Freitag, 31. Januar 2014

"Überdurchschnittlich globalisiert"

Derzeit ist eine Verschiebung der Begründungen für militärische Auslandseinsätze festzustellen. Nachdem deutlich geworden ist, dass der menschenrechtliche Anspruch von militärischen Auslandseinsätzen nicht zu verwirklichen ist, wird nun verstärkt von "Sicherheitsverantwortung" geredet, die die Bundesrepublik gegenüber den Ländern habe in denen interveniert wird oder werden soll. Vor allem aber wird die "Verantwortung" hervorgehoben, die wir gegenüber den Verbündeten hätten, die wir mit den militärischen Einsätzen nicht alleine lassen dürften..

Nachdem Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) erneut mehr deutsche Soldaten für Afrika (konkret Mali) in Aussicht gestellt hat, zieht der Juniorpartner der GroKo nach. Man will sich Lumpen lassen und keinen vaterlandsloser Geselle sein: Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) wird mit den Worten zitiert, er sei "gegen eine Kultur des Heraushaltens" (Radio Köln). Ähnlich äußert sich der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Hans-Peter Bartels (ebenfalls SPD). Er betont, Deutschland habe einen "Gestaltungsanspruch" (DW).


Die Mainstream-Presse sekundiert eilfertig: "US-Bürger sehen Deutschland in der Führungsrolle" betont SPON, und die FAZ sieht Deutschland "Mehr Verantwortung für Afrika" übernehmen. Der Tagesspiegel wittert man Morgenluft und spricht vom "Aufräumen mit Westerwelles Erbe". Das Wording für dieses Erbe ist schon lange gefunden: "Kultur der Zurückhaltung" - eben jene Phrase, die Steinmeier jetzt verändert gegen Westerwelle zu verwenden sucht. Die ARD nennt mehr militärisches Auftreten Deutschlands eine "aktivere Rolle Deutschlands in der Welt". Doch muss die öffentlich rechtliche Anstalt zugeben, dass weiterhin 61 Prozent der Bundesbürger gegen eine Ausweitung von Kampfeinsätzen sind. Die junge welt zitiert Josef Joffe, einen der Herausgeber der Wochenzeitung Die Zeit mit dem schönen Satz:
 "Bis jetzt war Deutschland ein Trittbrettfahrer der strategischen Weltordnung; jetzt muß es sich zum Steuerhäuschen vorarbeiten."
Solche Sprüche kleben sich die Generäle und die Aufsichtrsräte in der Rüstungsindustrie wahrscheinlich in ihre Poesiealben.

Hier wird r2p militärisch gewendet und das UN-Konzept "Menschliche Sicherheit" (wikipedia) auf's Militärische verengt. Und an das Pflichtbewusstsein des deutschen Michel zu appellieren, ist immer ein probates Mittel, denn Pflicht, darauf versteht er sich. Aber man weiß genau, dass die Bundesbürger Auslandseinsätze nicht gerne sehen und spült die harten wirtschaftlichen Interessen deshalb mit Floskeln weich. So vermeidet man es, über Sinn und Unsinn einzelner Einsätze reden zu müssen.

Wie das ganz staatsmännisch geht, turnte gerade Bundespräsident Gauck bei seiner Rede auf der am 31. Januar eingeläuteten, jährlichen Münchener Sicherheitskonferenz vor. Dort forderte er eine "intensive und grundsätzliche Debatte über die deutsche Außen- und Sicherheitspolitik". Deutschland müsse bereit sein, mehr zu tun. Laut offizieller Mitschrift (es lohnt, einmal die ganze Rede zu überfliegen) klingt das dann so:
Deutschland ist überdurchschnittlich globalisiert und profitiert deshalb überdurchschnittlich von einer offenen Weltordnung – einer Weltordnung, die Deutschland erlaubt, Interessen mit grundlegenden Werten zu verbinden. Aus all dem leitet sich Deutschlands wichtigstes außenpolitisches Interesse im 21. Jahrhundert ab: dieses Ordnungsgefüge, dieses System zu erhalten und zukunftsfähig zu machen.
Das ist auch für's Poesiealbum gedacht und klingt ja auch bedeutend besser als die Einlassungen von Gaucks Amtsvorvorgänger Horst Köhler zu diesem Thema:
"(...) dass ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel, im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren, zum Beispiel freie Handelswege, zum Beispiel ganze regionale Instabilitäten zu verhindern, die mit Sicherheit dann auch auf unsere Chancen zurückschlagen negativ durch Handel, Arbeitsplätze und Einkommen. Alles das soll diskutiert werden (...)."
Vier Jahre ist das erst her. Gemeint ist natürlich dasselbe - nur wird Gauck gelobt werden und natürlich nicht zurücktreten müssen.

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