Sonntag, 15. April 2012

"Den Geist zurück in die Flasche stopfen"

Können Politik und Regierungen Ungleichheiten bei den Einkommen der BürgerInnen mindern, ohne dabei die Wirtschaft an die Wand zu fahren?

Paul Krugman lesen, macht oft Freude und der Post "Putting the Gini Back into the Bottle"  enttäuscht die durch das schöne Wortspiel geweckten Erwartungen keineswegs. Deshalb bietet MediaWatch hier eine deutschsprachige Aufbereitung. Die erste Grafik zeigt die Entwicklung des Gini-Indexes* für die Haushaltseinkommen in Lateinamerika während der letzten dreißig Jahre, wobei dieser Zeitraum in drei Phasen eingeteilt ist: "Washington Konsensus und Verlorenes Jahrzehnt", "Erweiterter Washington Konsensus" und "Neue Politikansätze".
Klar - die Ungleichheit ist mit etwa 0,5 immer noch sehr hoch. (Zum Vergleich: In Deutschland lag der Gini-Koeffizient 2007 bei 0,283.) Dennoch sind die Fortschritt der letzten Jahre unübersehbar.

Doch Krugman wäre nicht Krugman, wenn er nicht noch weitere aufschlussreiche Argumente für ein Umdenken in der Makroökonomie parat hätte. Es zeigt sich nämlich, dass die gerechtere Einkommensverteilung nirgendwo mit exorbitanter Staatsverschuldung erkauft wurde. Populistische Regierungen (dunkelblaue Balken, z.B. Venezuela) weisen eine spürbare Inflation auf. Aber in Bezug auf die Außenhandelsbilanz und und das Wirtschaftswachstum stehen die Populisten und die Sozialdemokraten (lila Balken, z.B. Brasilien) besser da als nicht-linke Regierungen (non-LOC; left of Center, hellbeige Balken, z.B. Peru und Kolumbien) in Lateinamerika.**

Dem Posting liegt eine Studie der Universität der Vereinten Nationen zugrunde.

Und Krugman hat Recht: Da gibt's wahrscheinlich noch viel Forschungsrabeit und es ist nicht sicher, dass sich das alles ohne weiteres auf entwickelter Länder übertragen lässt. Aber dennoch täte Europa - gerade angesichts der gnadenlosen Austritätspolitik im Zusammenhang mit der "Euro"-Krise - eine vorurteilsfreie Diskussion um Möglichkeiten einer erfolgreichen Wirtschaftspolitik die Allen zugute kommt, sicher gut.

* Der Gini-Index gilt als zuverlässiges Maß für die Einkommensverteilung in einer Gesellschaft. Zeigt er den Wert 0, verdienen alle in einem Wirtschaftsraum exakt gleich viel. Liegt er dagegen bei 1 streicht eine einzige Person sämtliches Einkommen alleine ein.
** Als LOC (also lila und blaue Balken) gelten Argentinien, Brasilien, Chile, Costa Rica, Ecuador, Panama, Uruguay und Venezuela, http://www2.unicef.org/socialpolicy/files/Postscript_Formatted_Policies_for_reducing_income_inequality.pdf.

2 Kommentare:

  1. "Wer einen Fehler gemacht hat und ihn nicht korrigiert, begeht einen zweiten."

    Konfuzius

    Der Fehler "Europäische Währungsunion" entstand aus dem Gedanken, "dass Staaten, die eine gemeinsame Währung haben, nie Krieg gegeneinander führen". Dieser Gedanke war schon der zweite Fehler; der erste Fehler bestand darin, sich gar nicht bewusst gemacht zu haben, was eine Währung ist und woraus Kriege entstehen. Wäre man sich dessen bewusst gewesen, hätte man zuerst die nationalen "Währungen" in echte Währungen (konstruktiv umlaufgesicherte Indexwährungen) umgewandelt, die nationalen Bodenrechtsordnungen korrigiert und den zollfreien Handel (Freihandel) zwischen den europäischen Staaten eingeführt. Der dauerhafte Frieden wäre dadurch bereits gesichert gewesen:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/04/krieg-oder-frieden.html

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    1. Ich denke, dass die Währungsunion hauptsächlich geschaffen wurde, um Wechselkursrisiken im innereuropäischen Handel abzuschaffen. Die entstandenen Spielräume hat die deutsche Wirtschaft bei gleichzeitigem Lohnduping denn ja auch zum Export genutzt. Ihre Sprengkraft erhalten fortdauernden wirtschaftlichen Ungleichgewichte innerhalb des Euro-Raumes weil die Handelspartner mit Exportdefiziten nicht mehr abwerten können.

      In obigem Posting geht es jedoch keineswegs um die Währungsunion, sondern vielmehr um die Frage, 'Können Politik und Regierungen Einkommensungleichheiten mindern, ohne dabei die Wirtschaft an die Wand zu fahren?'. Der Hinweis auf Europa dient vor allem dazu, darauf hinzuweisen, dass die Austeritätspolitik nicht nur im Rahmen des Washington Konsensus versagt hat. Die empirischen Belege werden immer zahlreicher und es fragt sich, wann Politik und WirtschaftswissenschaftlerInnen beginnen, umzudenken.

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