Freitag, 18. Januar 2013

Presseumschau Mali

Nun, da der Krieg in Mali begonnen hat, ist es Zeit einmal in die Runde zu blicken und zu schauen,wie die KollegInnen sich zur - vorläufig - französischen Intervention stellen.


Beginnen wir mit einer dreisten Aufzählung von "Neun Gründen für einen [deutschen] Einsatz in Mali" bei n-tv (hat tip Nachdenkseiten). Darin heißt es unter anderem:
Wirtschaftliche Interessen: Bei den erfolgreichen Luftschlägen gegen die Gaddafi-treuen Truppen in Libyen musste die deutsche Rüstungsindustrie noch untätig zusehen, wie französische Militärs ihre neuesten Waffensysteme im Einsatz erproben konnten. Vor den Augen einer interessierten Fachöffentlichkeit verdiente sich zum Beispiel so der französische Kampfjet Dassault "Rafale" den wichtigen Status "gefechtserprobt". Das Flugzeug steht in direkter Konkurrenz zum "Eurofighter", an dem der deutsche Flugzeugbau in größerem Umfang beteiligt ist. Einsatzerfahrung zählt auf Rüstungsmessen als gewichtiges Verkaufsargument, an dem mitunter hunderte, wenn nicht sogar tausende Arbeitsplätze hängen können.
Politischer Einfluss: Auch in Mali gelten die Regeln internationaler Interventionen. Nur wer sich an der militärischen Eindämmung eines Konflikts beteiligt, erwirbt in der anschließenden Phase des Wiederaufbaus genügend Autorität, um bei der Gestaltung des wieder erstarkenden Staates mitreden zu dürfen.
"Blut für Militärexporte?" hatte MediaWatch schon 2009 einmal fragen müssen. Mehr Krieg fordert auch der Tagesspiegel in einem kaum noch nachvollziehbaren Text. Hier kritisiert man Frankreich und Deutschland als "Achse der Heuchler", weil beide Länder in Wirklichkeit keinen Krieg führen wollten. Denn Frankreichs "sehr begrenztes militärisches Engagement" könne "die Gefahren des militanten Islamismus in der afrikanischen Region [nicht] nachhaltig eindämmen", und Deutschland helfe de facto gar nicht. Folgte man dieser Logik, wäre Krieg wahrhaftiger, wenn er mit größerem Einsatz an Menschen und Material geführt würde.
Auch ein zweiter Autor des Berliner Blattes ist überzeugt, "Deutschland kann sich in Mali nicht heraushalten". Die Bundesregierung solle "schon aus eigenem Interesse darauf hinarbeiten, dass Deutschland – anders als im Fall Libyens – diesmal bei dem absehbaren internationalen Einsatz nicht abseits steht".

Welt Online ist überzeugt, dass es bei der Intervention in dem Sahelland um eine "Kernfrage der Geopolitik" geht. Die Zeit dränge, denn schließlich gehe es um die Frage "Wer wird die Erde erben". Und "kaum eine Kraft ist so unberechenbar wie der Islamismus". Sieht so eine geopolitische Analyse mit Niveau aus? Schwamm drüber, schließlich "verteidigt Frankreich in Mali auch westliche Werte". Das ist natürlich ein erstklassiger Grund für Luftangriffe.
Unter der Überschrift "Warum wir die Pflicht haben, Mali zu schützen" finden wir bei der FAZ kaum bessere Argumente für die Intervention: Schützen um der Schutzpflicht (r2p) willen und weil die Aufständischen es gewagt haben, einen französischen Kampfhubschrauber abzuschießen. Das macht sie zu "einer regelrechten Armee von Kriminellen". Immerhin findet sich hier auch ein informierter Verweis auf die westafrikanischen Dimensionen des militanten Islamismus: "Kampfzellen, die im westlichen Mauretanien und im östlichen Niger operieren" sowie "Boko Haram im Süden" (Nigeria). Ob Ansar Dine (wie von der FAZ unterstellt) jedoch tatsächich ein dauerhafter Zusammenschluss mit diesen Bewegungen vorschwebt, muss allerdings bezweifelt werden. Wie der Kollege in dem unten eingebundenen Interview-Video darlegt, dürfte eher das Gegenteil der Fall sein: Durch das Eingreifen der ehemaligen Kolonialmacht wird der Konflikt erst internationalisiert. Die Geiselnahme in Algerien (G-News) scheint diese Auffassung zu bestätigen.

