Eine Ausstellung mit afrikanischen Kriegsbildern - diskutiert von Ina Zeuch
Man stelle sich einmal vor, ein afrikanischer Videokünstler wäre in den Bürgerkrieg Jugoslawiens gezogen, um dort viel aus fahrenden Autos heraus wirres Kriegsgeschehen, Tote und verzweifelte Menschen in überfüllten Flüchtlingscamps oder Massengräber und sterbende Kinder abzufilmen. Und er hätte diese Szenearien in Infrarot gefilmt und die Vegetation wäre nicht mehr grün, sondern pink und damit neben allem Elend auch ein prächtiger Farbstreifen, eben Kunst. Und damit wäre er dann auf eine der renommiertesten Biennalen Afrikas eingeladen worden und hätte nach dieser Schau obendrauf von einem großen Finanzdienstleister einen Fotopreis erhalten. Das wäre dann das Europabild der Afrikaner oder zumindest ihrer Eliten, eben jenen, die solche Biennalen in Afrika besuchen.
Man stelle sich einmal vor, ein afrikanischer Videokünstler wäre in den Bürgerkrieg Jugoslawiens gezogen, um dort viel aus fahrenden Autos heraus wirres Kriegsgeschehen, Tote und verzweifelte Menschen in überfüllten Flüchtlingscamps oder Massengräber und sterbende Kinder abzufilmen. Und er hätte diese Szenearien in Infrarot gefilmt und die Vegetation wäre nicht mehr grün, sondern pink und damit neben allem Elend auch ein prächtiger Farbstreifen, eben Kunst. Und damit wäre er dann auf eine der renommiertesten Biennalen Afrikas eingeladen worden und hätte nach dieser Schau obendrauf von einem großen Finanzdienstleister einen Fotopreis erhalten. Das wäre dann das Europabild der Afrikaner oder zumindest ihrer Eliten, eben jenen, die solche Biennalen in Afrika besuchen.
Foto von Richard Mosse aus der Ausstellung "The Enclave" |
Aber es ist natürlich genau anders herum. Der irische Künstler Richard Mosse, der mehrere Male in die DR Kongo reiste und dort das Material für seine Videoinstallation und seine Fotos unter dem Titel "The Enclave" fand, reüssierte mit dieser Arbeit auf der 55. Biennale von Venedig für den irischen Pavillon und gewann für diese Präsentation den Deutsche Börse Photography Prize 2014. Seitdem tourt diese Ausstellung durch die Metropolen Europas. Bis 11. November war sie im Antwerpener Fotomuseum zu sehen. Auf acht doppelseitigen Videoleinwänden setzt "The Enclave" auf Überwältigungsstrategie. Kameramann war Trevor Tweeten. Die Fotos sind von Richard Mosse.
Videostill aus der Ausstellung "The Enclave" von Richard Mosse |
Wie in allen schwelenden und von außen schwer verständlichen Bürgerkriegen gibt es vor Ort oft nicht viel zu sehen. Man fährt also herum und filmt, was sich gerade anbietet: eine Tanzveranstaltung im Freien mit militärischer Bewachung, viele Kinder - dankbare Sujets aller Bildjournalisten - und endlos viele Kamerafahrten durchs Gelände; alles noch recht harmlos. Aber der nervenaufreibende Soundtrack des Komponisten Ben Frost, den dieser aus aufgezeichneten Klängen von dort destilliert hat, lässt alles nach Gefahr und Tod riechen, noch bevor man den ersten Toten sieht. Das ist die Leiche eines jungen Mannes, der - wie hindrapiert am Straßenrand - aus dem fahrenden Auto heraus von allen Seiten gründlich abgefilmt wird. Das geht noch an, denn mit dem entsprechenden Afrika-Bild im Kopf hat man auf genau so etwas ja gewartet.
Videostill aus der Ausstellung "The Enclave" |
Schließlich ist die DR Kongo die Projektionsfläche schlechthin für alles Barbarische made in Africa und das Infrarot-Verfahren kommt hier besonders pralle, weist das Land doch eines der größten Waldgebiete Afrikas auf. Aber dann gibt es eine Szene mit einer Totgeburt: Eine Krankenschwester versucht mit resoluten Schlägen ein Neugeborenes zum ersten Schrei und ins eigenständige Atmen zu bringen. Eine ganz normale Szene eigentlich - die aber unter diesen Bedingungen und zusammen mit der Musik aufreizend brutal wirkt und bildlich ausgeschlachtet wird. Spätestens hier schöpft man den Verdacht, dass Mosse aus Tragödien Klischees recycelt. Und man fragt sich, ob man sich auf einen derartigen Voyeurismus weiter einlassen soll.
