Freitag, 8. August 2008

Kein Ende der Erniedrigungen

Die Financial Times Deutschland zeigt in einer Bilderserie zu den Demonstrationen im Vorfeld der Olympischen Spiele in Peking ein Foto und titelt: "‘Kameras vor dem Eingang zur ‘Verbotenen Stadt’“. Ein, zwei Klicks weiter wird von US-Abtreibungsgegnern berichtet, die am “Tiananmen-Platz ein Sit-in gegen Zwangsabtreibungen in China veranstalteten und Parolen skandierten”.

Nichts gegen mehr oder minder wohlmeinende Zeitgenossen, die versuchen, ihren Anliegen Gehör zu verschaffen und darauf hoffen, dass sie ob der erhöhten Medienpräsenz Aufmerksamkeit finden. Von den westlichen Massenmedien darf jedoch erwartet werden, dass sie solche Leute ebenso nonchalant übergehen, wie den Kamera-Überwachungsskandal in unseren Großstädten oder den zunehmenden christlichen Fundamentalismus.
Oder bildet sich etwa jemand ein, dass ein chinesischer Fassadenkletterer, der den Superbowl nutzte, um einen fairen Umgang mit extraterritorialen US-Gefangenen zu fordern, von unseren Massenmedien ernst genommen würde? Eine Verhaftung dieses Mannes würde als petitesse empfunden und nicht als repressiver Akt eines autoritären Staates.

Hier soll nicht abgewogen und verglichen werden, kein body count von vollstreckten Todesurteilen, kein Aufrechnen von Menschenrechtsverletzungen. Doch spätestens die gestrige Rede von George W. Bush hat den Veröffentlichungen der westlichen Massenmedien Kampagnencharakter verliehen. Deshalb ist es höchste Zeit, darauf hinzuweisen, dass nicht nur die Chinesen dies als überheblich, feindselig und erniedrigend empfinden, kurz, als eine Fortsetzung des westlichen Dominanzgehabes. Überall in den Schwellenländern und in der Dritten Welt werden sich die Augen jetzt auch aufmerksam auf den Westen richten. Und es steht zu befürchten, dass die allermeisten Menschen im Süden wieder wissend lächeln werden und das Wort von den double standards, der Doppelmoral einmal mehr die Runde macht.

Die Angstreflexe der auf Konkurrenz getrimmten westlichen Kultur (dabei sein ist eben nicht alles) sind verständlich. Doch mittlerweile müssen wir aufpassen, nicht zu autistischen enfants terribles zu degenieren, auf die nur noch Rücksicht genommen wird, weil sie das meiste Geld haben.

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