Fährt man in China über Land, fällt auf, dass es kaum alte Bäume gibt, dass aber an allen Ecken und Enden aufgeforstet wird – und zwar offensichtlich schon länger. Und tatsächlich läuft in der Volksrepublik China seit 40 Jahren - von der Weltöffentlichkeit fast unbemerkt – das größte Aufforstungsprogramm der Weltgeschichte. 1981 verpflichtete der nationale Volkskongress alle Chinesinnen und Chinesen ab einem Alter von elf Jahren jedes Jahr drei Baumsetzlinge zu pflanzen – vorzugsweise Pappeln oder Weiden, Eukalyptus, Birken und Lärchen. Allein zwischen 2000 und 2010 haben die Bürgerinnen und Bürger 56 Milliarden Bäume gesetzt.
Bis heute werden in China mehr Bäume aufgezogen als im Rest der Welt zusammengenommen. 2010 verfügte das Land über den weltweit größten von Menschen gepflanzten Wald, der eine Fläche von schätzungsweise einer halben Million Quadratkilometer bedeckte. Damit galt das offizielle Ziel der Kommunistischen Partei Chinas, 20 Prozent (etwa 1,95 Mio. km2) des Staatsgebietes zu begrünen, als erreicht. Zum Vergleich: Spanien ist knapp 506.000 km2 groß.
Ebenso dringlich wie mühselig
Besondere Bedeutung hat diese Politik im Norden und Nordwesten Chinas. Denn dort liegen ausgedehnte Wüsten, die etwa 27 Prozent der chinesischen Landflächen bedecken. Davon sind zwei Drittel Sandwüsten, und die wachsen rasch. Die South China Morning Post beziffert die Desertifikation in China für das Jahr 2006 mit circa 2.500 Quadratkilometern. In den 1950er Jahren waren es noch 1.500 km2 gewesen. Chinas Graslandschaften nehmen seit den 1980er Jahren jährlich sogar um schätzungsweise 15.000 km2 ab.
Im Kampf gegen die Desertifikation gab es allerdings auch heftige Rückschläge: Erosion und intensive Landwirtschaft verursachen Probleme, genauso wie Umweltverschmutzung und Dürre. Zum Beispiel wurden allein 2009 etwa 58.800 km2 aufgeforstet, eine Fläche, die diejenige der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland noch übertrifft. Doch ging schätzungsweise ein Viertel der Setzlinge ein, nachdem Winterstürme im Jahr zuvor schon zehn Prozent der Neupflanzungen vernichtet hatten.
2013 beklagte die Global Times, dass neue Untersuchungen große Verluste ausgewiesen hätten. Insbesondere die Pappelbestände in der Provinz Zhangbei litten stark unter Dürre, ein Prozess der schon 2003 begonnen habe. Auch in der Provinz Gansu gab es Probleme: Hier war es vor allem eine Käferart, die Pappeln schädigte. In dem Bericht werden die Forstflächen innerhalb des Gebiets der Grünen Großen Mauer, wie das Projekt gerne genannt wird, mit 12,04 Prozent abgegeben. Das sind trotz der Rückschläge fast zweieinhalb Mal so viele Bäume wie 1977 (5,05 Prozent).
Dazugelernt
Selbstverständlich wurden Methoden der Wiederaufforstung im Laufe der Jahrzehnte modernisiert. Mittlerweile greift man bei der Wüstenbekämpfung auf einen mehrstufigen Ansatz zurück. In einer ersten Phase werden Gras sowie Büsche und Pionierbäume wie Espen gesetzt, die trockenresistent und typisch für die Region sind, aber keinen allzu hohen ökonomischen Wert haben. Immer häufiger übernehmen Profis die Aufforstung, obwohl dies deutlich teurer ist, als die Arbeit der Bürgerinnen und Bürgern. Teilweise kommen auch neue Baumsorten wie bestimmte Kiefernarten aus der Mongolei zum Einsatz, die gleichermaßen schnellwachsend wie langlebig sind. Wo es genug regnet, wird mittlerweile sogar per Flugzeug ausgesät, um große Landstriche begrünen zu können.
