Montag, 30. November 2009

Neoliberale Weihnacht


Wirtschaftswissenschaftler, Friedensnobelpreisträger und Grameenbank-Gründer Muhammad Yunus will nun auch Armen in den Industrieländern mit dem Konzept der Mikrokredite weiterhelfen. Spiegel.Online hält das für eine gute Idee. Daraus spricht wohl die Hoffnung, die Bettelei von den Straßen zu kriegen, ohne dass der Staat etwas dafür tun muss. Öffentlich oder gar staatlich organisierte Unterstützung? Solidarität? Gar Umverteilung? Fehlanzeige.

Auch Yunus ist in erster Linie ein in den USA ausgebildeter Ökonom. Und die gängigen Floskeln gehen ihm ganz locker von den Lippen:
Aber mit dem Arbeitslosengeld besteht kein Anreiz, neues Einkommen zu generieren. Im nächsten Monat kommt ja das nächste Gehalt. Das raubt den Menschen die Initiative.
Unternehmen sollen die Idee als "social business" unterstützen. Auch diese Idee zeigt Yunus' Unfähigkeit oder Unwillen, Gesellschaft als etwas zu denken, was über wirtschaftliche Aktivität hinausreicht. (Für Spiegel Online bietet sich ein willkommener Anlass ein paar Markennamen im Fließtext unterzubringen.)
Wenn alle Kinder Schuhe hätten, könnte man viele Krankheiten verhindern. Wenn [ein namhafter deutscher Schuhhersteller] mit der Idee erfolgreich ist, müssen auch die anderen nachziehen. Es entsteht eine neue Art von Wettbewerb. Der Wettbewerb, anderen Menschen zu helfen.
Ääähh, Wettbewerb? Ein ähnlicher Geist findet sich auch in dem Spiegel Online Beitrag über das Online-Spenden und entsprechendes Marketing durch Unternehmen ("corporate social responsibility"). Kein Wort von menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und dem Lohnniveau im "sozial verantwortlichen" Unternehmen oder Konzern. Das Wort beschreibt heute nur noch gezielt beworbene Wohltätigkeit (steuerlich absetzbar).

Auch das Schlusswort von Yunus im Interview atmet dieses krude Verständnis von Gesellschaft und dem Sozialen, dem menschlichem Miteinander. Und gleichzeitig macht es - wie schon das zweite Zitat - deutlich, warum er nicht den Nobelpreis für Wirtschaftswissenschaften erhalten hat:
Es gibt zwei Dinge in uns. Den Egoismus und die Selbstlosigkeit. Der selbstlose Teil in uns ist genauso stark wie der egoistische. Wir lassen das nur noch nicht zu. Die meisten Unternehmen handeln egoistisch. Aber warum kann man nicht auf der Basis von Selbstlosigkeit ein Unternehmen aufbauen? Anderen zu helfen, ist ein wundervolles Glück. Wir wollen den Kapitalismus nicht abschaffen, sondern vervollständigen.

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