Entwicklungszusammenarbeit (EZ) und -hilfe scheinen heute fest verankerte Bestandteile der internationalen Beziehungen zu sein. Und dennoch ist vieles, was wir als Gewissheit voraussetzen keineswegs so selbstverständlich wie es scheint. Zwar ist es richtig, dass die Gelder für die offizielle Entwicklungszusammenarbeit (ODA) weltweit rasant gestiegen sind. Experten von der Universität Yale haben die Werte in konstanten US-Dollar von 2009 gemessen. Für 1960 wurde ein Wert von 4,65 Mrd. US-Dollar ermittelt. Bis 2013 war die ODA auf volle 180 Mrd. US-Dollar angewachsen.
Doch trotzdem sind immer weniger Entwicklungsländer von Entwicklungshilfe abhängig. In den letzten 40 Jahren sind mehr als 50 Länder von den Empfängerlisten gestrichen worden, weil ihnen der Aufstieg in höhere Einkommensgruppen (Bruttonationaleinkommen pro Kopf) gelungen ist.
"In der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kursieren Prognosen, nachdem die Liste der ODA-Empfänger bis 2030 um weitere 28 Länder schrumpfen könnte", erzählt Stefan Klingebiel, Leiter der Abteilung ‚Bi- und multilaterale Entwicklungspolitik' des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). "Da diese Gruppe China einschließt, geht es hier um etwa zwei Mrd. Menschen", betont er.
Es müsse gefragt werden, ob und wie die Schwerpunkte in der Entwicklungszusammenarbeit verschoben werden müssen, wenn derzeit die meisten Armen in Ländern mit mittleren Pro-Kopf-Einkommen leben. "Verfügen China, Indien, Brasilien und andere aufstrebende Nationen nicht längst über genug eigene Mittel, die heimische Armut zu bekämpfen - und das wesentlich erfolgreicher als es von außen geleitet werden kann?", fragt Klingebiel.
Süd-Süd-Kooperation, neue Geber, neue Ziele
Dazu kommt, dass diese wohlhabenderen Länder des Südens in zunehmendem Maße mit armen Staaten - vor allem in Afrika - zusammenarbeiten. Untersuchungen aus Japan haben gezeigt, dass bilaterale Hilfsleistungen Chinas 2013 etwa 6,5 Mrd. US-Dollar erreicht haben - davon immerhin fast die Hälfte als Zuwendungen oder als zinsfreie Darlehen. Damit steht China an sechster Stelle auf der Liste der weltweit bedeutendsten Geberländer. Verändert hat sich die internationale entwicklungspolitische Landschaft aber auch durch internationale ad-hoc Partnerschaften vor allem im Gesundheitsbereich, durch private Geber (v.a. Gates-Stiftung) und durch eine immer stärkere Einbindung von Unternehmen (öffentlich-private Partnerschaften, PPP) in die Entwicklungszusammenarbeit.
In den letzten Jahrzehnten sind außerdem umfassende Kataloge mit neuen Zielsetzungen für die Entwicklungszusammenarbeit entstanden. EZ soll heutzutage Klimawandel bekämpfen und dessen Auswirkungen eingrenzen helfen, Nachhaltigkeit und menschliche Sicherheit gewährleisten helfen, Migration eindämmen, Demokratie fördern und globale öffentliche Güter und Interessen schützen helfen. Hilfe in Konfliktgebieten und sicherheitspolitische Anforderungen an die Entwicklungszusammenarbeit sind längst Normalität. Zu allem Überfluss soll die EZ auch noch den wirtschaftlichen Interessen der Geberländer dienen.