Die Süddeutsche erklärt uns, "Warum Hollande einen Alleingang macht". Der Grund liege darin, dass die internationale Gemeinschaft mit der Intervention zu lange gewartet habe. Hollandes Entscheidung liege zwischen "Mut und Zumutung".


Die Frankfurter Rundschau (im Netz gibt es sie ja noch) steht dem Kriegseinsatz und einer deutschen Beteiligung daran ebenfalls wohlwollend gegenüber. "Die Intervention ist gut begründet", findet man hier und argumentiert, dass die Lage ein "Eingreifen" erzwinge. Der Marschbefehl sei das "geringste Übel", heißt es in einem anderen Beitrag.

Auch bei der taz ist man für den Krieg (1), (2), (3). Kritisiert wird vor allem, dass Frankreich ohne ausreichende internationale Koordination und zu spät in die Kampfhandlungen einsteigt. In einem Pro & Contra Beitrag begrüßt Katrin Gänsler die Angriffe, weil nun auch andere Länder in den "Zugzwang" gerieten, "sich an einem Einsatz in Westafrika zu beteiligen". Auch Deutschland sei hier gefordert. Andreas Zumach erinnert dagegen daran, dass die Ziele von Militärinterventionen "Stabilisierung, Frieden, Wiederaufbau, Demokratie Rechtsstaat, Menschen- und Frauenrechte" jedoch "in keinem einzigen Fall erreicht wurden". Zumach weiter:
Bei den jetzt von Frankreich bekämpften radikalislamischen Gruppierungen, die der gemäßigten, sufistisch-islamischen Bevölkerung Malis die Scharia aufzwingen, handelt es sich um Wahhabiten. Finanziert werden sie - ähnlich wie einst die Attentäter von 11./9. - vom Ölstaat Saudi-Arabien, dem wichtigsten Verbündeten des Westens im Nahen und Mittleren Osten.
Die Zweifel an der Tauglichkeit der militärischen Intervention in Mali zur Erreichung der proklamierten Ziele bestehen grundsätzlich - unabhängig davon, ob die Intervention allein von Frankreich geführt wird, oder von der EU, der Nato, der westafrikanischen Staatenallianz Ecowas oder einer UNO-Truppe.
Womit wir schließlich doch noch bei den kritischen Stimmen angelangt wären. Der WDR bietet zwei kritische Beiträge "Schwere Mission mit unkontrollierbarem Ausgang" und "Europäischer Militäreinsatz falsches Mittel gegen Organisierte Kriminalität". Das Neue Deutschland trägt die Widersinnigkeiten und zu erwartenden Probleme des Feldzugs sauber und in aller Kürze zusammen. In einem weiteren Text bedauert das Blatt, dass eine deutsche Beteiligung an Kriegen im Ausland mittlerweile zum "Normfall" geworden sei.
Nach etlichen Bundeswehreinsätzen ist die neue deutsche Militärpräsenz in aller Welt für manchen inzwischen offenbar so selbstverständlich, dass nicht die Kriegsteilnahme, sondern die Zurückhaltung als ungehöriger Ausnahmezustand gilt.
Dieser Feststellung schließt sich MediaWatch nach Durchsicht der oben besprochenen Texte an. Und diesen Eindruck bestätigen auch Kommentare in der ARD und beim ZDF. Die Umschau wurde mit n-tv begonnen - sie soll auch mit einem Interviev eines Kollegen (vom stern) bei dem Sender beschlossen werden, der die Notwendigkeit zu einer deutschen Beteiligung an dem Krieg scharf zurückweist:

Hervorzuheben wäre noch die erstaunliche Amnesie fast aller Befürworter der Intervention im Bezug auf die Tatsache, dass erst der Krieg in Lybien die Situation im Mali derart verschärft hat. Eine Ausnahme ist der Tagesspiegel, der in "Achse der Heuchler" suggerieren möchte, dass die Intervention in Libyen nicht entschieden genug durchgeführt wurde, wenn so viele Waffen in den Sahel gelangen konnten.

Seinen eigenen Einlassungen zu dem Thema hat MediaWatch derzeit wenig hinzuzufügen:
"Das alles wirkt wie die Zutaten zu einem perfekten Sturm, der sich aus stetig zerbröckelnder Staatlichkeit, Gewaltbereitschaft, Flüchtlingselend sowie einem erheblichen Zustrom von Waffen zusammenbraut. Westafrika hat üble Erfahrungen mit diesen zähen und blutigen Auseinandersetzungen machen müssen..."

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