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Freitag, 29. Mai 2020

Covid19-Splitter Mai 2020

USA: The New Humanitarian (vormals IRIN) hat unlängst mit einer schrägen Meldung aufgewartet. Demnach hat das Weiße Haus der US-Organisation für Internationale Entwicklung (USAID) untersagt, medizinische Masken und Handschuhe zu kaufen, um sie in der Entwicklungszusammenarbeit einzusetzen. Dazu ist scheints ab sofort eine besondere Genehmigung nötig. Eine ganz neue Variante von "America First" also. In der Meldung heißt es:
the effectiveness of USAID’s COVID-19 funding has been thrown into question. Supplies, which protect health and other frontline workers, for other operations – including Ebola control – could also be disrupted
Die zerstörerische Rolle der US-Regierung in der Weltgesundheitsorganisation (2) ist in der Mainstreampresse leider nicht ausreichend berücksichtigt worden, weil den Hobbystrategen der "Sieg" Chinas bei der diesjährigen Weltgesundheitsversammlung (WHA) (Welt, NZZ) und die Nebelkerzen um eine mögliche Herkunft des Virus wichtiger waren...
Zu Bedenken ist, dass die Ankündigung des chinesischen Präsidenten Xi Jingping vor der WHA, einen etwaigen Impfstoff aus dem Reich der Mitte (Ärzteblatt) allgemein zugänglich machen (Ärzteblatt), den Gewinnerwartungen hiesiger Pharmafirmen wohl im Wege stehen dürfte. MediaWatch prognostiziert denn auch jetzt schon, dass weder die Menschen in der Bundesrepublik - noch die Krankenkassen - in den Genuss eines solchen Impfstoffs kommen würden. 

Völlig verschwiegen wurde deutscher Sprache übrigens, dass die USA die Herausgabe neuer Sonderziehungsrechte (SDR) beim IWF blockieren, die jetzt vor allem für arme Länder wichtig wären (Foreign Policy, Al Jazeera, Telegraph).

Arbeit: Dass nach Schätzungen der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) weltweit 1,6 Milliarden (meist im informellen Sektor tätige) Menschen durch Covid19 - zumindest für einen gefährlich langen Zeitraum - von Arbeitslosigkeit bedroht sind, kann man bei Telepolis nachlesen. Die Meldung hat erfreulicherweise die Runde gemacht. Es geht vielleicht um jedeR zweite ArbeitnehmerIn auf dem Planeten. Die ILO bietet dazu auch eine Pressemitteilung auf Deutsch.

Hunger: Die Anzeichen mehren sich, dass im Gefolge der Covid19-Krise erheblich mehr Menschen hungern werden als sowieso schon. Das Welternährungsprogramm bittet um Spenden.

Wirtschaft: Dafür, dass die roten und grünen Ideen nach der Covid-19 Krise nicht ins Kraut schießen, werden hervorragend bezahlte Anwaltskanzleien sorgen. Über die Schiedsgerichte für internationale Investitionsabkommen bereiten sie jetzt schon Klagen gegen Staaten vor, die die Interessen der großen Konzerne in der Krise möglicherweise nicht hinreichend bedient haben. Der ORF hat die Story,  Corporate Europe wartet mit der zugrunde liegenden Analyse auf.
Fun Fact: Schon während des "Arabischen Frühlings" hatte es eine ähnliche Prozesswelle gegeben.
MediaWatch schließt sich der Forderung von Corporate Europe an: "Get out of the treaties before it is too late". Es muss irgendwann auch mal Schluss sein mit Freibier für die Oberen Zehntausend....

