Freitag, 6. August 2010

Der Herbst der Patriarchen

Knapp 40 G-News Treffer ergeben sich bei der Suche nach "Lateinamerika Konzept" (1), (2). Das ist ganz ok, wenn man bedenkt, dass es sich lediglich um eine (wenn auch amtliche) Absichtserklärung handelt. Und mehr Aufmerksamkeit hat das Papier auch nicht verdient.

Allerdings ist es traurig mitanzusehen, wie die Bundesregierung es grad noch schafft, nur noch das offensichtlichste (solides wirtschaftliches Wachstum in den meisten Ländern Lateinamerikas) als 'Partnerschaft' anzupeilen und wie die Mainstream-Medien es unverdrossen nachplappern.

Es pfeifen doch die Spatzen von den Dächern, dass der Westen (alle) Schwellenländer dringend als Absatzmärkte braucht. Das ist nicht einmal mehr alter Wein in neuen Schläuchen. Das gerinnt zu reiner Selbsterhaltung, bar aller politischer, sozialer oder gar kultureller Anstöße:

AFP (Titel): "Bundesregierung setzt auf Südamerika als Wachstumsmarkt". Stern.de: "Für die deutsche Wirtschaft sei Lateinamerika nicht nur wichtiger Produktionsstandort, sondern auch "stetig wachsender Absatzmarkt"." Welt Online: "Hauptzielgruppe der Außenwirtschaftsförderung sind kleine und mittlere Unternehmen. Ein kleineres Land wie Uruguay könne für den Mittelstand ein interessantes "Eingangstor" nach Lateinamerika sein." Ausführlicher aber kraftlos DW-World. Hier fallen Stichworte wie "Finanzkrise, Klimaschutz, Energiepolitik, Abrüstung und Kampf gegen Drogen oder den Terrorismus" sowie im Abschnitt NGO-Kritik "Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit".

Es fällt angenehm auf, dass die KritikerInnen einer weitgehenden Ökonomisierung internationaler Beziehungen dagegen konkrete poltitische und soziale Anliegen vorbringen:

lateinamerika 21 titelt: "Berlin droht Lateinamerika mit Kooperation" und bezieht sich in seinem Gegenentwurf etwa auf die Süd-Süd Integration oder auf das gerade (mit bundesrepublikanischer Unterstützung) verabschiedete Menschenrecht auf Wasser, das jetzt mit Leben gefüllt werden müsse. Entwicklungspolitik Online stellt die Attac-Position zu diesem Thema sehr komprimiert dar:
Ohne dass es in dem 64-seitigen Konzept offen ausgesprochen werde, wende sich die neue Strategie vor allem gegen die so genannten ALBA-Länder (u.a. Venezuela, Bolivien, Ecuador, Kuba). Die Regierungen der ALBA-Länder lehnten die von der EU angestrebten Freihandelsverträge ab, setzten verstärkt – auch im Energiesektor – auf staatliche Unternehmen und verhinderten die Privatisierung öffentlicher Güter, so Attac. Ecuador, Venezuela und Bolivien hätten in ihren durch Referenden verabschiedeten Verfassungen die Privatisierung von Wasser untersagt. In dem von Außenminister Guido Westerwelle vorgelegten Papier würden diese Länder als "populistische Demokratien" bezeichnet.
Das klingt nicht nach wirtschaftspolitischer Flexibilität oder der von Westerwelle versprochenen "gleichen Augenhöhe".
Es sei in diesem Zusammenhang abschließend kurz an den Madrider Gipfel erinnert, der die trübe Wirklichkeit der (offiziellen) Beziehungen recht deutlich abbildete. Die Zeit schrieb Mitte Mai 2010:
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso rief beide Seiten zu "großen Anstrengungen" auf, um die bisherigen Hürden für ein baldiges Freihandelsabkommen abzubauen. Das ist vor allem im Interesse Europas und auch Deutschlands. "Die internationale Finanzkrise, die Europa deutlich härter als Lateinamerika trifft, zwingt die EU förmlich dazu, sich in Lateinamerika neue Absatz- und Investitionsmärkte zu öffnen", sagt Jorge Fonseca, Wirtschaftsprofessor an der Complutense Universität in Madrid. Das haben auch Politiker in Brüssel und Berlin erkannt. Den meisten ist bewusst, dass der Gipfel in Madrid vielleicht die letzte Chance war, den Anschluss nicht zu verpassen. Während Europa in den vergangenen Jahren Lateinamerika wirtschaftspolitisch eher ignorierte, weiteten die USA und China ihre Aktivität zwischen Mexiko-City und Santiago de Chile deutlich aus. Im Jahr 2020 dürfte China die EU bereits als zweitgrößter Investor in der Region überholt haben.
Und zur Frage der "gleichen Augenhöhe" berichtete die Zeit:
Lateinamerika will ernst genommen werden. Aber geht das, wenn mit Italiens Silvio Berlusconi, Englands neuem Premier David Cameron und der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel gleich drei europäische Schwergewichte auf dem Gipfel fehlten? Frankreichs Nicolas Sarkozy schaute erst nach dem Familienfoto am Dienstag kurz für vier Stunden vorbei. Angela Merkel nahm am Montagabend zumindest am Eröffnungsabendessen teil, fuhr danach aber sofort wieder nach Berlin zurück, um beim Schnüren des Euro-Hilfspakets zu helfen. Das mag wichtig gewesen sein. Doch zumindest Außenminister Guido Westerwelle hätte nach Madrid reisen können.

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