Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch
aus dem Hügelland südlich von Hebron (South Hebron Hills).
Ta’ayush ist Arabisch und heißt „Zusammenleben“. Die israelisch-palästinensische Graswurzelbewegung wurde im Jahr 2000 gegründet. Ihr Ziel ist es, mit einer gleichberechtigten Partnerschaft ein Zeichen zu setzen für die Überwindung von Rassismus und Segregation und für ein Ende der Besatzung. Die israelischen Mitglieder der Gruppe können dabei wesentlich fordernder auftreten, als es ihren palästinensischen Freunden oder uns Internationalen möglich wäre. Sie mischen sich ein und fragen nach Gründen für das Eingreifen von Militär und Polizei, etwa für eine eiligst anberaumte Militärzone, und verlangen nach Dokumenten. Sie scheuen sich nicht davor, offensiv zu filmen oder zu fotografieren. Als israelische Staatsbürger können sie den Siedlern und Soldaten auf Augenhöhe begegnen.
Eine dieser Aktionen ist die „Land Action“, die jeden Samstagmorgen in Um al Arais, oberhalb von Khirbet at Tawamin stattfindet. Bei den Fußballspielen und Picknicks für die lokalen Familien mit ihren Kindern beziehen die Aktivist*innen von Ta’ayush oft auch das anwesende Militär mit ein, bringen ihnen Tee und Kaffee. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass die Soldaten mit den Jungs vom Dorf Fußball spielten. Für uns von EAPPI ist dies ebenfalls ein fester Termin.
Das Stück Land, auf dem die Aktion stattfindet, gehört Said Mohammed Ibrahim Rabaj. Als in den 80er Jahren die ersten Siedlungen in der Umgebung seines Dorfes entstanden dachte er nicht im Traum daran, dass auch er eines Tages von der Landnahme betroffen sein könnte. Die Siedlungen brachten Außenposten hervor, und ein solcher Außenposten entstand vor 16 Jahren auch auf dem Grundstück, das er und Generationen seiner Familie vor ihm genutzt hatten. Dazu sechs Gewächshäuser, die eine weitere große Fläche in Beschlag nahmen. Er protestierte dagegen und bekam zur Antwort, dass er sein Land nicht bearbeite. Es sei deshalb dem Staat zugefallen, der es neu verteilt habe – in diesem Fall an israelische Siedler.
Der Ta’ayush-Aktivist Yigal Bronner hat im vergangenen Herbst die rechtlichen Hintergründe des Falls Said detailliert niedergeschrieben: Land in den besetzten Gebieten, welches für mehr als 3 Jahre ungenutzt bleibt, kann von den israelischen Behörden auf der Basis alter osmanischer Gesetzgebung zu Staatsland erklärt werden. Dabei ist es irrelevant, ob die Eigentümer die Möglichkeit hatten, ihr Land zu bearbeiten, oder ob dies durch militärische Sperrzonen, Siedlungen, die Trennbarriere oder sonstige Hindernisse verhindert wurde. Said kämpft seit 16 Jahren um sein Land und zeigt seine Präsenz auch durch die von Ta’ayush unterstützten Landaktionen. Die Gewächshäuser verschwanden, aber die Siedlung und der Außenposten sind immer noch da.
Als wir im Februar zum ersten Mal in Um al Arais ankommen, parkt bereits ein Militärjeep mit drei Soldaten auf dem Gelände. Das Fußballfeld liegt in der Nähe einer Militärzone, der Siedlungsaußenposten Mitzpe Yair ist keine 200 Meter entfernt. Später kommt auch noch ein weißer Wagen der israelischen Zivilverwaltung auf das Plateau hochgefahren. Die „Civil Administration“ ist für die Verwaltung der besetzten Gebiete zuständig und untersteht dem israelischen Verteidigungsministerium. Die zwei Insassen des weißen Wagens tragen dieselbe Uniform wie das Militär. Eine junge Frau steigt aus, sie ist offensichtlich die Hochrangigste aller hier im Einsatz. Sie beginnt sofort einen heftigen Streit mit Said neben dem Feld, auf dem das Fußballspiel bereits angefangen hat. Ihrer Meinung nach hat die Landaktion bereits die unsichtbare Grenze zu einer für alle geschlossenen Militärzone übertreten. Nach einiger Zeit geht Said wieder zum Fußballfeld zurück. Er hat inzwischen fließend Hebräisch gelernt und sich zum eloquenten Redner in eigener Sache entwickelt, erzählt mir Michaela von Ta’ayush.