Auch geografisch wird die Wüstenbekämpfung aufgefächert. Zuerst kommt ein schachbrettartig aufgefächerter trocken- und sandtoleranter Gürtel mit Steppenvegetation, um die Dünenbildung abzubremsen. Dahinter wird Schotter ausgebracht, um den Sand weiter zu bremsen und die Bildung einer stabilen Krume zu begünstigen. Erst dahinter kommen Bäume, die nicht nur die Wüste aufhalten sondern auch als Windschutz gegen Sandstürme dienen. Seit 1994 existiert ein staatliches Monitoring-System, in dem die Aufforstungsbemühungen mit steigender Präzision erfasst werden. In trockenen Landstrichen gibt es außerdem staatliche Zuschüsse für Bauern die Bäume oder Büsche pflanzen.
Natürlich kostet ein solches Unterfangen Geld: 2013 wurde bekannt, dass Peking bis 2020 circa 34,5 Milliarden US-Dollar für Aufforstungskampagnen aufwenden wolle – das sind annähernd fünf Mrd. US-Dollar pro Jahr. Hinzu kommen Aufwendungen der Provinzregierungen und der lokalen Behörden. Auch Privatleute und Unternehmen beteiligen sich. Ein Darlehen der Weltbank von 80 Millionen US-Dollar (vgl. auch das Video oben) wirkt im Vergleich dazu geradezu geizig.
Kosten, Nutzen, Kritik
Der Nutzen der Aufforstung ist unmittelbar zu erkennen: Die Zahl und Schwere der Sandstürme vor allem in Peking hat abgenommen und die Wüstenbildung wird zumindest verlangsamt. Zudem binden die Bäume Kohlendioxid und helfen so, die Erderwärmung zu verlangsamen. Manche chinesische Wissenschaftler gehen davon aus, dass die vorwiegend eingesetzten, schnellwachsenden Baumarten mehr CO2 speichern als ein normaler Wald. Ist die Aufforstung erfolgreich, verdunstet der neu entstandene Wald Wasser, was langfristig zu höheren Niederschlägen führt. Dieses wird in den neu gebildeten Böden wiederum besser gespeichert und versickert nicht so schnell. In einigen Gebieten sind die jährlichen Niederschläge von 70 mm pro Jahr auf 400 mm gestiegen. Je nach deren jahreszeitlicher Verteilung reicht das, um Baumwolle und Hirse zu anzubauen oder zumindest Weidewirtschaft zu betreiben.
Ökonomisch scheint das „Dreifache Nördliche Schutzgürtel-Programm“, wie es amtlich genannt wird, mehr und mehr Sinn zu machen: In der Region werden immer mehr Früchte und Nüsse produziert, darunter Äpfel, Walnüsse, chinesische Datteln (Jujube) und Esskastanien. Hinzu kommt ein rasch wachsendes Geschäft mit dem Tourismus. Mittlerweile belaufen sich die Einkommen der Anwohner in der Grünen Großen Mauer allein aus landwirtschaftlichen Aktivitäten umgerechnet auf fast 17 Mrd. US-Dollar jährlich. Dass auch in Südchina überall Walnüsse und heiße Maronen zu bekommen sind, belegt, dass der riesige chinesische Binnenmarkt die Produkte annimmt.
Kritik gibt es vor allem, weil die biologische Diversität der neuen Forstflächen zu wünschen übrig lässt – zumindest im Vergleich zu natürlich gewachsenen Wäldern. Baumarten, die nicht in China heimisch sind, lassen Wildtieren und Vögeln kaum Spielräume und können die bestehenden Nahrungsketten verändern oder unterminieren. Und Monokulturen sind anfällig für Schädlingsbefall.
Ausblick
Für 2018 beziffert Xinhua den Baumbestand in der Region der Grünen Großen Mauer bereits auf 13,57 Prozent der Landfläche. Bis zum Beweis des Gegenteils kann diese einmalige Aufforstungskampagne daher ruhigen Gewissens als gelungener Beitrag Chinas zur Bekämpfung der Wüstenbildung und Klimaerwärmung betrachtet werden. Und das Land gibt sich mit dem Erreichten nicht zufrieden. Bis 2050 sollen in dem Gebiet, das so groß ist wie Westeuropa, etwa 400.000 km2 begrünt werden. Dann liefe die Grüne Große Mauer über eine 4.500 Kilometer lange Stecke: von der an Pakistan grenzenden Provinz Xinjiang im Westen bis nach Heilongjiang im Osten (nördlich der koreanischen Halbinsel). Insgesamt sind heute annähernd 23 Prozent der Landfläche Chinas von Wald bedeckt, bis 2050 sollen es 25 Prozent werden. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 32, in den Niederlanden nur elf Prozent.
