Mittwoch, 12. April 2017

Immer wieder freitags: Das Memorial in Birin

Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch
aus dem Hügelland südlich von Hebron (South Hebron Hills).


Jeden Freitag kommen Siedler aus der nahegelegenen Siedlung Pnei (Pene) Hever zum Mitzpe Ziv Memorial nach Birin, das zum Gedenken an zwei im März 2003 versehentlich von israelischen Soldaten erschossene Mitarbeiter einer israelischen Sicherheitsfirma errichtet wurde. Die beiden jungen Männer waren mit der Bewachung eines Siedlungsaußenpostens beauftragt worden. Auf palästinensischem Land, bewaffnet und in ziviler Kleidung, hatten Soldaten sie für palästinensische Terroristen gehalten (vgl. WaPo und NYT). Zu dieser Zeit war die Zweite Intifada in vollem Gange. Sie dauerte bis Ende 2005 und war durch den Besuch des damaligen Premierministers Ariel Sharon auf dem Tempelberg ausgelöst worden. Die Armee war zu dieser Zeit ständig in Alarmbereitschaft auf der Suche nach bewaffneten Aufständischen.

Noch 2003 entstand eine kleine Gedenkstätte in der Nähe des Unglücksorts, die nach und nach vergrößert und ausgebaut wurde. Heute ist der Gedenkort auf palästinensischem Grund beflaggt mit zwei israelischen Fahnen, wöchentlich findet eine Zeremonie statt. Immer wieder freitags vor Sonnenaufgang kommen Siedler zu dem Hügel hochgefahren und halten eine Gedenkfeier ab. Die Zeremonie wird jedes Mal von mindestens einem, oft auch zwei Armeejeeps bewacht.


Das Land, auf dem die Gedenkstätte errichtet wurde, gehört zu Teilen Musa Muhamri, dem Bürgermeister von Yatta, und einer Privatperson aus Bani Na‘Im. Musa Muhamri ist wegen der zunehmenden Aktivitäten der Siedler auf seinem Land vor Gericht gezogen ist. Ein lokaler Kontakt berichtete uns, dass Siedler sich mit ihren Familien und Freunden auch an manchen jüdischen Feiertagen unter einem Baum mitten im palästinensischen Birin treffen und dann gemeinsam zur Gedenkstätte hochziehen.

Jeden Freitag sind auch wir von EAPPI da und gewähren der Familie Abu und Umm Nasser, die in Sichtweite des Denkmals wohnt und zwischen den Hügeln ihre Schafe hütet, unsere Präsenz. Siedler zerstörten im Oktober 2015 Solarmodule und zwei Wassertanks vor ihrem Haus. Seitdem gehört der Freitagmorgen zu den regelmäßigen Terminen der EAPPI Teams in den South Hebron Hills.


Zuletzt gab es am 11. März 2016 eine heftige Auseinandersetzung mit Siedlern, die zu dem Haus von Abu und Umm Nasser kamen. Abu Nasser war zu dieser Zeit nicht zu Hause. Einer der Siedler war mit einem Maschinengewehr bewaffnet und beschuldigte die Familie, Olivenbäume um das Memorial herum gefällt zu haben. Ökumenische BegleiterInnen waren Zeugen dieses Zwischenfalls und gewährten der Familie ihre schützende Präsenz.

Diesmal genießen wir ohne Zwischenfälle den wunderschönen Sonnenaufgang in dem kleinen, idyllisch gelegenen Gehöft der Familie, die uns jedes Mal mit frisch gebackenem Brot und Tee begrüßt. Dort bleiben wir so lange, bis auch das letzte Auto den Gedenkort wieder verlassen hat.


Abu und Umm Nasser erzählen uns, dass die Einwohner von Birin befürchten, das Denkmal könnte nach und nach zu einem neuen Siedlungsaußenposten werden. In den Außenposten leben besonders national-religiös gestimmte Siedler. Ihnen wird militärischer Schutz gewährt und meistens wird auch ein Wachturm aufgestellt. Spätestens dann, so zeigt die Erfahrung der von uns besuchten palästinensischen Gemeinden mit den anderen Außenposten hier in den South Hebron Hills, werden die palästinensischen Schafhirten vertrieben und die Farmer beim Pflügen ihrer Felder gestört.

Wir beobachten, wie die Autos der Siedler und später auch die Armeejeeps langsam den Hügel hochgefahren kommen. Dann zeigen wir uns von allen Seiten, besonders unser Logo. Wir fotografieren sowohl die Aktivitäten um den Gedenkort herum als auch den Sonnenaufgang und das wunderschöne Tal zur anderen Seite. 

Auch wir werden oft von den Siedlern fotografiert. Manchmal fixieren wir uns gegenseitig über den Hügel hinweg. Wir hoffen, dass sie nicht für eine erneute Auseinandersetzung herüberkommen – vor allem nicht, wenn wir bereits weg sind. Aber die Familie erzählt uns, dass sie seit längerem nicht mehr belästigt wurde. Die letzten Male blieb bei unseren Besuchen alles friedlich und wir bekommen das Gefühl, dass unsere kontinuierliche Präsenz tatsächlich Wirkung zeigt.

Der Beitrag ist zuerst im Netzerk des Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel (EAPPI) erschienen.

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