Montag, 14. März 2016

Finanzmärkte und SDGs

Der Herdentrieb, der Wirtschaftsblog der Zeit weist auf einen Beitrag im aktuellen Wirtschaftsdienst hin, in dem es um den Zusammenhang von sozialer Nachhaltigkeit und Finanzmarktregulierung geht. Verfasst wurde die Analyse (PDF) von Christian Hecker, Mitarbeiter der Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbank. MediaWatch hofft, dass Meinungsäußerungen wie diese Heckers Karriere bei der Bundesbank nicht beeinträchtigen. Seinen Namen wird man sich jedenfalls merken müssen.

Die Vorgabe einer Finanzmarktregulierung so Hecker, werde im Kontext der UN-Nachhaltigkeitsziele (SDGs) unter dem Gesichtspunkt sozialer Nachhaltigkeit betrachtet und dem Ziel Nr. 10 „Reduce inequality within and among countries“ zugeordnet. Dies wirke zunächst "überraschend", denn entfesselte Finanzmärkte würden ja "zumeist als Quelle ökonomischer Instabilität und daher als Gefahr für eine effiziente Kapitalallokation" betrachtet. Doch vollzieht Hecker die Einordnung ins Soziale sorgfältig nach und begründet sie mit folgenden Argumenten:
  • Der im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen übermäßig gewachsene Finanzsektor sei eine "systematische Marktverzerrung, wodurch die Funktion der Marktwirtschaft zur Begrenzung von Vermögenszuwächsen regelmäßig ausgeschaltet wurde". Das habe eine "Verminderung der Aufstiegsmöglichkeiten anderer" zu Folge gehabt, "die – insbesondere durch Steuerzahlungen – die Kosten für die Sicherung  der Ansprüche etablierter Vermögensinhaber tragen mussten".
  • Mit dem "zunehmenden Wachstum des Finanzsektors" gehe zudem ein "überproportionaler Anstieg systemischer Risiken einher (...), der im Krisenfall entsprechende soziale Kosten zur Folge" habe.
  • Insgesamt drohe eine "zumindest partielle Rückkehr zu patrimonialen Gesellschaftsstrukturen, die dadurch gekennzeichnet sind, dass nicht die individuelle Leistung, sondern primär ererbtes Vermögen (...) über den jeweiligen Status  und die Aufstiegschancen des Einzelnen entscheidet".
  • Schließlich zeige die Geschichte "regelmäßig, dass eine Verletzung elementarer Vorstellungen von Verteilungs- und Chancengerechtigkeit gravierende gesellschaftliche Auswirkungen" haben könne.
  • "Brisanten sozialen Sprengstoff" berge auch "die öffentliche Wahrnehmung, dass im Finanzsektor Gewinne auf Kosten anderer Wirtschaftssektoren und zulasten der öffentlichen Hand erzielt werden, während sich gleichzeitig die Zukunftsperspektiven weniger gut ausgestatteter Mitbürger verschlechtern".
Selbstverständlich unterbreitet Hecker auch Vorschläge, wie eine sozial nachhaltige Finanzmarktregulierung beschaffen sein sollte. Wir zitieren:
Ein zentraler Ansatzpunkt ist die Eindämmung der Too-big- to-fail-Problematik durch eine Neu-Etablierung des Haftungsprinzips im Finanzsektor. So muss vor allem sichergestellt werden, dass auch Großbanken im Krisenfall geordnet abgewickelt werden können, ohne dass der Steuerzahler Verluste übernehmen muss. (...)

Zudem müssen die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass ein geordneter Umgang mit Überschuldungssituationen im staatlichen und privaten Sektor gewährleistet ist. Dazu gehören insbesondere Mechanismen, die im Krisenfall eine Reduzierung der Schuldenlast au f Kosten der Gläubiger ermöglichen, ohne dass die Stabilität des Finanzsystems gefährdet ist und deshalb Verluste sozialisiert werden. (...)

Zur Erleichterung des Umgangs mit Überschuldungssituationen bedarf es ferner einer verbesserten Eigenkapitalausstattung von Banken. Auf diesem Wege muss sichergestellt werden, dass Banken im Krisenfall besser als in der Vergangenheit dazu in der Lage sind, Verluste zu absorbieren und dadurch die Verantwortung für die Folgen ihrer Geschäfte zu übernehmen. (...)

Ein weiterer Ansatzpunkt ist die Unterbindung kurzfristig orientierter Vergütungssysteme in Banken, um Fehlanreizen für Entscheidungsträger vorzubeugen. (...)
Last not least gelte es, "die Funktion der Finanzbranche als Dienstleister für die Realwirtschaft" zu sichern. Die im Geschäftsmodelle sollten "tatsächlich auf der Wertschöpfung zum Vorteil des Kunden beruhen und Geschäftspraktiken, die primär auf die Schaffung von Intransparenz bzw. die Verschleierung von Risiken abzielen, unterbunden werden".

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