Dieser Artikel ist ursprünglich bei Telepolis erschienen.
Bis heute werden in China mehr Bäume aufgezogen als im Rest der Welt zusammengenommen. 2010 verfügte das Land über den weltweit größten von Menschen gepflanzten Wald, der eine Fläche von schätzungsweise einer halben Million Quadratkilometer bedeckte. Damit galt das offizielle Ziel der Kommunistischen Partei Chinas, 20 Prozent (etwa 1,95 Mio. km2) des Staatsgebietes zu begrünen, als erreicht. Zum Vergleich: Spanien ist knapp 506.000 km2 groß.
Ebenso dringlich wie mühselig
Besondere Bedeutung hat diese Politik im Norden und Nordwesten Chinas. Denn dort liegen ausgedehnte Wüsten, die etwa 27 Prozent der chinesischen Landflächen bedecken. Davon sind zwei Drittel Sandwüsten, und die wachsen rasch. Die South China Morning Post beziffert die Desertifikation in China für das Jahr 2006 mit circa 2.500 Quadratkilometern. In den 1950er Jahren waren es noch 1.500 km2 gewesen. Chinas Graslandschaften nehmen seit den 1980er Jahren jährlich sogar um schätzungsweise 15.000 km2 ab.
Im Kampf gegen die Desertifikation gab es allerdings auch heftige Rückschläge: Erosion und intensive Landwirtschaft verursachen Probleme, genauso wie Umweltverschmutzung und Dürre. Zum Beispiel wurden allein 2009 etwa 58.800 km2 aufgeforstet, eine Fläche, die diejenige der Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland noch übertrifft. Doch ging schätzungsweise ein Viertel der Setzlinge ein, nachdem Winterstürme im Jahr zuvor schon zehn Prozent der Neupflanzungen vernichtet hatten.
2013 beklagte die Global Times, dass neue Untersuchungen große Verluste ausgewiesen hätten. Insbesondere die Pappelbestände in der Provinz Zhangbei litten stark unter Dürre, ein Prozess der schon 2003 begonnen habe. Auch in der Provinz Gansu gab es Probleme: Hier war es vor allem eine Käferart, die Pappeln schädigte. In dem Bericht werden die Forstflächen innerhalb des Gebiets der Grünen Großen Mauer, wie das Projekt gerne genannt wird, mit 12,04 Prozent abgegeben. Das sind trotz der Rückschläge fast zweieinhalb Mal so viele Bäume wie 1977 (5,05 Prozent).
Dazugelernt
Selbstverständlich wurden Methoden der Wiederaufforstung im Laufe der Jahrzehnte modernisiert. Mittlerweile greift man bei der Wüstenbekämpfung auf einen mehrstufigen Ansatz zurück. In einer ersten Phase werden Gras sowie Büsche und Pionierbäume wie Espen gesetzt, die trockenresistent und typisch für die Region sind, aber keinen allzu hohen ökonomischen Wert haben. Immer häufiger übernehmen Profis die Aufforstung, obwohl dies deutlich teurer ist, als die Arbeit der Bürgerinnen und Bürgern. Teilweise kommen auch neue Baumsorten wie bestimmte Kiefernarten aus der Mongolei zum Einsatz, die gleichermaßen schnellwachsend wie langlebig sind. Wo es genug regnet, wird mittlerweile sogar per Flugzeug ausgesät, um große Landstriche begrünen zu können.
Auch geografisch wird die Wüstenbekämpfung aufgefächert. Zuerst kommt ein schachbrettartig aufgefächerter trocken- und sandtoleranter Gürtel mit Steppenvegetation, um die Dünenbildung abzubremsen. Dahinter wird Schotter ausgebracht, um den Sand weiter zu bremsen und die Bildung einer stabilen Krume zu begünstigen. Erst dahinter kommen Bäume, die nicht nur die Wüste aufhalten sondern auch als Windschutz gegen Sandstürme dienen. Seit 1994 existiert ein staatliches Monitoring-System, in dem die Aufforstungsbemühungen mit steigender Präzision erfasst werden. In trockenen Landstrichen gibt es außerdem staatliche Zuschüsse für Bauern die Bäume oder Büsche pflanzen.