Wir machen zusammen mit Saids Frau und seinem Bruder ein spärliches Feuer für den Tee. Später kommt der weiße Wagen zu uns herübergefahren und man fotografiert unsere Pässe. Dort, wo das Auto parkt, ist die Grenze des Terrains, auf dem wir uns bewegen dürfen. Plötzlich scherzt die junge Frau in Uniform, die eben noch so heftig mit Said gestritten hat, mit einem der kleinen palästinensischen Mädchen und zwischen Said und ihr scheint es versöhnliche Worte zu geben.
Anfang März waren wir wieder da. Nur die Zivilverwaltung in ihrem weißen Auto parkt auf dem Gelände und die Insassen sind ausgesprochen entspannt. Sie scherzen und plaudern mit Said. Ein junger Soldat geht mit Saids Nachbarn Khaled, dessen Schafe in den umliegenden Hügeln grasen, etwas abseits und hört ihm lange zu. Verträumt stehen einige der Soldaten später in Khaleds Schafherde und lassen sich fotografieren.
Dann kommen drei Siedler vom Außenposten herunter. Sie trauen sich offensichtlich nicht näher, sondern bleiben am Rand des Feldes kurz hinter dem von ihnen errichteten Zaun stehen und warten, bis die Beamten der Zivilverwaltung auf sie zukommen. Diese gehen nur zögernd auf die Siedler zu, vielleicht weil gerade alles so friedlich war. Nach einigem Hin und Her kommt ein weiteres Polizeiauto hochgefahren.
Die Siedler ziehen sich nun zurück, unsere Pässe werden erneut fotografiert. Ansonsten bleibt alles friedlich. Die Landaktion geht ohne Zwischenfälle zu Ende. Wir haben das Gefühl, dass ein paar Kinder und Jugendliche für eine Weile das beschwerliche Leben in der Besatzung vergessen konnten. Schon dafür hat sich der lange Kampf von Said mit Unterstützung von Ta‘ayush gelohnt.
Der Beitrag ist zuerst im Netzerk des Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel (EAPPI) erschienen.
aus dem Hügelland südlich von Hebron (South Hebron Hills).
Ta’ayush ist Arabisch und heißt „Zusammenleben“. Die israelisch-palästinensische Graswurzelbewegung wurde im Jahr 2000 gegründet. Ihr Ziel ist es, mit einer gleichberechtigten Partnerschaft ein Zeichen zu setzen für die Überwindung von Rassismus und Segregation und für ein Ende der Besatzung. Die israelischen Mitglieder der Gruppe können dabei wesentlich fordernder auftreten, als es ihren palästinensischen Freunden oder uns Internationalen möglich wäre. Sie mischen sich ein und fragen nach Gründen für das Eingreifen von Militär und Polizei, etwa für eine eiligst anberaumte Militärzone, und verlangen nach Dokumenten. Sie scheuen sich nicht davor, offensiv zu filmen oder zu fotografieren. Als israelische Staatsbürger können sie den Siedlern und Soldaten auf Augenhöhe begegnen.
Eine dieser Aktionen ist die „Land Action“, die jeden Samstagmorgen in Um al Arais, oberhalb von Khirbet at Tawamin stattfindet. Bei den Fußballspielen und Picknicks für die lokalen Familien mit ihren Kindern beziehen die Aktivist*innen von Ta’ayush oft auch das anwesende Militär mit ein, bringen ihnen Tee und Kaffee. Es soll sogar schon vorgekommen sein, dass die Soldaten mit den Jungs vom Dorf Fußball spielten. Für uns von EAPPI ist dies ebenfalls ein fester Termin.
Das Stück Land, auf dem die Aktion stattfindet, gehört Said Mohammed Ibrahim Rabaj. Als in den 80er Jahren die ersten Siedlungen in der Umgebung seines Dorfes entstanden dachte er nicht im Traum daran, dass auch er eines Tages von der Landnahme betroffen sein könnte. Die Siedlungen brachten Außenposten hervor, und ein solcher Außenposten entstand vor 16 Jahren auch auf dem Grundstück, das er und Generationen seiner Familie vor ihm genutzt hatten. Dazu sechs Gewächshäuser, die eine weitere große Fläche in Beschlag nahmen. Er protestierte dagegen und bekam zur Antwort, dass er sein Land nicht bearbeite. Es sei deshalb dem Staat zugefallen, der es neu verteilt habe – in diesem Fall an israelische Siedler.
