Montag, 21. Januar 2013

MediaWatch wettet gegen den BND

Spiegel Online hat einen längeren Bericht im Angebot, in dem ausführlich über eine Analyse des BND zum Wandel der Geopolitik eingegangen wird, wenn die USA sich mittels Fracking künftig selber mit Energie versorgen. Da das Papier leider vertraulich ist, müssen wir uns auf den Text von SPON stützen. Demnach meinen die Schlapphüte:
Die USA hätten sich bisher politisch und militärisch deshalb so massiv im Nahen und Mittleren Osten engagiert, weil sie von den dortigen Energielieferungen abhängig gewesen seien. Bald könnten die Vereinigten Staaten aber komplett auf Lieferungen aus der Region verzichten (...). Damit werde "die außen- und sicherheitspolitische Handlungsfreiheit" für die Regierung in Washington erheblich zunehmen. Unter anderem verliere die von Iran angedrohte Sperrung der Straße von Hormus deshalb für die Amerikaner an Schrecken, weil die Versorgung des Landes künftig nicht mehr von Lieferungen der arabischen Staaten abhängig sei.
Heißt das, die Amerikaner könnten dann endlich einen Krieg gegen den Iran anzetteln, weil ihnen das Öl jetzt egal ist und sie sich weniger Sorgen um ihre Energieversorgung machen müssen?
Richtig ist doch eher das Gegenteil: Die Amerikaner verlieren das Interesse an der Region, was vor allem Israel das Leben schwerer machen dürfte.
Der BND erwartet auch, dass sich als Folge der Eigenproduktion von Öl und Gas die Wettbewerbsfähigkeit der zuletzt angeschlagenen US-Wirtschaft wieder verbessern wird. Bis zum Jahr 2020 wird in den Vereinigten Staaten mit rund drei Millionen neuen Arbeitsplätzen gerechnet, auch deshalb weil Strom deutlich günstiger werde (...). Für energieintensive Unternehmen werden die USA deshalb als Standort attraktiv.
Dagegen ist einzuwenden, dass die industrielle Basis der USA schrumpft. Der ungehemmte Verbrauch von nicht erneuerbaren Rohstoffen bietet kaum Anreize zu Innovationen und zum dringend nötigen industriellen Umbau - hin zu mehr Energieeffizienz sowie intelligenterer Produktion und Konsum. Auch eine Wiederinstandsetzung der maroden US-Infrastruktur ist überfällig. Die Nachdenkseiten formulieren das so:
Jenseits der Frage nach Schäden für Mensch und Umwelt, wäre der Schritt in eine Ökonomie, die sich vornehmlich auf natürliche Ressourcen stützt, ein Rückschritt für die wirtschaftliche Entwicklung der USA. Fast alle Volkswirtschaften, die sich allzu sehr auf den Rohstoffsektor verlassen haben, haben die originäre Industrialisierung im Dienste der Gesamtwirtschaft vernachlässigt. Für ein Land, das sich bereits im Deindustrialisierungsprozess befindet, ist dieser Anreiz besonders groß.
Und dass ein Fracking-Energieboom keineswegs massenweise Arbeitsplätze schafft, hat der Lieblingsökonom dieses Blogs, Paul Krugman, schon längst dargelegt und empirisch untermauert (1), (2). Laut WSJ werden die USA auch 2025 täglich (!) immer noch vier Mio. Barrel Erdöl importieren müssen. Doch sehen wir, wie die Slapphüte weiter argumentieren. SPON schreibt: 
Großer Verlierer der Entwicklung könnte dagegen China sein, prognostiziert die Studie. Denn das Land werde mit seinem ungebremsten, wachsenden Rohstoffbedarf künftig die Hälfte des arabischen Öls abnehmen. Damit aber nehme die Abhängigkeit von der Golfregion in einer Zeit zu, in der China noch nicht über genügend militärische Mittel verfüge, die für sie wichtigen Transportwege auch zu schützen. Bisher, so schreiben die Autoren, sicherten vor allem die Milliardeninvestitionen der USA in ihre weltweit agierende Flotte die Sicherheit und Freiheit der Handelswege.
Naja. Die Chinesen kaufen bestimmt lieber russisches Öl als arabisches - auch, da Peking muslimische Minderheiten zu schaffen machen. Und da der Westen das (New) Great Game zumindest teilweise verloren hat, steht dem Energieimport vom nördlichen Nachbarn technisch wenig im Wege. Zudem nimmt der Staat in China seine Rolle als Stichwortgeber der Wirtschaft ernst - zum Beispiel, wenn es um erneuerbare Energien und Infrastruktur geht. 
Weitere Verlierer durch die Entwicklung der Schiefergas-Technologie und die Erschließung neuer Ölvorkommen seien etwa die Opec-Länder und vor allem Russland.
Wunschdenken Kalter Krieger. Die Russen werden sicher besseres zu tun haben, als sich Sorgen darüber zu machen, woher die Amerikaner ihre Energie beziehen. Auch, wenn die Zahlen jetzt noch nicht überwältigend sind: Russland wird, falls die Nachfrage aus China nicht reicht, gegebenenfalls Energie und Rohstoffe an Indien verkaufen. 2030 werden dort 1.500 Millionen Menschen leben und die wirtschaftliche Entwicklung ganz Südasiens (und großer Teile Südostasiens) steht erst am Anfang. 2010 machten Erdöl und Ölprodukte 22 Prozent (!) der indischen Importe in Höhe von knapp 250 Mrd. US-Dollar aus.

Ob sich die erdölexportierenden Staaten im Nahen und Mittleren Osten dann nach der Decke werden strecken müssen, steht in den Sternen. Das Schicksal des Nahen und Mittleren Ostens wird wohl auch davon abhängen, wie der Energieverbrauch und -versorgung der EU sich entwickeln.

Der BND hat mit diesem holzschnittartigen, ideologisch eng geführten und nach möglichen militärischen Konfrontationen schielenden Papier ein Eigentor geschossen. Darauf wettet MediaWatch. Dabei hätte die Behörde derzeit wahrhaft Wichteres zu tun, als zweitklassige Analysen zu verbreiten, die selbst offensichtliche Megatrends (z.B. "asiatisches Jahrhundert" oder "Energiewende") ignorieren.  Das meiste ist scheinbar ohnehin bei der Internationalen Energieagentur abgeschrieben. Da hätte es auch eine Übersetzung aus dem stockkonservativen WSJ getan.

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