Es wird bis zum Schluss gerungen: In der Elfenbeinküste verspätet sich die Verkündung der Wahlergebnisse (Aljezeera). Doch allein die weitestgehend friedliche Durchführung von Wahlen stellt eine wirkliche Sensation dar: Nach Militärputsch und Bürgerkrieg fand am Sonntag den 28. November die Stichwahl zum Präsidentenamt statt – wenn auch mit fünf Jahren „Verspätung“.
Im ersten Wahlgang im Oktober hatten sich zwei alte Widersacher durchgesetzt: Der Kandidat des Südens und amtierende Präsident Laurent Gbagbo hatte rund 38 Prozent der Stimmen erhalten und Alassane Dramane Quattara auf den zweiten Platz verwiesen. Quattara – der als letzter Premierminister unter Houphouët-Boigny amtiert hatte – ist der Kandidat des Nordens, Moslem und war auf 32 Prozent gekommen.
Das Rennen war bis zum Schluss offen gewesen, zumal Henri Konan Bédié, Ex-Präsident des offiziell Côte d’Ivoire genannten Landes und Drittplatzierter in ersten Wahlgang, eine Wahlempfehlung zu Gunsten von Quattara abgegeben hat. Das entbehrt nicht einer gewissen Ironie, denn Bédié und seine Partei waren es, die Mitte der 1990er Jahre das Konzept der „Ivorite“ entwickelten: Mit der Begründung, dass seine Eltern aus Burkina Faso stammen, er folglich kein „wirklicher“ Bürger des westafrikanischen Landes sei, wurde Quattara 1995 und 2000 an einer Kandidatur für das Präsidentenamt gehindert. Kein Wunder ist es deshalb auch, dass Gbagbo die Wahlempfehlung Bédiés, der ebenfalls aus dem Süden stammt, als „unnatürlich“ geißelte.
Der friedliche Verlauf des ersten Wahlganges und vor allem die hohe Wahlbeteiligung von 80 Prozent haben gezeigt, wie sehr sich die Menschen in der Elfenbeinküste die Rückkehr zur Normalität wünschen. Doch ist damit keineswegs sichergestellt, dass es auch friedlich bleibt. Auf allen Seiten stehen paramilitärisch organisierte, radikale Gruppen bereit, die jederzeit bereit und in der Lage sich, Unruhen zu entfesseln. Für den Wahlausgang wird entscheidend sein, ob die Bédié-Wähler eher den ethnischen Vorgaben folgen oder doch Bédiés Wahlempfehlung entsprechend Quattara wählen. Für das Letztere spricht, dass auch im Süden viele Menschen Gbagbo die Verschleppung der Wahlen um eine komplette Amtszeit übel nehmen.
Wer immer die Stichwahl gewonnen hat, wird in erster Linie vor die – fast unmöglich scheinende und nur langfristig lösbare – Aufgabe gestellt, das Land wieder zu vereinen. Wie schwierig das werden dürfte, hat zuletzt das Wochenende vor der Wahl (20. / 21. November) gezeigt: Anhänger der beiden Rivalen lieferten sich Straßenschlachten. Auch die Schlammschlacht im Wahlkampf erreichte eine neue Qualität: Zunächst beschuldigte Gbagbo seinen Kontrahenten „für alle vier Putschversuche“ verantwortlich zu sein, die im Laufe der letzten Jahre gegen ihn stattgefunden haben. Das überrascht insofern, als bisher Soro als der Hauptverantwortliche für derlei Aktivitäten gilt. Quattara konterte prompt mit dem Vorwurf, dass Gbagbo für die Ermordung von General Robert Guei verantwortlich zu sei. Guei hatte den Putsch von 1999 orchestriert und war 2002 umgebracht worden. Offiziell war man bisher davon ausgegangen, dass der General von illoyalen Soldaten getötet worden war.
Die beiden Kontrahenten sind politische Veteranen, und sie kennen und bekämpfen sich seit den 1990er Jahren. Beide haben den Weihnachtsputsch von 1999 politisch genauso überlebt wie den Bürgerkrieg, der 2002 ausbrach und zu einer de-facto-Teilung des Landes in einen Nord- und einen Südteil führte. 2007 konnte ein Friedensvertrag ratifiziert und wirksam werden, der eine Teilung der Macht beinhaltete. Auch wurde die Pufferzone zwischen Nord und Süd mittlerweile aufgelöst, doch blieben die UN-Truppen bis heute im Lande. Ende September wurde die UNOCI-Mission anlässlich der Wahlen für weitere sechs Monate um 500 Mann auf 9.150 Soldaten und Polizisten aufgestockt. Auch das Waffen- und Diamantenembargo der EU ist im Oktober verlängert worden. Wenn alles ruhig bleibt, könnten die UN frühestens Ende März 2011 abziehen. Das aktuelle Jahresbudget der Mission beträgt 485 Mio. US-Dollar. 69 Menschen haben auf Seiten der UN im Rahmen dieses jetzt fast sechs Jahre dauernden Einsatzes ihr Leben lassen müssen.
Der Text erschien in etwas anderer Fassung am 27.11. (vor der Stichwahl) im Neuen Deutschland.
Donnerstag, 2. Dezember 2010
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Quattara ist gewählt, aber Gbagbo will nicht abtreten. Unruhen in der Elfenbeinküste und das Militär macht die Grenzen dicht(SZ).
AntwortenLöschenDie FR mit einem etwas schrillen Kommentar zur Machtergreifung von Laurent Gbagbo in der Elfenbeinküste. Der Tagesspiegel macht es besser, bleibt aber eine Perspektive schuldig. Die taz ruft einmal mehr nach "der internationalen Gemeinschaft" die "dem Willen des ivorischen Volkes zur Erfüllung (...) verhelfen" soll."On the brink of chaos" sieht ein Aljazeera-Blogger das Land. Der südafrikanische Ex-Präsident Thabo Mbeki wird vermitteln. Mail + Guardian hat die Details. "ECOWAS backs Quattara", meldet Next.
AntwortenLöschenGbagbo hat Truppen aufmarschieren lassen, die den Sitz Quattaras in einem UN-Gebäude umstellt haben (Mail+Guardian).
AntwortenLöschenDas könnte klappen: Die Zentralbank der westafrikanischen Staaten sperrt Gabgbo den Zugang zu Staatskonten. Das geht, weil der Sitz der BCEAO (fr.) in Dakar ist. Gbagbo wird nun kaum noch Sicherheitskräfte oder gar Zivilangestellte bezahlen können.
AntwortenLöschenDer westafrikanische Franc-CFA ist im Senegal, in der Elfenbeinküste, in Burkina Faso, Benin, Togo, Mali und Niger gültig. Die Währung ist mit einem festen Wechselkursverhältnis von 655,957 zu 1 an den Euro gebunden.
Vielleicht hat der internationale Druck ja gereicht."Elfenbeinküste: Gbagbo gibt sich nun gesprächsbereit", meldet die ARD. MediaWatchBlog geht deshalb ab sofort von der Cohabitation mit Ouattara in einer gemeinsamen Regierung aus.
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