Der Ta’ayush-Aktivist Yigal Bronner hat im vergangenen Herbst die rechtlichen Hintergründe des Falls Said detailliert niedergeschrieben: Land in den besetzten Gebieten, welches für mehr als 3 Jahre ungenutzt bleibt, kann von den israelischen Behörden auf der Basis alter osmanischer Gesetzgebung zu Staatsland erklärt werden. Dabei ist es irrelevant, ob die Eigentümer die Möglichkeit hatten, ihr Land zu bearbeiten, oder ob dies durch militärische Sperrzonen, Siedlungen, die Trennbarriere oder sonstige Hindernisse verhindert wurde. Said kämpft seit 16 Jahren um sein Land und zeigt seine Präsenz auch durch die von Ta’ayush unterstützten Landaktionen. Die Gewächshäuser verschwanden, aber die Siedlung und der Außenposten sind immer noch da.
Als wir im Februar zum ersten Mal in Um al Arais ankommen, parkt bereits ein Militärjeep mit drei Soldaten auf dem Gelände. Das Fußballfeld liegt in der Nähe einer Militärzone, der Siedlungsaußenposten Mitzpe Yair ist keine 200 Meter entfernt. Später kommt auch noch ein weißer Wagen der israelischen Zivilverwaltung auf das Plateau hochgefahren. Die „Civil Administration“ ist für die Verwaltung der besetzten Gebiete zuständig und untersteht dem israelischen Verteidigungsministerium. Die zwei Insassen des weißen Wagens tragen dieselbe Uniform wie das Militär. Eine junge Frau steigt aus, sie ist offensichtlich die Hochrangigste aller hier im Einsatz. Sie beginnt sofort einen heftigen Streit mit Said neben dem Feld, auf dem das Fußballspiel bereits angefangen hat. Ihrer Meinung nach hat die Landaktion bereits die unsichtbare Grenze zu einer für alle geschlossenen Militärzone übertreten. Nach einiger Zeit geht Said wieder zum Fußballfeld zurück. Er hat inzwischen fließend Hebräisch gelernt und sich zum eloquenten Redner in eigener Sache entwickelt, erzählt mir Michaela von Ta’ayush.
Wir machen zusammen mit Saids Frau und seinem Bruder ein spärliches Feuer für den Tee. Später kommt der weiße Wagen zu uns herübergefahren und man fotografiert unsere Pässe. Dort, wo das Auto parkt, ist die Grenze des Terrains, auf dem wir uns bewegen dürfen. Plötzlich scherzt die junge Frau in Uniform, die eben noch so heftig mit Said gestritten hat, mit einem der kleinen palästinensischen Mädchen und zwischen Said und ihr scheint es versöhnliche Worte zu geben.
Anfang März waren wir wieder da. Nur die Zivilverwaltung in ihrem weißen Auto parkt auf dem Gelände und die Insassen sind ausgesprochen entspannt. Sie scherzen und plaudern mit Said. Ein junger Soldat geht mit Saids Nachbarn Khaled, dessen Schafe in den umliegenden Hügeln grasen, etwas abseits und hört ihm lange zu. Verträumt stehen einige der Soldaten später in Khaleds Schafherde und lassen sich fotografieren.
Dann kommen drei Siedler vom Außenposten herunter. Sie trauen sich offensichtlich nicht näher, sondern bleiben am Rand des Feldes kurz hinter dem von ihnen errichteten Zaun stehen und warten, bis die Beamten der Zivilverwaltung auf sie zukommen. Diese gehen nur zögernd auf die Siedler zu, vielleicht weil gerade alles so friedlich war. Nach einigem Hin und Her kommt ein weiteres Polizeiauto hochgefahren.
Die Siedler ziehen sich nun zurück, unsere Pässe werden erneut fotografiert. Ansonsten bleibt alles friedlich. Die Landaktion geht ohne Zwischenfälle zu Ende. Wir haben das Gefühl, dass ein paar Kinder und Jugendliche für eine Weile das beschwerliche Leben in der Besatzung vergessen konnten. Schon dafür hat sich der lange Kampf von Said mit Unterstützung von Ta‘ayush gelohnt.
Der Beitrag ist zuerst im Netzerk des Ökumenischen Begleitprogramms in Palästina und Israel (EAPPI) erschienen.
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