Zu seiner Arbeit sagt Richard Mosse im Interview mit Elke Buhr in dem Magazin monopol:
Lassen wir uns also emotional aufpeitschen und "ekstatische Wahrheiten" erfahren. Das kennen wir ja von BILD. Denn wie bei BILD weiß der Künstler trotz der fehlenden Zusammenhänge das Wichtigste ganz genau: "Sie", die im Video nicht weiter erklärten Täter bei ihren nicht weiter erklärten Taten "wissen, dass sie schuldig sind". Gut, dass wir es nicht sind!
Videostill aus der Ausstellung "The Enclave" |
Weiter geht es durch ein im schlammigen Boden versinkendes, hoffnungslos überfülltes Flüchtlingscamp im Freien, mit einer Gruppe verstörter Kinder, die dem Team vorauslaufen. Dann wird noch einmal gehalten, um diese Szene einzufangen: Ein verzweifelter, am Boden kauernder Mann drückt ein Kind an sich. Die Kamera fängt ihn ein, von oben herab bannt sie dieses Bild von einem Mann, der dem Weinen nahe ist und der sich nicht wehren kann gegen diese dreiste Zudringlichkeit. Zwischendurch blickt er auf und immer noch starrt dieses mechanische Auge ihn an. Weiter geht es zu einer Beerdigung, die trotz der eindeutigen Ablehnung der anwesenden Männer selbstverständlich auch gefilmt wird.
Videostill aus der Ausstellung "The Enclave" |
Mein Film ist eine sehr persönliche, emotionale Reise in die Imagination. ... Ich glaube, es ist wichtig, dass die Menschen etwas fühlen ... Mein Ansatz ist wie der in Joseph Conrads Erzählung 'Herz der Finsternis': Ein Abstieg in einen dunklen, klaustrophobischen Alptraum. Werner Herzog hat mal zwischen der Wahrheit der Buchhalter und der ekstatischen Wahrheit unterschieden. Natürlich ist es ungeheuer wichtig, Fakten zu sammeln, wie Human Rights Watch oder investigative Reporter das tun. Aber wenn es einem in einem künstlerischen Ansatz um die ekstatische Wahrheit geht, dann geht es darum, einen Zipfel des Erhabenen zu erhaschen, und um die Herzen der Menschen. Denn wenn man die Herzen nicht berührt, erreicht man gar nichts ...
Notorisch ist der Verweis auf den Roman von Joseph Conrad's "Herz der Finsternis", der so oft als Synonym für einen ganzen Kontinent herhalten muss. Dabei tut Mosse so, als bewege sich seine Arbeit auf demselben Niveau wie der Roman. Conrad aber beschreibt eine konkrete Situation aus der Sicht eines weißen Kolonialisten, dessen Reflektionen seine subjektive Sichtweise darlegen. Dadurch wird das Geschehen eingeordnet und relativiert. Schwarz wird das Herz der Finsternis durch die Gier und Unkenntnis der gewalttätigen Eindringlinge und nicht durch die Hautfarbe seiner Bewohner.
Im Erläuterungstext zur Ausstellung wird "The Enclave" als non-narrativ bezeichnet, was nichts erhellt, aber wie eine Qualitätskategorie daherkommt. Es scheint, als bedeute es, dass das Herstellen von Zusammenhängen geradezu verpönt ist und man sich deshalb um den Sinn und das Zustandekommen von Bilderfluten drücken kann. Das wird bei der Rezeption von Mosse's Arbeit und von Mosse selbst als kreativen Gegenentwurf zur mühsamen Recherche abgefeiert. Die Deutsche Börse begründet den Photography Prize so:
Im Erläuterungstext zur Ausstellung wird "The Enclave" als non-narrativ bezeichnet, was nichts erhellt, aber wie eine Qualitätskategorie daherkommt. Es scheint, als bedeute es, dass das Herstellen von Zusammenhängen geradezu verpönt ist und man sich deshalb um den Sinn und das Zustandekommen von Bilderfluten drücken kann. Das wird bei der Rezeption von Mosse's Arbeit und von Mosse selbst als kreativen Gegenentwurf zur mühsamen Recherche abgefeiert. Die Deutsche Börse begründet den Photography Prize so:
Der Künstler sucht ... nach alternativen Strategien, um diesen komplexen und erschreckenden Kreislauf der Gewalt angemessen zu kommunizieren."Beautiful" ist denn auch das Hauptadjektiv in den Kommentaren zum Trailer von "The Enclave" im Netz. Der Infrarot-Trick ist das, was am meisten ankommt ("mind-blowing") bis hin zu "Beautiful story!" Komplex und angemessen wäre schön gewesen, macht aber viel Arbeit. Das Gegenteil wird juriert, bepreist und gehört nun zu einer relevanten Rezeption von Afrika in der Kunst.
Plakat mit einem Fotoabzug von Richard Mosse |
Zum Abschluss gibt's noch ein Give Away. Von einem Stapel Plakate mit einem Fotoabzug von Richard Mosse darf man sich eines mitnehmen. Danke, wir nehmen es gerne! Es ist einfach ein so geiles Bild, dieses Elend in Pink.
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