Dienstag, 2. Juni 2009

Hallo um den Präsidenten


»Aló Presidente«, ("Hallo Präsident"), heißt die allsonntäglich ausgestrahlte Fernseh- und Radiosendung von und mit Hugo Chavez, dem Präsidenten Venezuelas. Wie wenigen gelingt es ihm, die konservativen und marktliberalen Kräfte im Westen gegen sich aufzubringen. Denn anders als bei den kubanischen Castro-Brüdern muss man seine Wirtschaftspolitik wegen der Bodenschätze von Venezuela ernst nehmen. Und anders als im Falle von Nordkoreas Kim Jong Il kann man ihn nicht einfach als irren Steinzeitdiktator abtun. Immerhin hat Chavez einen Putsch und ein Referendum überstanden und wurde 2006 in einer von EU-Beobachtern als regelgemäß bezeichneten Wahl zum dritten Mal der Präsident Venezuelas.

Nun also hatte »Aló Presidente« zehnjähriges Jubiläum und die Berichterstattung dazu bietet einen willkommenen Anlass, einige deutschsprachige Medienreaktionen gegenüberzustellen."Der große Präsident als kleiner Feigling" höhnt die Frankfurter Allgemeine Zeitung und spielt damit auf die Tatsache an, dass Chavez sich an einer von ihm selbst angeregten Fernsehdebatte schließlich doch entzog. Eigentlich hatte er mit dem konservativen, weltbekannten peruanischen Schriftsteller Mario Vargas Llosa in »Aló Presidente« diskutieren wollen. Die FAZ erwähnt jedoch nicht, dass das Vargas Llosa und die anderen geladenen Gäste ebenfalls Schwierigkeiten mit dem Termin hatten. Unter der Überschrift "Opposition kneift" meldet amerika21.de:
Obwohl es zunächst hieß, die Opposition wolle den Schriftsteller Mario Vargas Llosa in eine Debatte mit Chávez schicken, verstrich der vorgeschlagene Termin, ohne dass der peruanische Wirtschaftsliberale oder irgendein Teilnehmer der rechten Konferenz ihr Erscheinen zusagten.
Am nächsten der Wahrheit kommt - vielleicht - die taz, der die Vorgänge ein Kommentar ("Ein Armutszeugnis") wert waren:
Doch nach einer ersten Zusage bestanden die Ultraliberalen auf einer Zweierdebatte zwischen Chávez und dem peruanischen Schriftsteller (...) Ein Duell mit dem scharfzüngigen Vargas Llosa wiederum war dem sozialistischen Volkstribun offenbar nicht geheuer. Er wolle nur "mitdiskutieren", sagte Chávez (...)
Schwerwiegender als der Hohn ist eine - naja Ungenauigkeit - , die sich im FAZ-Artikel findet: Sie wirft Chavez vor, »Aló Presidente« "Zwangsweise über alle Kanäle [zu] übertragen". Präziser hätte es heißen müssen 'zwangsweise über alle staatlichen Kanäle zu übertragen'. Bedeutend glaubwürdiger ist da die Darstellung in der jungen welt:

Einer jüngsten Umfrage des Instituts Observatorio Público zufolge sehen oder hören 61 Prozent der Venezolanerinnen und Venezolaner »Aló, Presidente«. 83 Prozent von ihnen verfolgen die Sendung im Fernsehen, während die übrigen 17 Prozent die Radioübertragung hören. Das sind hohe Werte für einen Beitrag, der eben nicht – wie oft fälschlich behauptet wird – von allen Sendern übernommen wird, sondern sich durchaus gegen die Konkurrenz der kommerziellen Kanäle behaupten muß.
In dem angenehm differenzierten und insgesamt lesenswerten Wikipedia-Artikel zum Thema Chavez wird im Abschnitt Medienpoltik auf die "cadena" hingewiesen:
Hugo Chávez wendet sich häufig mit Fernsehansprachen direkt an die venezolanische Öffentlichkeit. In diesem Fall sind alle Fernsehsender verpflichtet, eine Cadena (dt.: Kette) zu bilden und die Ansprache landesweit gleichzeitig und in voller Länge auszustrahlen. Im Jahr 2001 wurden 7018 Minuten lang cadenas mit Ansprachen Chavez’ gesendet, im Jahr 2002 4407 Minuten.
Des Weiteren muss nach dem Mediengesetz von 2005 jeder Kanal 70 Minuten Sendezeit wöchentlich (maximal 15 Minuten täglich) zur Verfügung stellen, in welcher der Staat über seine Projekte und Ziele informieren kann. (...)
Seit 1999 hat Präsident Chávez auch seine eigene Fernsehshow, »Aló Presidente«. Sie wird an den meisten Sonntagen ab elf Uhr vormittags von wechselnden Orten, häufig von Kooperativen im Landesinnern, gesendet und von den staatlichen Fernsehsendern ViVe und VTV sowie der Radiostation RNV ausgestrahlt.
Ein Hinweis auf eine zwangsweise Ausstrahlung von »Aló Presidente« findet sich auch nicht in den anderen Beiträgen, die die Google-News-Suche zu dem Thema liefert:
Und die taz bringt noch den wichtigen Hinweis, dass die Veranstaltung in Venezuela, auf der Vargas Llosa sprach, von der Friedrich-Naumann-Stiftung mitfinanziert gewesen ist, lotet die Bedeutung dieses Engagements aber nicht aus.

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