Hintergrund ist die erklärte Absicht der Bundesregierung, einen zentralen "Gerichtsstand" für in ausländischen Kriegsgebieten eingesetzte Soldaten einzurichten. Begründet wird diese "Zuständigkeitskonzentration" mit "dienstrechtlichen Besonderheiten", die von Staatsanwälten und Richtern eine umfassende "Kenntnis der militärischen Abläufe und Strukturen" verlangten. Die Schaffung einer "zentralen Zuständigkeit der Justiz" bei Bundeswehrstrafsachen war bereits 2009 kurz nach dem von einem deutschen Oberst befohlenen Massaker im afghanischen Kunduz durch die Regierungsparteien vereinbart worden.Um etwaige Straftatbestände aufzuklären, soll eine Sonderstaatsanwaltschaft im bayrischen Kempten eingerichtet werden. Die Bundesvereinigung Opfer der NS - Militärjustiz e.V. hat eine erfreulich umfangreiche Presseschau in's Netz gestellt. In einer Stellungnahme ruft die Vereinigung zudem dazu auf, "eine neue Militärgerichtsbarkeit in Deutschland zu verhindern". In einem Offenen Brief an die Fraktionsvorsitzenden im Bundestag heißt es dazu (Hervorhebung durch die Red.):
Die Wiedereinführung einer Sondergerichtsbarkeit für Militärangehörige wäre angesichts der Verbrechen, die in der NS-Zeit von der Wehrmachtjustiz begangen worden sind, u.E. ein Beispiel für mangelndes Lernen des Gesetzgebers aus der Geschichte: Es würde die sehr späte gesetzliche Rehabilitierung der Opfer der NS-Militärjustiz relativieren und damit zugleich auch die zivile Gerichtsbarkeit desavouieren. Deren angemessene Ausstattung entspräche dem Friedensgebot des Grundgesetzes und dessen Artikel 96 Abs. 2 GG, um Straftaten von Bundeswehrangehörigen im Ausland zu ahnden, eine neue militärisch geprägte Sonderjustiz nicht.Dem ist nichts hinzuzufügen - außer vielleicht, dass Deutschland das Statut des Internationalen Strafgerichtshof mitunterzeichnet hat. Auch für extreme Fälle (Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Völkermord) bedarf die BRD demnach einer solchen Einrichtung nicht - außer man traut Den Haag im Zweifelsfall keine fairen Prozesse zu oder hat gar Bedenken angesichts der bestehenden Zuständigkeiten. Als Service hier noch der Link zum Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums.
P.S.: Auch der Deutsche Richterbund erkennt keinen "nachgewiesene[n] Bedarf für eine gerichtliche Sonderzuständigkeit zur Verfolgung von Straftaten von Bundeswehrangehörigen im Auslandseinsatz". Zudem erhebt der Richterbund verfassungsrechtliche Bedenken, denn laut Grundgesetz Art. 96 Abs. 2 darf der Bund zwar "Wehrstrafgerichte für die Streitkräfte als Bundesgerichte errichten". Doch können diese "die Strafgerichtsbarkeit nur im Verteidigungsfalle (...) ausüben". Hat tip Eva aus Bonn.
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