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Montag, 8. Juni 2015

"John and Jane" - ein Film von Ashim Ahluwalia aus einem Callcenter in Mumbai

Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch

Sie heißen Glen, Kitty oder Sydney und die Abteilungen ihrer Großraumbüros sind nach amerikanischen Großstädten benannt. Sie arbeiten nachts und schlafen tagsüber. Sechs Arbeiter in einem Mumbaier Callcenter werden von der Kamera von Ashim Ahluwalia bei ihrem Job und nach Hause begleitet. Sie fängt ihre schlafwandlerischen Bewegungen durch Mumbai ein, aus dem Off hört man sie sprechen oder sie stehen direkt vor der Kamera und erzählen in knappen Sätzen über ihr Leben, ihren Job, ihre Träume. Neben den fiktiven amerikanischen Namen steht auf ihren vom Callcenter geführten Karteikarten ihre jeweilige Blutgruppe, immerhin Fakt ihrer biologischen Herkunft - sonst nichts. Damit führt Ahluwalia sie ein.  Der Film ist bereits 2005 gedreht, aber wie so oft kommt man teils nur durch Zufall aus dem eurozentrischen Blickwinkel heraus und entdeckt so vieles erst Jahre später.   

'Kitty' 

Mittwoch, 28. Januar 2015

Überleben in Johannesburg: Ein Roman von Kgebetli Moele

Umschlag des Romans "Room 207" (Scan)
Ein Gastbeitrag
von Ina Zeuch

Johannesburg in den 90er Jahren: Zum ersten Mal nimmt die schwarze Mehrheit des Landes nach der Abschaffung des Apartheidsystems an der Wahl teil und wählt Nelson Mandela und die Partei des ANC an die Macht. Die weiße Minderheit befindet sich auf dem Rückzug. Das ehemals weiße Viertel Hillbrow wird von schwarzen Studenten und Migranten aus ganz Afrika 'erobert', die den Diktaturen ihres Landes entfliehen. Für alle ist dieses Viertel der Ort, wo man sein Glück sucht, um als gemachter Mann in die komfortableren Randbezirken der Stadt zu ziehen und ein Leben in Luxus zu genießen; mindestens aber zu einer geregelten, bürgerlichen Existenz zu kommen.

Das ist die Ausgangssituation von "Room 207" des südafrikanischen Autors Kgebetli Moele, der mit Unterstützung des National Arts Council of South Africa seinen ersten Roman veröffentlichte.
Das Appartment mit der Nummer 207 befindet sich in einem ehemaligen Hotel (mit einem Wachmann an der ehemaligen Rezeption) mitten in Hillbrow. Glückssucher und Bildungshungrige - schwarze Studenten, die endlich Zugang zu den Universitäten haben -  bescheren der einstmals schicken Residenz der Weißen einen Boom, die es binnen kürzester Zeit  zum dicht besiedeltsten Teil Joburgs - auch Sincity - anwachsen lässt.

Dienstag, 27. November 2012

Deutsch-Südwest - Der Albtraum als Kollage

Manchmal ist es ein Glück, etwas entdecken zu können, das man eigentlich längst schon kennen müsste. So etwa, wenn man unversehends auf den Roman "Morenga" von Uwe Timm stößt. Dieses bereits 1978 entstandene Werk beschreibt den Aufstand der Nama ("Hottentotten") gegen die deutschen Kolonialherren. (Anders, als in vielen Besprechungen dargestellt, spielt die Vernichtung der Herero kaum eine Rolle in dem Werk.)

Timm gelingt es in einzigartiger Weise offizielle Dokumente, zeitgenössische persönliche Aufzeichnungen, Reiseberichte, Presseveröffentlichungen mit ungezählten historischen Anekdoten, Details und militärischen Gegebenheiten und nicht zuletzt wundervoll phantastischer und manchmal sogar bösartiger Fabulierkunst zu einem hochbrisanten Cocktail zusammenzubrauen.

Ein wahrer Zoo neurotischer Kolonialisten tritt gegen eine feindliche Umwelt und gegen eine hochintellegente, feindlich gesonnene Bevölkerung an. Persönliche Motive der Eroberer, ihr Wille zu Macht und/oder Reichtum, werden in diesem Prozess oft gründlich zersetzt. Doch ob die Protagonisten klug, dumm, gläubig, überheblich, korrekt, nachlässig, gierig, verwirrt, verzweifelt oder verstört sind - immer wird die Brutalität und Sinnlosigkeit der kolonialen Unternehmungen sichtbar.

