutierten. Doch es kam zu keiner Annäherung. Eher wurde deutlich, wie unterschiedlich die Wahrnehmungen, wie verhärtet die Fronten sind. Eine rationale Debatte schien nicht möglich.
Interessant ist, dass diese Stereotypen trotz guter materieller Ausstattung der berichtenden Medien zustande kommen. Während der Afrika-Korrespondent aus Kapstadt über Lagos berichtet, scheint die Situation in bezug auf China deutlich besser zu sein. Im Fazit der Untersuchung ist von einer "gut bis sehr gut ausgebaute[n] Korrespondenten- und Redaktionsstruktur" die Rede. Weiter heißt es:
Die so entstehende sehr hohe Eigenleistung der Arbeit der Korrespondenten (20,6% aller Berichte (...)), die durch spezifsche Asienredakteure noch befördert wird  (5,2%) und  vergleichsweise geringe Agenturabhängigkeit (nur rund  20%) bei der Thematisierung von China-Beiträgen ist über alle Medien hinweg beachtlich.

Nichtsdestotrotz zeigt sich bei der Analyse aller  identifzierten Beiträge zu China in 2008, dass etwas mehr als die Hälfte dieser Beiträge sich lediglich in allegorischer und stereotypisierender Form auf China bezieht. (...) Dabei prägen normativ abwertende Bilder von China bspw. als «Unterstützer von Schurkenstaaten», als «Klimasünder», als «Billigproduzent» oder als Land mit unbändigem «Rohstoffhunger» den Diskurs, obwohl insbesondere im Wirtschaftsbereich auch scheinbar positiv besetzte Bilder vom «attraktiven Wachstumsmarkt» und «interessanten Produktionsstandort» vorkommen.
Hier eine einige weitere Einblicke in die empirischen Befunde:
Gleichwohl bestehen deutliche blinde Flecken in der Themenagenda aller Medien, da insbesondere für gesellschaftliche Umbruchsprozesse so zentrale Bereiche wie Soziales oder Bildung, Wissenschaft + Technik fast vollständig ausgeklammert werden.(...)
Insgesamt ist zu konstatieren, dass auch die stark bestückten Themenfelder eine eurozentristische Perspektive aufweisen und Themen bevorzugt werden, die von besonderem Interesse für das Zielland der Berichterstattung erscheinen.(...)
So erscheint der massive Fokus der innenpolitischen Berichterstattung auf Minderheiten- und Territoriumsfragen wie Tibet (11,2%) und Taiwan (1,7%) sowie auf die Menschenrechtssituation (3,9%) angesichts der Vernachlässigung der Analyse der Entwicklungen innerhalb des politischen Apparates (2,3%) und der drängenden sozialen Fragen (1,8%) in China überdimensioniert
Ein genauerer Blick lohnt. Hier noch einmal der Link:
http://boell.de/downloads/publikationen/Endf_Studie_China-Berichterstattung.pdf

Eine Kritik der Studie ist bei telepolis zu finden.

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