Donnerstag, 5. April 2012

Eine glatte Unterstellung

Zum Gedicht von Günther Grass: Der Text ist inhaltlich auf Ballhöhe. Das U-Boot, das Grass erwähnt, ist das sechste, das Deutschland liefert (MediaWatch hatte berichtet 1, 2). Der Deal wurde bereits unter Kohl eingefädelt. Ob eines (oder mehrere) der Fahrzeuge umgebaut wurden, um atomwaffenfähige Mittelstreckenraketen  starten zu können, ist nicht gesichert. Bei Wikipedia findet sich folgender, gut formulierter und erfreulich genauer Eintrag:
Die Lieferung ist in Deutschland umstritten, da mit den 65-cm-Torpedorohren atomar bestückbare Marschflugkörper abgefeuert werden könnten. Es wird vermutet, dass Israel bereits seine U-Boote der Dolphin-Klasse als Atomwaffenträger umgerüstet hat, bestätigt ist dies jedoch nicht.
Und auch in einem weiteren Punkt hat Grass leider recht. Bezüglich der Kontrolle der israelischen Atomwaffen bestehen schwerste Defizite. Derselbe Wikipedia-Eintrag geht folgendermaßen weiter:
Kritiker befürchten, dass durch die Lieferung das Wettrüsten im Nahen Osten weiter eskalieren könnte. Israel gehört zu den wenigen Staaten, die dem Atomwaffensperrvertrag nicht beigetreten sind und lehnte 2010 auch eine nicht bindende Resolution der IAEO ab, in der Israel aufgefordert wurde, den Sperrvertrag zu unterzeichnen und Inspekteuren den Zutritt zu seinen Atomanlagen zu gewähren.
Was die U-Boote angeht, gibt sich auch die Federation of American Scientists vorsichtig. SPON war sich 2003 dagegen sicher: "Deutsche U-Boote zu Atomwaffenträgern umgebaut". In Defense Industry Daily heißt es zu diesem Thema, dass die Gerüchte um die atomare Bewaffnung der Boote immerhin die weitere Auslieferung von deutscher Seite verzögert habe:
It is also rumored that Israel has tested a nuclear-capable version of its medium-range “Popeye Turbo” cruise missile design for deployability from the 650mm torpedo tubes in its Dolphin Class submarines. The 2002 Popeye Turbo launch test location off Sri Lanka suggested that the tests may have been performed in cooperation with India.
The rumors concerning Israel’s nuclear-capable cruise missiles had stalled additional Dolphin class sales in 2003, as had Israeli issues with the price tag. (...)
Atomwaffen hin oder her: Dass Israel eine Gefahr für den Weltfrieden darstellt, ist derzeit natürlich eine glatte Unterstellung. Hoffen wir, dass der Beweis des Gegenteils nie, nie kommt.

Fazit: MediaWatch wäre es lieber gewesen, der Literaturnobelpreisträger hätte seine Sprachkraft den beschämenden sozialen Zuständen und der Fremdenfeindlichkeit hierzulande gewidmet. Und das öfter und mit Nachdruck. Natürlich wäre die helle Aufregung dann ausgeblieben. Ein ordentlicher Kommentar vor allem auch zu den aktuellen Ausgrenzungsversuchen gegen Grass ist in der ARD zu finden.

1 Kommentar:

  1. Nicht nur Günther Grass denkt über die atomare Bewaffnung Israels nach. "Why Israel Should Learn to Stop Worrying and Love the Bomb" empfiehlt Foreign Affairs. "It seems that Israel derives no concrete benefits from its nuclear capability", stellt die Zeitschrift fest.

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