Mittwoch, 22. Juli 2009

Von den Buddenbrooks zu Goldman Sachs


Will man bei manchen Themen alle wichtigen Informationen bekommen, muss man sie sich in der Regel aus mehreren Quellen zusammensuchen. Das gilt besonders bei heiklen Themen wie etwa der Spekulation mit Nahrungsmitteln und Rohstoffen.
Die US-Terminbörsenaufsicht will laut FTD schärfer gegen Rohstoffspekulation vorgehen. Dabei soll es nicht nur um Agrarrohstoffe gehen. Auch eine genauere Überwachung des Ölhandels ist geplant. Sogar die FAZ fragt mittlerweile: "Gibt es zu viele Zocker an den Rohstoffmärkten?" Wörtlich heißt es hier:
Spekulative Engagements werden allerdings zu einem Problem, wenn riesige Summen in relativ enge Märkte [Hervorhebung die Red.] investiert werden. (...)
Vergleicht man die 4,4 Billionen Dollar an Kontrakten mit der voraussichtlichen weltweiten Weizenernte, so beläuft sich deren Wert mit knapp 124 Milliarden Dollar, das sind gerade einmal 2,8 Prozent der Kontraktsumme.
Eigentlich dienen Terminmärkte dazu, dass sich Käufer und Verkäufer gegen Kursschwankungen absichern können. Das geschieht, in dem man eine Rohstofflieferung zu einem bestimmten Zeitlpunkt und Preis vereinbart. Verändern sich in der Zwischenzeit die Preise, sind Käufer und Verkäufer davon für das besicherte Geschäft nicht betroffen.
Doch mit zuehmenden Volumina der Terminmärkte geschieht genau das Gegenteil. Die FTD dazu:
Die Weizenindustrie ist seit 2008 verärgert über die Finanzindustrie. Sie bemängelt, dass Cash- und Terminpreise nicht zusammenlaufen. Dieses gestiegene Basisrisiko erschwere den Teilnehmern im physischen Handel die Absicherung gegen Preisschwankungen. (...)
Lag der Abstand zwischen Cash- und Terminpreisen bei rotem Winterweizen im Jahr 2005 noch bei 5 Cent, so kletterte er 2006 auf 47 Cent und weiterte sich 2008 sogar auf 1,07 $ weiter aus.
Die Warenterminbörse (Chicago Board of Trade, CBOT) hat zwar versucht, etwas dagegen zu unternehmen. Aber auch heute noch "beträgt die Differenz weiterhin 83 Cent". Warum es trotzdem so schwer ist, die Spekulanten zu stoppen, wird wiederum in der FAZ recht gut erklärt. Würde eine Regulierung gelingen,
dürfte bei Rohstoffen der Spielraum der Marktschwergewichte Goldman Sachs und Morgan Stanley schrumpfen, die Preise zu beeinflussen und daraus satte Erträge zu erzielen. Im Jahr 2007 entfiel auf die beiden Häuser etwa die Hälfte der insgesamt 15 Milliarden Dollar an Einnahmen, die die zehn größten Investmentbanken mit dem Rohstoffhandel erzielten, heißt es.
Dass dies stimmt, kann man wiederum in der FTD nachlesen. Allein aufgrund der Androhung einer Regulierung haben die Terminpreise für Weizen in den letzten Tagen um 2,5 Prozent "zur Lieferung im September ... auf 5,29 $ je Bushel" nachgegeben. Umgeschlagen auf den oben angegebenen Wert des Weltweizenhandels sind das immerhin 3,1 Milliarden US-Dollar.

Und in der FAZ erfahren wir ganz nebenbei noch, dass es die Instrumente zur Regulierung des Handels immer schon gegeben hat. Sie sind in letzter Zeit nur nicht eingesetzt worden:
Die Ausnahmen [Hervorhebung die Red.] von Handelsbeschränkungen, die es Goldman und Morgan seit den neunziger Jahren ermöglicht haben, ihre einträglichen Geschäfte an den Termin-, Swap- und außerbörslichen Märkten erheblich auszuweiten, stehen nun auf dem Prüfstand.
Na gut mag man mancher fragen: >Was ist schon groß dabei? Wenn die Agrarpreise steigen, verdienen doch letztlich auch die Bauern daran. Und Spekulationsgeschäfte mit Getreide gibt es doch schon lange. Schließlich war es auch bei den Buddenbrooks üblich, die Ernte auf dem Halm zu kaufen.<
Ja, richtig. Doch hatte - wenn das Geschäft verhagelte - der Kaufmann den Verlust. Denn Leute wie die Buddenbrooks hatten keinen "Spielraum" (wie Goldman Sachs oder Morgan Stanley) "die Preise zu beeinflussen und daraus satte Erträge zu erzielen".

Zur Erinnerung: 2008 hatten sich die Preise für Weizen mehr als verdoppelt (auf 450 US-Dollar die Tonne) und die für Reis verdreifacht (auf 900 US-Dollar die Tonne). Im Zuge der darauf einsetzenden Hungerkrise fanden Revolten in vielen Ländern statt - darunter in der Elfenbeinküste, in Ägypten, Haiti, Madagaskar, Mexiko, Pakistan und im Senegal.

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