In der öffentlichen Wahrnehmung von Entwicklungspolitik wurden die meisten dieser Veränderungen jedoch kaum verzeichnet. Immer noch gelten Armutsbekämpfung und humanitäre Hilfe als Kerngeschäft der Entwicklungszusammenarbeit. Und tatsächlich hat sich für die 50 am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) und eine ganze Reihe weiterer armer Länder - vor allem in Afrika - wenig geändert. In den ärmsten Ländern macht Entwicklungshilfe im Durchschnitt immer noch 75 Prozent aller externen Zuwendungen aus. Das entspricht einem Anteil an den Staatseinnahmen von über 35 Prozent. Doch zeigt sich, dass gerade die ärmsten Länder am wenigsten ODA-Zuwendungen erhalten: Seit 1960 hat das ärmste Fünftel der Empfängerländer zusammen genommen in keinem Jahr mehr als 5,25 Prozent der Entwicklungshilfe bekommen. Und auch die humanitäre Hilfe hat wesentlich weniger Gewicht als allgemein angenommen: Zwischen 1990 und 2013 schwankte ihr Anteil an der gesamten Hilfe zwischen vier bis neun Prozent.
Wie weiter?
Wenn die OECD Prognosen über einen weiterhin schrumpfenden Kreis an Empfängerländern tatsächlich eintreffen, ist es für die Geberländer sinnvoll, Politiken zu entwickeln, die Ausstiegsszenarien definieren um Entwicklungszusammenarbeit künftig für beide Seiten planbar und ohne größere Flurschäden zu beenden. Großbritannien und die Europäische Union haben in verschiedenen Ländern bereits eine ‚exit-Strategie' für ODA ins Auge gefasst oder schon damit begonnen.
Doch auch, wo die EZ beendet werde, bestehe von Seiten Deutschland, der EU und vielen OECD-Ländern weiter ein "enormes Interesse" mit den betreffenden Ländern auch künftig einen engen Dialog zu führen, ist sich Klingebiel sicher und führt ein Beispiel an: "Ex Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hat die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit China 2010 beendet." Dennoch müsse man weiterhin eng mit China zusammenarbeiten - zum Beispiel was die Erarbeitung der Post-2015 Entwicklungsziele angehe. "Wünschenswert wäre es aber auch, zusammen mit chinesischen Experten etwa landwirtschaftliche Projekte in Afrika anzupacken", weil man gemeinsam mehr erreichen könne. Solche trilateralen Projekte würden allerdings nicht nur das Erscheinungsbild, das Gesicht der Entwicklungszusammenarbeit verändern. Sie würden zudem erfordern, dass alle Seiten Abstriche von ihrem überkommenen entwicklungspolitischen Konzepten machen, um gemeinsam erfolgreich zu sein.
Doch trotzdem sind immer weniger Entwicklungsländer von Entwicklungshilfe abhängig. In den letzten 40 Jahren sind mehr als 50 Länder von den Empfängerlisten gestrichen worden, weil ihnen der Aufstieg in höhere Einkommensgruppen (Bruttonationaleinkommen pro Kopf) gelungen ist.
"In der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) kursieren Prognosen, nachdem die Liste der ODA-Empfänger bis 2030 um weitere 28 Länder schrumpfen könnte", erzählt Stefan Klingebiel, Leiter der Abteilung ‚Bi- und multilaterale Entwicklungspolitik' des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE). "Da diese Gruppe China einschließt, geht es hier um etwa zwei Mrd. Menschen", betont er.
Es müsse gefragt werden, ob und wie die Schwerpunkte in der Entwicklungszusammenarbeit verschoben werden müssen, wenn derzeit die meisten Armen in Ländern mit mittleren Pro-Kopf-Einkommen leben. "Verfügen China, Indien, Brasilien und andere aufstrebende Nationen nicht längst über genug eigene Mittel, die heimische Armut zu bekämpfen - und das wesentlich erfolgreicher als es von außen geleitet werden kann?", fragt Klingebiel.
Süd-Süd-Kooperation, neue Geber, neue Ziele
Dazu kommt, dass diese wohlhabenderen Länder des Südens in zunehmendem Maße mit armen Staaten - vor allem in Afrika - zusammenarbeiten. Untersuchungen aus Japan haben gezeigt, dass bilaterale Hilfsleistungen Chinas 2013 etwa 6,5 Mrd. US-Dollar erreicht haben - davon immerhin fast die Hälfte als Zuwendungen oder als zinsfreie Darlehen. Damit steht China an sechster Stelle auf der Liste der weltweit bedeutendsten Geberländer. Verändert hat sich die internationale entwicklungspolitische Landschaft aber auch durch internationale ad-hoc Partnerschaften vor allem im Gesundheitsbereich, durch private Geber (v.a. Gates-Stiftung) und durch eine immer stärkere Einbindung von Unternehmen (öffentlich-private Partnerschaften, PPP) in die Entwicklungszusammenarbeit.
