Dort wo deutsche Interessen nicht direkt berührt sind oder scheinen, klappt eine einigermaßen differenzierte Darstellung nach wie vor auch in den Massenmedien. (Davon sind die üblichen Verdächtigen natürlich ausgenommen (1), (2).) Als positives Beispiel sei hier ein Beitrag aus dem Tagesspiegel vom März 2016 aufgeführt:
In den deutschsprachigen Mainstream-Medien fehlen zudem Darstellungen wichtiger Vorgänge wie den, dass Brasiliens Vize-Präsident schon jetzt öffentlich darüber nachdenkt, einen Technokraten von Goldman-Sachs in sein Wirtschaftsteam und einen Geschäftsmann zum Zentralbankchef zu machen - wenn das Impeachment denn erfolgreich ist. Ein wichtiger oppositioneller Senator ist bereits in die USA geflogen um Gespräche zu führen (The Intercept):
Lula war einmal der beliebteste Staatschef der Welt. Als er Brasilien zwischen 2002 und 2010 regierte, entkamen 36 Millionen Brasilianer der extremen Armut. 40 Millionen stiegen laut offizieller Statistik in die Mittelschicht auf. Es entstanden 19 Millionen versicherungspflichtige Jobs. (...) Die brasilianische Wirtschaft wuchs um durchschnittlich vier Prozent, der Mindestlohn verdreifachte sich.Über die Ermittlungen im Petrobras-Bestechungsskandal und den sie leitenden Richter Sergio Moro heißt es im gleichen Text:
Die Liste der Politiker, gegen die ermittelt wird, ist mit der Zeit immer länger geworden. Dank einer umfassenden Kronzeugenregelung. Zuletzt sagte ein Senator gegen 74 Personen aus, darunter die Vorsitzenden von Senat und Parlament. Auch der Name von Oppositionsführer Aécio Neves tauchte auf.SPON schreibt in Bezug auf das Impeachment-Verfahren im Parlament von einem "Aufstand der Scheinheiligen" weil gegen viele Abgeordnete wesentliche gewichtigere Verdachtsmomente vorlegen als gegen Rousseff. Auch der Deutschlandfunk findet (in einem insgesamt allerdings sehr schwachen Beitrag) das Impeachment-Verfahren im Parlament einen "unwürdigen Zirkus":
Moro muss sich allerdings den Vorwurf gefallen lassen, am liebsten gegen Angehörige der Arbeiterpartei zu ermitteln. Immer wieder versucht er etwa, die Präsidentin in den Skandal hineinzuziehen – bisher ohne Erfolg. Von ihren Gegnern wird er für die Versuche gefeiert.
Rousseff ist eine demokratisch gewählte Präsidentin, und wenn sie ohne stichhaltigen juristischen Grund aus dem Amt gejagt würde, würde das Brasiliens Demokratie großen Schaden zufügen.Konkrete Hinweise auf die unlauteren Mittel der Gegner der Arbeiterpartei (PT, Partido dos Trabalhadores) und deren Zielrichtung allerdings geben die KollegInnen aber nicht. Da muss man entweder auf amerika21 zurückgreifen oder auf internationale Quellen. So hat etwa Globo-TV das Impeachment-Verfahren ausführlichst dokumentiert, die Reden der mit der PT koalierenden Sozialisten aber schlichtweg ausgelassen (telesur).
In den deutschsprachigen Mainstream-Medien fehlen zudem Darstellungen wichtiger Vorgänge wie den, dass Brasiliens Vize-Präsident schon jetzt öffentlich darüber nachdenkt, einen Technokraten von Goldman-Sachs in sein Wirtschaftsteam und einen Geschäftsmann zum Zentralbankchef zu machen - wenn das Impeachment denn erfolgreich ist. Ein wichtiger oppositioneller Senator ist bereits in die USA geflogen um Gespräche zu führen (The Intercept):
Today [18.4.2016] — the day after the impeachment vote — Sen. Aloysio Nunes of the PSDB will be in Washington to undertake three days of meetings with various U.S. officials as well as with lobbyists and assorted influence-peddlers close to Clinton and other leading political figures.Wichtig ist auch folgende unappetitliche Details - alls ebenfalls in dem oben genannten Intercept-Bericht zusammengetragen und sorgfältig belegt:
Sen. Nunes is meeting with the chairman and ranking member of the Senate Foreign Relations Committee, Bob Corker, R-Tenn., and Ben Cardin, D-Md.; Undersecretary of State and former Ambassador to Brazil Thomas Shannon; and attending a luncheon on Tuesday hosted by the Washington lobbying firm Albright Stonebridge Group, headed by former Clinton Secretary of State Madeleine Albright and former Bush 43 Commerce Secretary and Kellogg Company CEO Carlos Gutierrez.
(...) the House member who pushed impeachment over the 342-vote threshold was Dep. Bruno Araújo, himself implicated by a document indicating he may have received illegal funds from the construction giant at the heart of the nation’s corruption scandal. (...)Ziemlich klug findet MediaWatch deshalb den Hinweis, den das Domradio gibt:
Of the 594 members of the Congress, (...) 318 are under investigation or face charges” while their target, President Rousseff, herself faces no allegation of financial impropriety. (...)
The vice president himself is (...) under scrutiny over claims that he was involved in an illegal ethanol purchasing scheme.
Hier werden zwei Dinge miteinander in Verbindung gebracht, die so ohne weiteres gar nicht zusammen gehören. Denn auf der formalen Ebene gibt es [das] Amtsenthebungsverfahren, dass aber inszeniert scheint. Dort wird der formale Vorwurf erhoben, sie [Dilma Rousseff] habe gegen das Haushaltsgesetz verstoßen. Tatsächlich hat sich aber seit den Präsidentschaftswahlen 2014 die Opposition massiv gegen die Präsidentin organisiert und möchte das Verfahren nutzen, um sie politisch aus dem Amt zu kippen. Das hat zunächst mit Korruption nichts zu tun. (...) Das ist zunächst einmal ein bewusst gewähltes Mittel um die alte Ordnung wiederherzustellen, die bis 2002 auch galt.P.S.: Bei all dem darf natürlich nicht vergessen werden, dass die ökonomische Situation des größten Landes in Lateinamerika und bedeutenden BRICS-Partners derzeit düster wirkt. Mitte März hatte MediaWatch bereits geschrieben:
2015 ging die Produktion um 3,8 Prozent zurück, im ersten Quartal 2016 sogar um 5,9 Prozent. Die Politik reagiert mit den üblichen neoliberalen "Reformen": sozialer Raubbau, Lohnkürzungen und Rückbau von Arbeitnehmerrechten (Telepolis). Kapitalflucht spielt auch in Brasilien eine bedeutende Rolle.
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