Dienstag, 21. Juni 2016

Geben Sie Datenfreiheit Sire

Vor dem Finanzausschuss des Bundestages hat am 20. Juni 20156 eine öffentliche Anhörung über die "Auswirkungen von Steuervermeidung und Steuerhinterziehung auf die Entwicklungsländer" stattgefunden. Die gesamte Veranstaltung ist auch als Video dokumentiert. Diese Tatsache ist erfreulich, denn der Finanzausschuss hat ein weit höheres politisches Gewicht im Bundestagsbetrieb als der Ausschuss für wirtschaftliche Entwicklung.

Für eine Reihe von Experten sind die Entwicklungsländer allerdings selber Schuld an ihren (zu) niedrigen Steuereinnahmen: Würden sie ihre BürgerInnen höher besteuern (z.B. Lohn- und Mehrwertsteuer), wären sie weniger abhängig von Ertragssteuern bei Unternehmen. Die öffentliche Hand leiste weniger und daher sei die steuerliche Freistellung von Unternehmen gerechtfertigt. Der informelle Sektor (in Ermangelung regulärer Beschäftigungsverhältnisse eine wichtige Überlebensnische für viele, viele Millionen Menschen in Entwicklungsländern) wurde schlichtweg als Schattenwirtschaft diskreditiert. Entwickelte Länder werden dann ganz schnell zu "Hochsteuerstaaten". Und natürlich dürfen Steuerdaten von multinational operierenden Unternehmen nach Meinung dieser Expertengruppe keinesfalls veröffentlicht werden. Derartige Daten seien "grundrechtlich geschützt".

Dagegen stellte Reinhard Pinkernell von der Kanzlei Flick Glocke Schaumburg eine ganze Reihe legaler Steuervermeidungtricks vor (im Video ab Minute 12:30 und 21:50). Die Einlassungen von Markus Meinzer vom Netzwerk Steuergerechtigkeit (ab Minute 27:30) liegen zusammengefasst auch schriftlich beim Netzwerk vor. Christian von Haldenwang, Steuerexperte des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (im Video ab Minute 38:30; ab 1:12:45 und ab 1:56:50) konkretisierte die institutionellen Anforderungen, die eine funktionierende Steuerverwaltung an Entwicklungsländer stellt und erinnerte an den Zusammenhang zwischen Steuergerechtigkeit und guter Regierungsführung.

Hörenswert sind auch die Statements von Alvin Mosioma vom Tax Justice Network Africa (ab Minute 1:36:00 und 1:46:30). Er plädierte dafür, das Problem grundsätzlich anzugehen, und dafür zu sorgen, dass Entwicklungsländer im Zuge der internationalen Wirtschaftsbeziehungen und Steuerregime nicht doppelt so viel Geld verlieren, wie sie einnehmen. Ab Minute 1:49:30 findet sich noch eine interessante Einlassung von Markus Meinzer für die Offenlegung von steueerrelevanten Unternehmensdaten, um entsprechende öffentliche Debatten und demokratische Perspektiven überhaupt erst zu ermöglichen.

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