Natürlich kostet ein solches Unterfangen Geld: 2013 wurde bekannt, dass Peking bis 2020 circa 34,5 Milliarden US-Dollar für Aufforstungskampagnen aufwenden wolle – das sind annähernd fünf Mrd. US-Dollar pro Jahr. Hinzu kommen Aufwendungen der Provinzregierungen und der lokalen Behörden. Auch Privatleute und Unternehmen beteiligen sich. Ein Darlehen der Weltbank von 80 Millionen US-Dollar (vgl. auch das Video oben) wirkt im Vergleich dazu geradezu geizig.
Kosten, Nutzen, Kritik
Der Nutzen der Aufforstung ist unmittelbar zu erkennen: Die Zahl und Schwere der Sandstürme vor allem in Peking hat abgenommen und die Wüstenbildung wird zumindest verlangsamt. Zudem binden die Bäume Kohlendioxid und helfen so, die Erderwärmung zu verlangsamen. Manche chinesische Wissenschaftler gehen davon aus, dass die vorwiegend eingesetzten, schnellwachsenden Baumarten mehr CO2 speichern als ein normaler Wald. Ist die Aufforstung erfolgreich, verdunstet der neu entstandene Wald Wasser, was langfristig zu höheren Niederschlägen führt. Dieses wird in den neu gebildeten Böden wiederum besser gespeichert und versickert nicht so schnell. In einigen Gebieten sind die jährlichen Niederschläge von 70 mm pro Jahr auf 400 mm gestiegen. Je nach deren jahreszeitlicher Verteilung reicht das, um Baumwolle und Hirse zu anzubauen oder zumindest Weidewirtschaft zu betreiben.
Ökonomisch scheint das „Dreifache Nördliche Schutzgürtel-Programm“, wie es amtlich genannt wird, mehr und mehr Sinn zu machen: In der Region werden immer mehr Früchte und Nüsse produziert, darunter Äpfel, Walnüsse, chinesische Datteln (Jujube) und Esskastanien. Hinzu kommt ein rasch wachsendes Geschäft mit dem Tourismus. Mittlerweile belaufen sich die Einkommen der Anwohner in der Grünen Großen Mauer allein aus landwirtschaftlichen Aktivitäten umgerechnet auf fast 17 Mrd. US-Dollar jährlich. Dass auch in Südchina überall Walnüsse und heiße Maronen zu bekommen sind, belegt, dass der riesige chinesische Binnenmarkt die Produkte annimmt.
Kritik gibt es vor allem, weil die biologische Diversität der neuen Forstflächen zu wünschen übrig lässt – zumindest im Vergleich zu natürlich gewachsenen Wäldern. Baumarten, die nicht in China heimisch sind, lassen Wildtieren und Vögeln kaum Spielräume und können die bestehenden Nahrungsketten verändern oder unterminieren. Und Monokulturen sind anfällig für Schädlingsbefall.
Ausblick
Für 2018 beziffert Xinhua den Baumbestand in der Region der Grünen Großen Mauer bereits auf 13,57 Prozent der Landfläche. Bis zum Beweis des Gegenteils kann diese einmalige Aufforstungskampagne daher ruhigen Gewissens als gelungener Beitrag Chinas zur Bekämpfung der Wüstenbildung und Klimaerwärmung betrachtet werden. Und das Land gibt sich mit dem Erreichten nicht zufrieden. Bis 2050 sollen in dem Gebiet, das so groß ist wie Westeuropa, etwa 400.000 km2 begrünt werden. Dann liefe die Grüne Große Mauer über eine 4.500 Kilometer lange Stecke: von der an Pakistan grenzenden Provinz Xinjiang im Westen bis nach Heilongjiang im Osten (nördlich der koreanischen Halbinsel). Insgesamt sind heute annähernd 23 Prozent der Landfläche Chinas von Wald bedeckt, bis 2050 sollen es 25 Prozent werden. Zum Vergleich: In Deutschland sind es 32, in den Niederlanden nur elf Prozent.
Dieser Artikel ist ursprünglich bei Telepolis erschienen.
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