Dienstag, 13. Juli 2010

Alter Schwede!

Gute Ideen und mächtige visuelle statistische Tools hat der Schwede Hans Rosling entwickelt. Der Mediziner hat zudem eine tolle und humorvolle Art, die Dinge zu präsentieren.
Hier das erste Beispiel (von 2006):


Um die Anmerkungen unten nachvollziehen zu können, ist es sinnvoll (aber nicht unbedingt nötig), beide Videos anzugucken. Hier also noch eines von 2007:


Warum beschleicht den entwicklungspolitischen Fachmann trotz aller Detailkenntnisse Roslings das Gefühl weit reichender Unzulänglichkeiten bei den Präsentationen?

Nun, Rosling impliziert einerseits durch die Art seiner Darstellung eine quasi automatische Entwicklung von Gesellschaften hin zu mehr Geld (und besserer Gesundheit). Dadurch entsteht der Eindruck, man brauche die Dinge nur laufen zu lassen und 'alles wird gut'.
Doch das stimmt so nicht. Denn selbst wenn es eine soziokulturelle Evolution gäbe, schlösse sie ja all die gesellschaftlichen (Verteilungs)Kämpfe ein, ohne die eine moderne Gesellschaft nicht entstehen kann. Sie entließe die Individuen also keineswegs aus dem Imperativ eines gesellschaftspolitischen Engagements.
Darüber hinaus ist eine solche soziokulturelle Evolution keineswegs etwas Zwangsläufiges und schon gar nicht lineares. Das zeigen gerade Roslings Grafiken, und das zeigt Rosling selber an der Stelle, wo er über den CO2-Verbrauch spricht "weil man sich beklagt habe, ich schildere die Dinge zu positiv".

Und dieser Art Umgang mit den Fakten zeigt die eigentliche Schwäche der Argumentation von Rosling: Sie ist keine. Er erkennt zwar bestimmte  Momente an den Bewegungen der Objekte auf seinen abstrakten 'Karten': "Hier ist China, sehen Sie, Mao: Die Gesundheit wird besser, das Geld bleibt gleich. Und jetzt: Deng Xiao Ping. Die Gesundheit wird bleibt gleich, aber es gibt mehr Geld." Hallo?
Mauritius wiederum schneidet seiner Meinung bei Gesundheit und Einkommen so gut ab, "weil es als erster Staat in Afrika sämtliche Handelsschranken abgeschafft hat". Naja.

Zwar weiß Rosling genau um die erhebliche gesellschaftspolitische Aussagekraft von Gesundheitsindikatoren. Und er kann sie - etwa anhand von Toilettenfotos oder der eigenen Familiengeschichte - brilliant darstellen. Aber ihn interessiert weder, wie das sozialistische China die Gesundheit (Lebenserwartung) seiner Bevölkerung ohne rasch wachsende Wirtschaft verbessert hat, noch warum die US-Amerikaner im Vergleich zu Menschen in anderen, deutlich ärmeren Ländern wenig gesund sind.

Das 'Autorennen' der Staats-Kreise auf der Zeitachse in der Matrix ist dennoch extrem spannend. Welche Bedeutung solche Fragen haben, lässt sich etwa an der Aufregung von Duncan Green ablesen, wenn er seinen LeserInnen eine UN-Studie vorstellt, die "entgegen der konventionellen Weisheit" belegt, dass die Steigerung der durchschnittlichen Lebenserwartung und signifikante Verbesserungen des Bildungssystems auch ohne Wirtschaftswachstum möglich sind.

Gerade deshalb vielleicht ist ein Besuch von Roslings Website gapminder.org besonders zu empfehlen. Dort hat der Schwede die wichtigsten seiner Tools online gestellt oder für einen Download aufbereitet. Experimente mit diesen faszinierenden, im Wortsinne lebendigen Grafiken (flash-animiert) sind dringend zu empfehlen. Es gibt dort eine Menge zu entdecken

Der Dank für den Tipp geht an Thomas aus Berlin Moabit.

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