Samstag, 27. November 2010

Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper

oder sind Infektionskrankheiten Schicksal?


Mitte des Jahres sorgte eine Studie der britischen Royal Society für Aufmerksamkeit. In ihr belegen Christopher Eppig und seine Kollegen Corey L. Fincher und Randy Thornhill, dass ein Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Intelligenz (kognitiven Fähigkeit) von Bevölkerungen und dem Druck besteht, der durch Infektionskrankheiten ausgeübt wird.

Knapp gesagt, leiden die kognitiven Fähigkeiten von Menschen besonders, wenn sie in jungen Jahren belastenden Infektionskrankheiten ausgesetzt sind. Das gilt vor allem dann, wenn es sich um Krankheiten des Verdauungstraktes handelt. Die Ressourcen, die der Körper dringend zum ungestörten Aufbau (physisch und psychisch) kognitiver Fähigkeiten gebraucht werden, werden durch Infektionskrankheiten aufgezehrt. Der Effekt ist doppelt schlimm, wenn zusätzlich die Nahrungsaufnahme gestört ist. Aber Mangelernährung allein konnte den Effekt (in diesem Modell) nicht erklären. Bestimmte Infektionskrankheiten etwa schädigen das Gehirn auch direkt.


Breitere Aufmerksamkeit fanden die Ergebnisse durch eine Veröffentlichung im Economist "Mens sana in corpore sano". Dort heißt es: "At the top of the list of countries with the highest average intelligence is Singapore, followed by South Korea. China and Japan tie in third place. These countries all have relatively low levels of disease. America, Britain and a number of European countries, follow behind the leaders." Und selbstverständlich verweist das britische Wirtschaftsmagazin auf den Zusammenhang zwischen kognitiven Leistungen und (wirstchaftlicher) Entwicklung.

Einen anderen Ton schlägt die in Pakistan erscheinende Dawn in einer Kolumne an: "Disease as destiny" lautet der Titel. Und dann geht es so weiter:
Pakistan has an average IQ of 84 and a disease burden of 3.94.  (...) But despite the clear evidence presented by Christopher Eppig and his colleagues, I doubt very much if policymakers will divert a penny from grandiose projects, obscene military budgets and their own pockets. (...) in Pakistan, while we have done well to eradicate malaria and polio, we have been unable or unwilling to provide large numbers of our people with clean, disease-free water. The elites drink bottled mineral water; the middle class boils its water; and the poor are forced to drink whatever polluted water they can get. (...) Fixing this one problem would pay incalculable dividends. However, our elites are too selfish to address it.
Einerseits sollte man meinen, dass  allein wegen der horrenden Opferzahlen mit aller zu Gebote stehenden Konsequenz gegen Infektionskrankheiten vorgegangen werden muss. Die Weltgesundheitsorganisation machte 2004 folgende Liste auf:
  • Durchfallerkrankungen: 2,2 Mio.
  • HIV-Aids: 2 Mio.
  • Tuberkulose: 1,5 Mio.
  • Neonatale Infektionen: 1,2 Mio.
  • Malaria: 900.000
Das sind alles vermeidbare Todesfälle.... Andererseits werfen die Ergebnisse von Eppig et al. ein zusätzliches Licht auf das Menschenrecht auf Gesundheit. Es geht nicht einfach nur ums nackte Überleben. Das Recht auf Gesundheit ist so betrachtet Voraussetzung für das Recht, die Persönlichkeit in vollem Umfang zu entfalten. Ohne soziale Menschenrechte bleiben auch die bürgerlichen Freiheitsrechte letzlich Illusion.

Wer sich für die Details aus der Untersuchung interessiert (etwa, wie die kognitiven Fähigkeiten ganzer Bevölkerungen definiert wurden), wissenschaftliches Englisch beherrscht und zumindest eine Ahnung von Wahrscheinlichkeitsrechnung hat, kann gerne einen Blick auf den Originaltext riskieren: "Parasite prevalence and the worldwide distribution of cognitive ability". Hat tip für den Hinweis geht an Ina Zeuch.

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