Samstag, 24. Oktober 2009

Das Trauerspiel von Afghanistan

Das hat G'schmäckle: In Spiegel Online wird dazu geraten, sich "Nicht an das Klischee von fairen Wahlen [zu] klammern". Die Rede ist von der Stichwahl in Afghanistan. Mediawatchblog behält sich vor, bei passender Gelegenheit daran zu erinnern.

Die Zeit Online kritisiert haarscharf am Thema vorbei, "Deutschland macht sich von einem Diktator abhängig" (Usbekistan), um dort militärische Einrichtungen betreiben zu können. Das ist natürlich schlimm.

Na wenigstens hat der Spiegelfechter den Verlauf der afghanischen Wahlen zum Anlass genommen, noch einmal neu nachzudenken. Deshalb fragt er nun: "Für was führen wir eigentlich Krieg?"

Die Asia Times meint, der afghanische Präsident, Hamid Karsai sei nun ein für alle Mal von seinen westlichen Bündnispartnern desavouiert, weil die ihn gezwungen haben, seine "Niederlage" öffentlich zuzugeben.

Mediawatchblog ist überzeugt, dass, wenn es nicht gelingt, die Truppen am Hindukusch deutlich aufzustocken, der "Misserfolg" des Feldzuges jetzt endgültig besiegelt ist (2).

Bevor es nachher wieder alle gewusst haben wollen, ist es vielleicht an der Zeit ein deutsches Gedicht über einen englischen Feldzug aufzugreifen:

Das Trauerspiel von Afghanistan

Der Schnee leis stäubend vom Himmel fällt,
Ein Reiter vor Dschellalabad hält,
“Wer da!” – “Ein britischer Reitersmann,
Bringe Botschaft aus Afghanistan.”

Afghanistan! Er sprach es so matt;
Es umdrängt den Reiter die halbe Stadt,
Sir Robert Sale, der Kommandant,
Hebt ihn vom Rosse mit eigener Hand.

Sie führen ins steinerne Wachthaus ihn,
Sie setzen ihn nieder an den Kamin,
Wie wärmt ihn das Feuer, wie labt ihn das Licht,
Er atmet hoch auf und dankt und spricht:

“Wir waren dreizehntausend Mann,
Von Kabul unser Zug begann,
Soldaten, Führer, Weib und Kind,
Erstarrt, erschlagen, verraten sind.

Zersprengt ist unser ganzes Heer,
Was lebt, irrt draußen in Nacht umher,
Mir hat ein Gott die Rettung gegönnt,
Seht zu, ob den Rest ihr retten könnt.”

Sir Robert stieg auf den Festungswall,
Offiziere, Soldaten folgten ihm all′,
Sir Robert sprach: “Der Schnee fällt dicht,
Die uns suchen, sie können uns finden nicht.

Sie irren wie Blinde und sind uns so nah,
So lasst sie′s hören, dass wir da,
Stimmt an ein Lied von Heimat und Haus,
Trompeter blast in die Nacht hinaus!”

Da huben sie an und sie wurden′s nicht müd′,
Durch die Nacht hin klang es Lied um Lied,
Erst englische Lieder mit fröhlichem Klang,
Dann Hochlandslieder wie Klagegesang.

Sie bliesen die Nacht und über den Tag,
Laut, wie nur die Liebe rufen mag,
Sie bliesen – es kam die zweite Nacht,
Umsonst, dass ihr ruft, umsonst, dass ihr wacht.

“Die hören sollen, sie hören nicht mehr,
Vernichtet ist das ganze Heer,
Mit dreizehntausend der Zug begann,
Einer kam heim aus Afghanistan.”

Theodor Fontane, (*30.10.1819 , †20.09.1898) Hat tip geht an Net News Global....

Na klar, Fontane hat Besseres geschrieben. Mediawatchblog empfiehlt etwa Schach von Wuthenow.

Aber wie immer die Geschichte diesmal auch ausgeht: Dass die Zeitgenossen fast ebenso wenig Bewusstsein für das Unrecht haben, das sie verüben, wie die Europäer vor etwa 150 Jahren, ist schon sehr ernüchternd.

Abschließend noch der Link zu der Website mit dem Body Count der Todesopfer auf Seiten der Besatzer. Über die Verluste unter den Aufständischen und in der Zivilgesellschaft gibt es nur Schätzungen.

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