Mittwoch, 23. Juni 2010

Rohstoffdialog ohne Rechenschaftspflicht?

Seit dem Verlust der Kolonien am Ende des Ersten Weltkrieges hat Deutschland keine klassische Rohstoffpolitik mehr betrieben; von wenigen Ausnahmen, wie etwa der Eisenerzgewinnung in Liberia abgesehen. Man hat sich auf die internationalen Rohstoffmärkte verlassen - ein Vertrauen, das zu schwinden scheint.

Diesem Misstrauen hat Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle anlässlich des 2. Rohstoffdialogs auch konkret Ausdruck verliehen. Visavis.de zitiert ihn mit dem Hinweis:
"Allerdings mehren sich die Anzeichen, dass eine sichere und gut kalkulierbare Rohstoffversorgung zu einer immer größeren Herausforderung wird. Dies verdeutlichen zum Beispiel die Preissprünge beim Eisenerz"
(Der Preis für Eisenerz ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen.) Handelshemmnisse macht auch das Handelsblatt aus und verweist auf ein Papier der EU-Kommission nachdem  "450 Beschränkungen für 400 Rohstoffe" existieren.

Fair news zitiert Brüderle ebenfalls wörtlich, und es wird deutlich, wie der sich die künftige Rolle von Entwicklungspolitik in diesem Zusammenhang vorstellt:
"Ziel muss eine Win-Win-Situation sein. Die Partnerschaften sollen die Entwicklungsländer voranbringen, zum Beispiel durch die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften. Sie sollen aber natürlich auch der deutschen Wirtschaft nutzen."
Kritik übte die taz, weil die Zivilgesellschaft am aktuellen Rohstoffdialog nicht beteiligt gewesen sei. Daher seien Themen wie etwa die Abbaubedingungen von Metallen zu kurz gekommen.

Konzepte für eine integrierte deutsche Rohstoffpolitik gibt es schon länger: Aus 2007 etwa stammen die "Elemente einer Rohstoffstrategie der Bundesregierung". Darin heißt es in Abschnitt 5 ("Rohstoffpolitische Ansätze in der Entwicklungspolitik stärken"), Entwicklungspolitik solle einerseits "die Angebotsseite stärken" - also zum Beispiel für Infrastuktur sorgen. Andererseits solle sie die Exploration und Ausbeutung von Rohstoffen möglichst sozialverträglich gestalten helfen. Schließlich soll "durch verbesserte Bergbaugesetzgebung (...) die Attraktivität des jeweiligen Landes für nachhaltige Bergbauinvestitionen erhöht werden". Letzteres riecht ziemlich deutlich nach Deregulierung und Investitionsschutzabkommen.
Die Handschrift von Bundesentwicklungsministerin a.D. Heidemarie Wiezcorek-Zeul wird in Kapitel 6 ("Transparenz im Rohstoffereich erhöhen") sichtbar, wo auf die „Extractive Industries Transparency Inititiative“ (EITI) Bezug genommen wird. Man darf gespannt sein, ob die schwarz-gelbe Bundesregierung diesen Ansatz weiterverfolgen wird.
Das Festhalten an EITI würde auch dafür sorgen, dass auch die Bedingungen, unter denen Energieträger gewonnen werden, Thema blieben. Ansonsten ist derzeit fast ausschließlich von Metallen die Rede.

Zukünftig könnte ein wirtschaftspolitisches Instrument an Bedeutung gewinnen, dass bisher ein Schattendasein geführt hat und den Hermes-Bürgschaften ähnelt. In den "Elementen einer Rohstoffstrategie" heißt es:
Eines der wichtigen rohstoffpolitischen Instrumente sind die Ungebundene Finanzkredite mit  Bundesdeckung für Rohstoffvorhaben (sog. Rohstoff-UFKs). Sie beziehen sich auf unternehmerische Beteiligungen an Rohstoffgewinnungsprojekten oder auf Finanzierungsbeteiligungen, durch die langfristige Lieferbeziehungen abgesichert werden können. (...)
Rohstoff-UFKs sind in den vergangenen Jahren industrieseitig nur wenig genutzt worden, obwohl die geförderten Projekte sich insgesamt erfolgreich entwickelt haben. Bundesregierung und BDI sind in einen Dialog eingetreten, wie dieses Instrument sinnvoll weiterentwickelt werden kann.
Die Bundesregierung wird insbesondere prüfen, ob
•  die wirtschaftlichen Risiken zusätzlich zu den politischen Risiken wieder als Regelfall in die Deckungszusagen aufgenommen werden können und
•  die Gebührenstruktur neu gestaltet werden sollte.

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