Sonntag, 19. Mai 2019

Konstruktive Kritiken der aktuellen politischen Ökonomie

Globale Währung? In der Tradition von Keynes fordert Antonio Ocampo, die Sonderziehungsrechte des Internationalen Währungsfonds zu einer echten Weltwährung weiterzuentwickeln.
In the long term, the amount issued must be related to the demand for foreign-exchange reserves. Various economists and the IMF itself have estimated that the Fund could issue $200-300 billion in SDRs per year. Moreover, this would spread the financial benefits (seigniorage) of issuing the global currency across all countries. At present, these benefits accrue only to issuers of national or regional currencies that are used internationally – particularly the US dollar and the euro.
More active use of SDRs would also make the international monetary system more independent of US monetary policy. One of the major problems of the global monetary system is that the policy objectives of the US, as the issuer of the world’s main reserve currency, are not always consistent with overall stability in the system.
Steuern: Auf die Frage, wie die Staaten es hinbekommen könnten, alle Unternehmen substanziell zu besteuern gibt es unterschiedliche Antworten. Antonio Ocampo schlägt vor, das "Base Erosion an Profit Shifting" (BEPS)-Projekt der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung , das seit 2012 läuft, endlich umzusetzen. Unilaterale Steuerpolitik habe keine Zukunft.
Joseph Stiglitz mahnt - über die Vorschläge der OECD hinausgehend -, wie wichtig es ist, nicht nur polit-technische Lösungen innerhalb der OECD zu finden, sondern auch die Interessen der Entwicklungsländer zu berücksichtigen.
The OECD/G20 initiative refers to its efforts as providing an “inclusive framework.” Such a framework must be guided by principles, not just politics. If the goal is genuine inclusiveness, the top priority must be the wellbeing of the more than 6 billion people living in developing countries and emerging markets.
Handelskrieg: "Washington Plays Monopoly, Beijing Plays Go", lautet eine erhellende Schlagzeile in der Asia Times. Der Analyse ist zwar nur teilweise zuzustimmen, sie enthält aber Fakten, die in unserer Infolandschaft weitgehend ignoriert werden. Dani Rodrik entwirft sehr spannend eine - polititökonomisch begründete - Möglichkeit zur "Peaceful Coexistence 2.0" (unbedingt lesen):
Peaceful coexistence would require that US and China allow each other greater policy space, with international economic integration yielding priority to domestic economic and social objectives in both countries (as well as in others). China would have a free hand to conduct its industrial policies and financial regulations, in order to build a market economy with distinctive Chinese characteristics. The US would be free to protect its labor markets from social dumping and to exercise greater oversight over Chinese investments that threaten technological or national security objectives.
Entwicklung: Eine nüchterne Bewertung chinesischer Wirtschaftsaktivitäten in Afrika hat die Junge Welt vorgenommen.
Dass Rücküberweisungen (remittances) von MigrantInnen in ihre Herkunftsländer keinewegs Entwicklung (sondern fast nur Konsum) befördern, belegen die Nachdenkseiten. In Haiti machen Rücküberweisungen etwa 29 Prozent des Bruttonationaleinkommens(!) aus. Mit diesem extremen Wert liegt das ärmste Land des amerikanischen Doppelkontinents aber immer noch hinter Tonga, Kirgistan und Tadschikistan (und vor Nepal, Liberia, den Komoren und Gambia) - alles keine leuchtenden Beispiele gelingender wirtschaftlicher oder sozialer Enwicklung.

Donnerstag, 11. Juni 2009

Sonderziehungsrechte, Ölrubel und Panda Bonds

Die Diskussion um die Möglichkeit, die Sonderziehungsrechte des IWF zur neuen Weltwährung zu machen, hält an (FTD, 1, 2). Dabei stehen die BRIC-Staaten (Brasilien, China, Indien und Russland) alle vor dem Problem, dass der Wert des Dollars verfallen könnte (grundlegend Telepolis - wenn auch mit schlechter Überschrift, sehr deutlich Xinhua).

Um unabhängiger vom Dollar - und damit von der US-Finanzpolitik - zu werden, verfolgen die BRIC-Länder - gleichzeitig, aber (noch) nicht koordniert - eine mehrgleisige Strategie:

Einerseits koppeln sie ihre Forex-Reserven schrittweise vom US-Dollar ab. Zu diesem Zweck kaufen sie derzeit auch verstärkt IWF-Anleihen.

Zum anderen versuchen sie, ihre eigenen Währungen als attraktive 'save havens' schmackhaft zu machen und schüren die Diskussion um das Ende des US-Dollars als Leit und Reservewährung nach Kräften. So hat Russlands Präsident Dmitri Medwedew noch einmal die Entschlossenheit Russlands bekräftigt, die eigenen Energieexporte künftig nach Möglichkeit in Rubel abzuwickeln.

Die Chinesen haben gerade einen ganz ähnlichen Versuchsballon gestartet: Guo Shuqing, der Vorsitzende der staatlichen China Construction Bank und ehemals Chef der staatlichen chinesischen Forex-Verwaltung hat vorgeschlagen, dass die USA und die Weltbank künftig Anleihen in Renminbi herausgeben sollen (sogenannte 'Panda Bonds'). Warum, wird hier erklärt.

Noch beäugt die Wall Street diese Entwicklungen gelassen. Dass man sich hier noch keine tiefgriefenden Änderungen oder gar eine Regulation des Weltfinanzsystems vorstellen kann, zeigt unter anderem dieses Argument von Randall W. Forsyth in BARRONS:
Moreover, the use of SDR investments is a tacit admission that no real substitute has been found for the dollar. The euro has gained market share in international reserves, although the yen has not made significant inroads.
Doch auch hier macht sich die Einsicht breit, dass eine langfristige Verschiebung der finanzpolitischen Kräfteverhältnisse vonstatten geht:
This proposed move to SDR-based IMF bonds by the BRIC countries is one more step away from the dollar-centric system (...). The world, in essence, is cutting America's credit line.

