Dienstag, 28. April 2009

Wirr mit neokolonialer Komponente

Rupert Neudeck hat einen Grundsatzartikel über Entwicklungshilfe verfasst, der in der Serie "Globalisierung - neu geordnet" des Rheinischen Merkur erschienen ist. Schon die Überschrift "Geschenkt ist noch zu teuer" soll zeigen: Hier wird jemand hart mit der Entwicklungspolitik in's Gericht gehen. Doch der große Rundumschlag misslingt heftigst. Schon im allerersten Satz vergleicht Neudeck Äpfel mit Birnen: "Die chinesische Expansion nach Afrika hat alles, was die europäisch-atlantische Entwicklungshilfe selten gewesen ist." Und so geht das munter weiter:

Der zweite Teiil wird mit der Behauptung eingeleitet, "Geldgeschenke und Überweisungen" hätten die Entwicklungshilfe "kaputt gemacht". Doch statt dies erst einmal zu belegen, wird unvermittelt auf "riesige Bataillone von Beratern, von Beobachtern, von Consultants" eingehauen.

Offensichtlich weiß Neudeck nicht, dass ein Vielfaches an Kapital von Süd nach Nord fließt wie umgekehrt. Und wenn er es weiß, interessieren ihn die Gründe dafür scheinbar nicht. Für ihn ist lediglich entscheidend, ob die Empfängerländer sich "aus dem Sumpf ziehen wollen". Hier feiert ein völlig unreflektierter Staatsbegriff fröhliche Urstände, und so kann es auch nicht verwundern, dass Neudeck im nächsten Absatz mangelnden Erfolgsdruck von Seiten der Geber als "Grundübel (...) in der Entwicklungspolitik, bei uns Entwicklungshelfern und in den Vereinten Nationen insgesamt" ausmacht.

Im Bezug auf sein Staatsverständnis bleibt Neudeck allerdings konsequent und fordert die Bundesrepublik auf, ihre Entwicklungszusammenarbeit auf wenige Länder zu beschränken - auf die dann im Gegenzug aber auch ein entsprechender Einfluss ausgeübt werden müsse:
Der Menschenrechtsbeauftragte des Auswärtigen Amtes, Günter Nooke, beschreibt sie so: „Entwicklungspolitik hat wie jede Politik, die ernst gemeint ist und erfolgreich sein will, mit Macht und Einflussnahme zu tun. Wer helfen will, muss Einfluss nehmen.“ Deshalb sollte die Regierung versuchen, mit nur wenigen Ländern sehr enge Beziehungen aufzunehmen.
Worauf diese Einflussnahme hinauslaufen soll, wird im Ersten der abschließenden "Zehn Vorschläge zur Besserung" definiert. Dort ist zu lesen:
- Das Europäische der Entwicklungspolitik in Afrika besteht in der Aufteilung des Kontinent und der Vermeidung unliebsamer Konkurrenz.
Wer nun denkt, 'Ok, die Entwicklungszusammenarbeit soll also uns Europäern nützen', wird enttäuscht, denn Hilfe an Ölförderländer (Sicherung von Ressourcen) lehnt Neudeck in Vorschlag Nr. 10 ebenso ab wie Budgethilfe (Einflussnahme) in Vorschlag Nummer 5.

Neudecks Vorstellung von der Zielsetzung der Entwicklungshilfe vor Ort sind mindestens ebenso wirr. Vorschlag Nr. 3 lautet:
- Die entscheidende Wegmarke ist die Wirtschaft. Jedes afrikanische Land muss begierig sein, sich eine industrielle Produktion und Großbaustellen zuzulegen, auf denen Tausende arbeiten können. Dafür muss es Kredite geben – abseits der üblichen Geldgeschenke.
In Vorschlag 9 ist dagegen zu lesen:
- Entwicklungspolitik in Prozent des Bruttoinlandsproduktes zu messen ist ebenso großer Unsinn wie (...)

Leider findet sich in dem Forderungskatalog aber auch eine Einlassung wie diese:
(..) So lässt sich die afrikanische Krankheit vermeiden: Afrikaner, die das Glück haben, eine weiterführende Schule zu besuchen, halten sich für unfähig, eines Tages wieder einen Hammer in die Hand zu nehmen und noch etwas weiter zu lernen. Das ist ein Grund, weshalb es die überwiegende Mehrheit der afrikanischen Botschafter und Diplomaten in Berlin für unter ihrer Würde hält, Deutsch zu lernen.
Neudeck mag mit der Cap Anamur Verdienste erworben haben, und sein Engagement in Gaza ist sympathisch. Doch wenn er nicht auf wesentlich fundiertere Überlegungen zurückgreifen kann, sollte er von derartigen Veröffentlichungen lieber ganz die Finger lassen.

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