Mittwoch, 22. Februar 2012

"Die unbekannte Mitte der Welt"

Eine Buchbesprechung von Ina Zeuch


Der Autor Tamin Ansary wurde 1948 in Afghanistan geboren und hatte schon als Kind ein Faible für Geschichte. In seiner Einleitung erzählt er, wie ihm ein englischer Historiker bei seinem Afghanistan-Besuch eine „Die Geschichte der Menschheit“ schenkte. Ansary verschlang das Werk und machte sich so zunächst ganz unbedarft die westliche Sicht auf die Welt zu eigen. Bei seiner Migration in die USA stellt er fest, dass diese westliche Sicht, wie er sie als Kind vor Jahrzehnten kennengelernt hatte, in den amerikanischen Schulbüchern mit großer Selbstverständlichkeit als ganze Geschichte der Welt dargestellt wird. Diese Arroganz und nicht irgendeine religiöse Mission ist es, die Ansary veranlasste, seine Geschichte der Welt aus einem anderen Blickwinkel vorzulegen.

Donnerstag, 14. Juli 2011

Britisch bis zum Erbrechen oder vom
"Leben für den industriellen Gebrauch"


Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch

"Die Wandlungen des Pran Nath" dekliniert brilliant alle Spielarten des Rassismus anhand des Helden in Hari Kunzru's gleichnamigen Roman. Pran Nath wächst als Anglo-Inder im einem reichen vermutlich brahmanischen Haushalt in Agra auf - ein verwöhntes Söhnchen, dessen ungeklärte Vaterschaft nur seiner Mutter und der Dienerschaft bekannt ist. Sein Vater Pandit Razdan ist ein berühmter Strafverteidiger, pedantisch und reaktionär, mit einem Hang zum Rassismus - nur dass dieser sich diffus gegen die eigenen Leute wendet, gekleidet in eine allgemeine Weltverachtung, die oft in asketischen Ekel umschlägt. Trotz aller Reinlichkeitsrituale und Kontaktverweigerung wird er von der Spanischen Grippe dahingerafft. Noch in derselben Nacht wird Pran Nath - das schikanierte, verhasste Bastardgezücht - an die Luft gesetzt.

Montag, 3. Januar 2011

Entwicklungspolitischer Wiedergänger

Manchmal tauchen als erledigt abgelegte Arbeitsergebnisse als Wiedergänger unvermittelt wieder auf. Dann merkt man einmal mehr, dass bestimmte Bretter in den Bemühungen um eine minimal gerechtetere Weltwirtschaftsordnung wieder und wieder aufgebohrt werden müssen. (Vgl. Scan "Alles neu durch das MAI" unten im Text; zur Vergrößerung bitte anklicken.)

Einem solchen Brett - nämlich den langjährigen Bestrebungen der Europäischen Union, bestmögliche Investitionsbedingungen für ihre Unternehmen in Entwicklungs- und Schwellenländern durchzuboxen - hat Antje Schultheis sich umfassend und en detail gewidmet.

Sie beschäftigt sich in ihrer Dissertation "Politische Ökonomie internationaler Investitionsabkommen. Diskurs und Forum-Shifting der EU" mit der Frage welche Politik die Europäischen Union betrieben hat und betreibt, um das Thema Investitionsschutz trotz wiederholter politischer Niederlagen nicht nur auf der internationalen Agenda zu halten sondern mittlerweile sogar erfolgreich in den ersten Abkommen zu verankern.

Sonntag, 19. September 2010

Untersucht die Gesunden

Der Sammelband "Jugendliche in gewaltsamen Lebenswelten", herausgegeben von Sabine Kurtenbach Rüdiger Blumör und Sebastian Huhn erfrischt mit einigen Statements zu Jugendlichen und Jugendgangs, die gerne als gewaltbereit diffamiert werden, vielmehr aber mit einem Unmaß an struktureller Gewalt zurecht kommen müssen. Logischerweise führen die hier versammelten Studien und Aufsätze also auch zu der Frage, wie es kommt, dass so viel Jugendliche eben gerade nicht zu Gewalttätern werden, obwohl sie in äußerst bedrückenden Lebensumständen leben und nahezu chancenlos und diskriminiert aufwachsen - frei nach dem Motto: Untersucht die Gesunden.
Ein Gastbeitrag von Ina Zeuch.