In den letzten Jahrzehnten sind außerdem umfassende Kataloge mit neuen Zielsetzungen für die Entwicklungszusammenarbeit entstanden. EZ soll heutzutage Klimawandel bekämpfen und dessen Auswirkungen eingrenzen helfen, Nachhaltigkeit und menschliche Sicherheit gewährleisten helfen, Migration eindämmen, Demokratie fördern und globale öffentliche Güter und Interessen schützen helfen. Hilfe in Konfliktgebieten und sicherheitspolitische Anforderungen an die Entwicklungszusammenarbeit sind längst Normalität. Zu allem Überfluss soll die EZ auch noch den wirtschaftlichen Interessen der Geberländer dienen.
In der öffentlichen Wahrnehmung von Entwicklungspolitik wurden die meisten dieser Veränderungen jedoch kaum verzeichnet. Immer noch gelten Armutsbekämpfung und humanitäre Hilfe als Kerngeschäft der Entwicklungszusammenarbeit. Und tatsächlich hat sich für die 50 am wenigsten entwickelten Länder (LDCs) und eine ganze Reihe weiterer armer Länder - vor allem in Afrika - wenig geändert. In den ärmsten Ländern macht Entwicklungshilfe im Durchschnitt immer noch 75 Prozent aller externen Zuwendungen aus. Das entspricht einem Anteil an den Staatseinnahmen von über 35 Prozent. Doch zeigt sich, dass gerade die ärmsten Länder am wenigsten ODA-Zuwendungen erhalten: Seit 1960 hat das ärmste Fünftel der Empfängerländer zusammen genommen in keinem Jahr mehr als 5,25 Prozent der Entwicklungshilfe bekommen. Und auch die humanitäre Hilfe hat wesentlich weniger Gewicht als allgemein angenommen: Zwischen 1990 und 2013 schwankte ihr Anteil an der gesamten Hilfe zwischen vier bis neun Prozent.
Wie weiter?
Wenn die OECD Prognosen über einen weiterhin schrumpfenden Kreis an Empfängerländern tatsächlich eintreffen, ist es für die Geberländer sinnvoll, Politiken zu entwickeln, die Ausstiegsszenarien definieren um Entwicklungszusammenarbeit künftig für beide Seiten planbar und ohne größere Flurschäden zu beenden. Großbritannien und die Europäische Union haben in verschiedenen Ländern bereits eine ‚exit-Strategie' für ODA ins Auge gefasst oder schon damit begonnen.
Doch auch, wo die EZ beendet werde, bestehe von Seiten Deutschland, der EU und vielen OECD-Ländern weiter ein "enormes Interesse" mit den betreffenden Ländern auch künftig einen engen Dialog zu führen, ist sich Klingebiel sicher und führt ein Beispiel an: "Ex Bundesentwicklungsminister Dirk Niebel hat die entwicklungspolitische Zusammenarbeit mit China 2010 beendet." Dennoch müsse man weiterhin eng mit China zusammenarbeiten - zum Beispiel was die Erarbeitung der Post-2015 Entwicklungsziele angehe. "Wünschenswert wäre es aber auch, zusammen mit chinesischen Experten etwa landwirtschaftliche Projekte in Afrika anzupacken", weil man gemeinsam mehr erreichen könne. Solche trilateralen Projekte würden allerdings nicht nur das Erscheinungsbild, das Gesicht der Entwicklungszusammenarbeit verändern. Sie würden zudem erfordern, dass alle Seiten Abstriche von ihrem überkommenen entwicklungspolitischen Konzepten machen, um gemeinsam erfolgreich zu sein.
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