Doch was dem Land bisher geschadet hat, weil die demokratischen Pflänzchen nur zart blühen und die Wirtschaft noch immer darniederliegt, könnte sich nun als Vorteil erweisen. Denn ohne jeden Zynismus muss man feststellen: Ein „gescheiterter Staat“ kann ausländischen Helfern keine Hindernisse in den Weg legen.Trotz einer erfreulich knappen und genauen Analyse einiger der Ursachen für die desolate Situation in Haiti, fantasiert auch die taz - von einem "Neustart für ein kaputtes Land". Ähnlich die FR:
In Haiti gibt es keine Islamisten, Haiti bedroht weder den Weltfrieden noch die Interessen der reichen Welt. Haitis endgültiges Scheitern würde erst mal "nur" die Haitianer treffen.Aber es würde was kosten, man hätte nix davon und müsste auch noch auf Gewinne verzichten. Solidarität findet in den internationalen Beziehungen nicht statt - bestenfalls Mildtätigkeit. Das sieht die ZEIT ähnlich und spricht von einem "bizarren Wettlauf um die Solidarität", weil Venezuela und Brasilien ebenfalls im "regionalen Machtpoker" mitspielen und schnell am strategisch wichtigen Katastrophenort sein wollen. Eigennützige Hilfe sei das.
Gerade das aber macht Haiti zum Testfall für den reichen Teil der Welt. Was wir in Afghanistan und anderswo so lautstark verkünden, das ließe sich hier vergleichsweise leicht verwirklichen: zu helfen, dass ein Land sich in Freiheit entfalten kann. Es würde viel weniger kosten als das, was der Norden an Ländern wie Haiti seit Jahrhunderten verdient.
Tatsächlich könnte die Hilfsaktion auch noch zu einer ganz anderen Form des "Neustarts" geraten: Ähnlich wie nach dem Tsunami muss damit gerechnet werden, dass die Aufräumarbeiten dazu genutzt werden, einmal mehr neoliberale Interessen in Haiti durchzusetzen. Im deutschen Sprachraum haben die Nachdenkseiten dieses Problem aufgegriffen. Disaster Capitalism nennt Naomi Klein das, und die ersten Freilandversuche fanden in Sri Lanka, dem Irak und auch in New Orleans statt.
Auch Spiegel online hebt nun die angeblichen Chancen der humanitären Mission in Haiti hervor.
AntwortenLöschenDie Rekolonialisierung Haitis - seit über 200 Jahren unabhängig - prognostiziert in erfreulicher Offenheit Spiegel Online. Nebenbei erfahren wir, dass Frankreich 150 europäische Polizisten entsenden will, weil es "noch nicht aufgegeben [hat], den eigenen Einfluss zu sichern". Die US-Amerikaner haben sich als erstes die Kontrolle über den Flughafen von Port au Prince gesichert - mit teilweise äußerst unangenehmen, ja skandalösen Nebenwirkungen.
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