Dienstag, 11. Januar 2011

Souveränität eingeschränkt

Ziemlichen Murks verbreitet die FR-Online "Abschied von Afrika". Denn es ist irreführend, zu behaupten, Frankreich schicke keine Truppen in die Elfenbeinküste. Es hat schon welche vor Ort. Auch, dass die ehemalige Kolonialmacht früher vielleicht häufiger mit Truppen interveniert hat, ist kein Argument: Frankreich würde das sicher ohne zu zögern wieder tun, wenn seine Interessen in der Elfenbeinküste im Kern berührt wären. Dass Gbagbo 2004 antifranzösischen Proteste in Abidjan zugelassen hat, hat diese Interessen offensichtlich kaum berührt - wenn sie wahrscheinlich auch der Auslöser für die einstimmige Ablehnung Gbagbos durch den Westen sein dürften.

Es mag ja sein, dass der FR-Beitrag im Trend richtig liegt und das personelle französische Engagement in Afrika abnimmt. Wie eindimensional die auf Soldaten und Siedler beschränkte Sichtweise jedoch ist, wird deutlich, wenn man sich in Erinnerung ruft, dass über die Währung von acht west- und sechs zentralafrikanischen Ländern in Paris entschieden wird. Der westafrikanische Franc-CFA ist im Senegal, in der Elfenbeinküste, in Burkina Faso, Benin, Togo, Mali und Niger gültig. Die Währung ist mit einem festen Wechselkursverhältnis von 655,957 zu 1 an den Euro gebunden und wird von der Banque du France gemanagt. Aufmerksamen MediaWatchBlog-LeserInnen wird der vor kurzem erschienene Kommentar nicht entgangen sein, in dem es hieß: "Das könnte klappen: Die Zentralbank der westafrikanischen Staaten sperrt Gabgbo den Zugang zu Staatskonten. Das geht, weil der Sitz der BCEAO (fr.) in Dakar ist. Gbagbo wird nun kaum noch Sicherheitskräfte oder gar Zivilangestellte bezahlen können." Diese Sanktion ist von ganz anderem Kaliber als die Reisebeschränkungen und Kontensperrungen durch die EU und die USA und das (seit Jahren bestehende) UN-Waffenembargo.

Nicht viel besser liegt der Tagesspiegel, der einen großen Bogen von der Sezession im Sudan zu einer Nord-Süd-Teilung der Elfenbeinküste und Nigerias spannt: "Schlimmer wird's immer". Das ist ausgemachter Quatsch, weil der Westen - anders als im Falle des Sudan - kein substantielles Interesse an einer Aufspaltung der westafrikanischen Länder hat; vgl. dazu auch German Foreign Policy (und zum Referendum im Sudan).

Bleibt zu hoffen, dass keiner der maßgeblichen Akteure (ECOWAS, AU, UN) auf die unverantwortliche Idee kommt, militärisch zu intervenieren. Es würde viele Menschenleben kosten, und völkerrechtlich liegt für eine Intervention (derzeit) kein Grund vor.

2 Kommentare:

  1. "Es würde viele Menschenleben kosten, und völkerrechtlich liegt für eine Intervention (derzeit) kein Grund vor." Nichtsnzu tun kostet unter Umständen auch viele Menschenleben und was den Völkerrechtlichen Grund angeht: Ouattara hat um eine Intervention gebeten. Als Präsident darf er das.

    AntwortenLöschen
  2. Jemand hat das Finanzministerium in der Elfenbeinküste angesteckt (Aljazeera). Der Ärger von Gbagbo und seinen Anhängern ist nachvollziehbar, doch brennt das Feuer exakt an der falschen Stelle: Das Gebäude würde dringend gebraucht. Denn nur eine echte Währungsreform könnte das westafrikanische Land aus der Abhängigkeit des in Paris verwalteten CFA-Franc lösen.

    AntwortenLöschen