Dienstag, 7. April 2009

G20 is not going Chinese. Eine kleine Nachlese

Fundstücke IV enthielt bereits den Hinweis, dass China mehr Kooperation im Internationalen Währungsfonds wünscht und gerne dessen Sonderziehungsrechte als Leitwährung etabliert sähe. Leider wurde dies im Westen vor allem als Angriff auf den US-Dollar interpretiert. Nach dem Gipfel in London konnten die Chinesen ihren Anteil an Kapital des IWF um 40 Milliarden US-Dollar substanziell erhöhen wie Xinhua mit einem gewissen Stolz vermerkt. Diese Tatsache wurde im Westen kaum beachtet - wohl weil die Einzahlung die chinesischen Stimmanteile lediglich von rund 3,8 auf knapp 4 Prozent erhöht. (Zum Vergleich: Die USA halten 17 Prozent.) Dass der chinesische Vorschlag wirtschaftspolitisch klug ist, scheint sich bisher nur in der Fachwelt herumzusprechen.

Die Stiglitz Komission für Finanzreformen etwa dachte in einem kürzlich erschienen Papier darüber nach, dass "(...) a new Global Reserve System —what may be viewed as a greatly expanded SDR, with regular or cyclically adjusted emissions calibrated to the size of reserve accumulations— could contribute to global stability, economic strength, and global equity". Doch die SZR wurden lediglich um 250 Milliarden US-Dollar aufgestockt, was sich angesichts der kommenden Anforderungen als zu wenig erweisen könnte.

Neben anderen Faktoren wie Konditionalität und Stimmrechtsverteilung veranlasst genau diese Zögerlichkeit den angesehenen Ökonomen Dani Rodrik, zu bezweifeln, ob der IWF denn zukünftig noch in letzter Instanz als Kreditgeber (lender of last resort) auftreten könne. Denn genau dies hält Rodrik für eine der Grundvoraussetzungen, die erfüllt sein müssten, um eine internationale Regulierung der Finanzmärkte zu ermöglichen. Da dieser Fall Rodriks Meinung nach jedoch nicht eintreten wird, plädiert der Havard-Professor im Economist dafür, dass sich die Staaten auf nationaler Ebene um ihre finanzpolitischen Hausaufgaben bemühen.

Und nun entbrennt um die Aufstockung der IWF-Mittel ein Streit, der die Interessenlagen der Beteiligten ziemlich genau widerspiegelt. So liest man etwa im Handelsblatt:
"Um Forderungen der Amerikaner und der Briten nach neuen Konjunkturprogrammen nicht nachgeben zu müssen, sei Deutschland gezwungen gewesen, der Verlagerung der angestrebten globalen Nachfragestimulierung auf die multilaterale Schiene zuzustimmen, verlautet aus Berliner Regierungskreisen."
Einen guten Überblick über die Dissonanzen bietet Reuters. Aus dem oben zitierten Handelsblatt-Artikel geht allerdings auch hervor, dass den beschlossenen Erhöhungen die Taten erst noch folgen müssen:
Wenn die Gouverneure des IWF zu 85 Prozent der Stimmen der SZR-Erhöhung zustimmen, kann sie wirksam werden. (...) In den USA ist die letzte Zuteilung noch nicht durch den Kongress gegangen. Sie war 1998 genehmigt worden, damit neue IWF-Mitglieder, vor allem aus den Transformationsländern, mit SZR ausgestattet werden könnten. In den USA soll jetzt beides zusammen ratifiziert werden. Die noch ausstehende "Gerechtigkeitszuteilung" von 1998 beläuft sich auf rund 30 Mrd. Dollar, so dass die SZR insgesamt um 280 Mrd. Dollar erhöht würden.
Die USA wird ihre Verpflichtungen jetzt sicher erfüllen. Vom Kooperationsvorschlag der Chinesen wird dennoch wenig übrig bleiben: Die Aufstockung der SZR dient den angesächsischen Ländern lediglich zur weiteren Ausdehnung der weltweiten Geldmenge. Von einer echten internationalen Kooperation in der Finanzpolitik ist die Welt heute vielleicht weiter entfernt als jemals zuvor.

Daraus folgt: Bundeskanzlerin Angela Merkel wird ihre diesbezüglichen Wahlkampf-Phantastereien wieder in der Mottenkiste deponieren müssen, wenn die Union auch in der nächsten Legislaturperiode wenigstens den Anschein wahren will, wirtschafts- und finanzpolitisch kompetent zu sein. Denn irgendwann wird auch dem Letzten klar werden, dass die Bundesregierung die nötigen und möglichen Schritte zur Regulierung der Finanzmärkte derzeit nicht nur unterlässt, sondern die Krise durch ihre bisherige Deregulierungspolitik (die freilich schon in den rot-grünen Zeiten begann) noch befördert hat. Seine Hausaufgaben kann und muss man immer machen - erst recht, wenn eine internationale Koordination misslingt.