Dienstag, 14. Juli 2015

"Substanzielle Reduzierung illegaler Finanzströme" erst 2030

Die Industrieländer wollen lieber die Deutungshoheit über das sensible Thema Steuern - und deren Vermeidung und Hinterziehung -  behalten. Entsprechend haben sie sich auf der Dritten Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung (Financing for Development, FFD) in Addis Abeba (Äthiopien) positioniert

Nach ihrem Willen soll der Gegenstand künftig in der Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) verhandelt werden. EurAktiv hält das Thema sogar für den wichtigsten Aspekt der Konferenz, schreibt dann aber etwas kryptisch:
Doch die wohlhabenderen Länder sind sich uneins, wie sie mit der Situation in den Entwicklungsländern am besten umgehen sollen. Die Schaffung eines internationalen Gremiums zur Steuerhinterziehung genießt breite Unterstützung. Die internationale Gemeinschaft kann sich aber nicht darauf verständigen, ob sie den Vereinten Nationen oder der OECD die dafür notwendigen Kompetenzen einräumen soll. (...)
Doch die Entwicklungsländer befürchten, dass die OECD-Mitgliedsstaaten die Agenda in einem solchen Forum dominieren würden.
Deutlicher werden die KollegInnen beim Guardian. In dem insgesamt sehr informativen Stück heißt es zu diesem Aspekt:
The UK joined the US and several other wealthy countries at the UN financing for development conference in Addis Ababa in a manoeuvre to limit discussions on tax policy at the UN, arguing that the Organisation for Economic Cooperation and Development (OECD) was taking the lead on tax issues.
Erwartet worden waren laut EurAktiv Beschlüsse zur Schaffung "von Instrumenten für die Bekämpfung der illegalen Finanzströme", zu denen ja auch hinterzogene Steuergelder gehören. Doch schon zur Frage der Unternehmenstransparenz "insbesondere im Hinblick auf den öffentlichen Zugang zu Informationen über die (...) Eigentümer von Unternehmen und auf die nach Ländern aufgegliederte Berichterstattung von Unternehmenstätigkeiten" gab es keine Einigung.

Das Abschlussdokument der Dritten UN-Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung fällt in allen wichtigen Steuerfragen denn auch recht schwammig aus und ergeht sich in wohlfeilen Willensbekundungen (vgl. die Paragrafen 22-30). So will man die "substanzielle Reduzierung illegaler Finanzströme" erst 2030 erreichen. Damit sind die Entwicklungen, die MediaWatch vor zwei Jahren aufgegriffen hatte, bis auf weiteres auf Eis gelegt.

Durch Steuerhinterziehung verlieren Entwicklungsländer schätzungsweise etwa 100 Milliarden Euro pro Jahr. Das beschneidet die Handlungsmöglichkeiten gerade der Länder, die ohnehin ein niedriges Steueraufkommen haben. Das gilt nicht nur absolut (geringes Bruttoinlandsprodukt (BIP) = geringe Steuereinnahmen) sondern auch prozentual. Denn in Entwicklungsländern macht das Steueraufkommen in der Regel nur 10 bis 20 Prozent des BIP aus. In den Industrieländern lag dieser Wert (zumindest früher) dagegen bei 30 bis 40 Prozent. Zum Vergleich hier eine Grafik mit den Staatsquoten wichtiger Industrie- und Schwellenländer und eine weitere für Deutschland. (Achtung: Die Staatsquote bezeichnet die Staatsausgaben - die sich außer aus Steuern auch aus Krediten speist.)

P.S.: Die Bedeutung von Steuereinnahmen für Entwicklung und Entwicklungsländer zeigt José Antonio Ocampo, ehemals UN Unter-Generalsekretär für Wirtschaftliche und Soziale Fragen und Finanzminister Kolumbiens im FFD3-Blog auf. Er betont, dass schon die Erreichung der Millennium-Entwicklungsziele zu zwei Dritteln aus Steuernmitteln finanziert worden ist und nur zu einem Sechstel aus Entwicklunghilfe-Geldern.

P.P.S.: Das Thema Steuereinnahmen ist auch wichtig, weil aggressive Steuersenkungspolitiken oft dazu dienen sollen, ausländische Direktinvestitionen anzuziehen. Um diesen Zusammenhang und die Möglichkeiten, die Besteuerung von Multinationalen Unternehmen zu harmonisieren und fairer zu gestalten, dreht sich ein Beitrag von Dr. Mukhisa Kituyi, dem Generalsekretär der UN-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD).

1 Kommentar: