Einiges Rauschen im Blätterwald hat die Veröffentlichung des Chilcot-Berichts zur britischen Verwicklung in den Irak-Krieg 2003-2004 verursacht.Wem die 6.000 Seiten zu viel Material sind, kann in die ordentlich gemachte Zusammenfassung der BBC (mit Foto von George W. Bush und Tony Blair in Siegerpose) gucken.
Ein besonders schönes Beispiel von Spin liefert der Telegraph: "The wrong lesson from the Chilcot report – that it’s a crime to lead". Und die International Business Times schlägt vor: "Meet the Iraqi Kurds who think George Bush and Tony Blair were saviours - not invaders" - als ob das irgendetwas an den völkerrechtlichen Fakten der Invasion ändern würde. Mit einem enttäuschenden dritten Platz auf unserer Spin-Hitliste muss sich allerdings der Beitrag "Nine things that cost the same as the £10m Chilcot report" zufrieden geben.
Lesenswert - wenn auch aus verschiedenen Gründen - sind die Analysen des Middle East Reports und von China.org.cn.
Viele deutsche Beiträge befassen sich gar nicht so sehr mit dem streckenweise recht kritischen Report sondern lieber mit der Reaktion der Verantwortlichen: "Blair verteidigt britische Entscheidung", "George W. Bush hält am Irak-Krieg fest" (mit Foto des Mannes in Siegerpose, beide Meldungen Focus). Die tagesschau meint: "Er glaubte, das Richtige zu tun" und bei heute.de heißt es: "Blair: In gutem Glauben gehandelt".
Ansonsten ist vor allem von voreiligem Handeln die Rede, von herber Kritik oder, schärfer, vom "falschen Krieg" etwa beim Handelsblatt. G-News dt. verzeichnet immerhin insgesamt 290 Treffer. Die Süddeutsche gibt einen wichtigen Hinweis auf einen Aspekt, den auch viele britische Blätter betonen: "Der Chilcot-Bericht endet dort, wo es brenzlig werden könnte", denn strafrechtliche Konsequenzen ergeben sich aus dem Mammutwerk nicht.
Natürlich nicht, ist man versucht zu ergänzen, denn schon ein kurzer Blick in die Zusammenfassung (PDF, 150 Seiten) zeigt auch dem unbedarften Leser, dass es Sir John Chilcot nicht belegen wollte, dass die Politik des 19. Jahrhundert mittlerweile ein Auslaufmodell ist und strafrechtlich verfolgt werden sollte. Statt dessen hagelt es Vorschläge, wie Krieg in Zukunft erfolgreicher geführt werden müsste. In "Lessons" ab S. 133 heißt es unter anderem (Hervorhebungen die Red.):
Ein besonders schönes Beispiel von Spin liefert der Telegraph: "The wrong lesson from the Chilcot report – that it’s a crime to lead". Und die International Business Times schlägt vor: "Meet the Iraqi Kurds who think George Bush and Tony Blair were saviours - not invaders" - als ob das irgendetwas an den völkerrechtlichen Fakten der Invasion ändern würde. Mit einem enttäuschenden dritten Platz auf unserer Spin-Hitliste muss sich allerdings der Beitrag "Nine things that cost the same as the £10m Chilcot report" zufrieden geben.
Lesenswert - wenn auch aus verschiedenen Gründen - sind die Analysen des Middle East Reports und von China.org.cn.
Viele deutsche Beiträge befassen sich gar nicht so sehr mit dem streckenweise recht kritischen Report sondern lieber mit der Reaktion der Verantwortlichen: "Blair verteidigt britische Entscheidung", "George W. Bush hält am Irak-Krieg fest" (mit Foto des Mannes in Siegerpose, beide Meldungen Focus). Die tagesschau meint: "Er glaubte, das Richtige zu tun" und bei heute.de heißt es: "Blair: In gutem Glauben gehandelt".
Ansonsten ist vor allem von voreiligem Handeln die Rede, von herber Kritik oder, schärfer, vom "falschen Krieg" etwa beim Handelsblatt. G-News dt. verzeichnet immerhin insgesamt 290 Treffer. Die Süddeutsche gibt einen wichtigen Hinweis auf einen Aspekt, den auch viele britische Blätter betonen: "Der Chilcot-Bericht endet dort, wo es brenzlig werden könnte", denn strafrechtliche Konsequenzen ergeben sich aus dem Mammutwerk nicht.
Natürlich nicht, ist man versucht zu ergänzen, denn schon ein kurzer Blick in die Zusammenfassung (PDF, 150 Seiten) zeigt auch dem unbedarften Leser, dass es Sir John Chilcot nicht belegen wollte, dass die Politik des 19. Jahrhundert mittlerweile ein Auslaufmodell ist und strafrechtlich verfolgt werden sollte. Statt dessen hagelt es Vorschläge, wie Krieg in Zukunft erfolgreicher geführt werden müsste. In "Lessons" ab S. 133 heißt es unter anderem (Hervorhebungen die Red.):
830. A military timetable should not be allowed to dictate a diplomatic timetable. If a strategy of coercive diplomacy is being pursued, forces should be deployed in such a way that the threat of action can be increased or decreased according to the diplomatic situation and the policy can be sustained for as long as necessary.
838. The widespread perception that the September 2002 dossier overstated the firmness of the evidence about Iraq’s capabilities and intentions in order to influence opinion and “make the case” for action to disarm Iraq has produced a damaging legacy, including undermining trust and confidence in Government statements, particularly those which rely on intelligence which cannot be independently verified.
839. As a result, in situations where the policy response may involve military action and the evidence, at least in part, depends on inferential judgements drawn from necessarily incomplete intelligence, it may be more difficult to secure support for the Government’ s position and agreement to action.
852. The difficulty and complexity of successfully delivering distinct strategic messages to each of the audiences a government needs to reach should not be underestimated. For any future military operations, arrangements tailored to meet the circumstances of each operation need to be put in place in both London and on the ground before operations begin.
862. As Iraq showed, the pattern set in the initial stage of an intervention is crucial. The maximum impact needs to be made in the early weeks and months, or opportunities missed may be lost for ever. It is very difficult to recover from a slow or damaging start.
Die Nachdenkseiten kommen zu ähnlichen Ergebnissen wie MediaWatch - allerdings ist die Herleitung wesentlich ausführlicher und umfangreicher. Lesenswrtes Resümee.
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