Donnerstag, 15. März 2012

Energiesubventionen für die Ärmsten?

"In den Entwicklungsländern müssen wir Subventionen für fossile Energieträger abbauen." (FR-Online, Hervorhebung die Red.) "Im Jahr 2010 wurden weltweit 409 Milliarden Dollar an Subventionen für fossile Energieträger aufgebracht", klagen die Autoren. Das waren 110 Milliarden mehr als noch 2009.


Und wie viel davon wird in "den Entwicklungsländern" aufgewandt? Dafür muss man erst in die Pressemitteilung der Internationalen Energieagentur (IEA) gucken. Dort heißt es: "Overall, the support to fossil-fuel production and consumption in OECD countries was USD 45 – 75 billion annually during the 2005 – 2010 period". Nun gut. Weiter heißt es:
"Für die Mobilisierung der erforderlichen Mittel in den Entwicklungs- und Schwellenländern muss der Abbau von Subventionen auf fossile Energieträger ein erster Schritt in Richtung „nachhaltige Energie für alle“ sein."
Na klar, stimmt. 'Außerdem können die sich so etwas eh nicht leisten', denkt man. Als nächstes aber bringen die Autoren einen Verweis auf eine Selbstverpflichtung der G20, die Subventionen für fossile Energieträger abzubauen. Und nun wird langsam klar, wohin die Reise geht. Eine interaktive Karte der IEA (Tabelle, PDF) ergibt ein recht genaues Bild.

Danach subventionieren vor allem Ölförderstaaten fossile Energieträger; auch Angola und Nigeria. Mit von der Partie sind zudem eine Reihe Schwellenländer (Südafrika, Russland, Ukraine, Indien, Indonesien, Thailand, Philippinen, Vietnam sowie Mexiko, Argentinien und Ecuador sowie - allen voran - Venezuela). Nur Pakistan und Bangladesch zählen nicht in diese Gruppe. Genannt wurden hier nur solche Staaten, die laut IEA mehr als fünf Prozent der Energiekosten aufzufangen suchen.

Damit aber wird ein zentrales Glied der Beweisführung im FR-Artikel fragwürdig:
Ein gängiges Argument für die Subventionierung fossiler Energien in Entwicklungs- und Schwellenländern ist, dass sie die Lebensbedingungen armer Bevölkerungsgruppen verbessern, (...). Doch dieses Argument ist hinlänglich widerlegt: So zeigen Berechnungen der IEA, dass im Jahr 2010 nur 8 Prozent der (Konsum-)Subventionen auf fossile Energieträger bei den ärmsten 20 Prozent der Bevölkerung ankommen.
Kein Wunder. Es ist ganz offensichtlich, dass die subentionierenden Staaten entweder versuchen, politischen Unruhen vorzubeugen (was die am Ende des Textes unter dem Stichwort "arabischer Frühling" auch zugegeben wird). Dafür müssen die Subventionen die (unteren) städtischen Mittelschichten erreichen.

Aber den meisten in der oben genannten Gruppe von Staaten geht wahrscheinlich gar nicht um Armutsbekämpfung im Sinne des FR-Autorenteams. Für sie wird umgekehrt ein Schuh daraus: Sie sind vermutlich bemüht, ihren im Aufbau befindlichen Handwerks- und Industriesektoren Wettbewerbsvorteile zu verschaffen.

Man mag das verwerflich finden. Aber man muss es herausarbeiten. Und bitte auch erwähnen, dass diese Länder ihre (Proto)Industrien kaum (noch) vor weit schlagkräftigerer Konkurrenz bewahren dürfen - der Welthandelsorganisation sei dank.

Nicht, dass der im Thema weniger bewanderte Leser hinterher glaubt, Nepal und Laos oder Somalia, Eritrea, Tschad und Niger verschleuderten ihre letzten Groschen für Energiesubventionen, wo dort doch nicht einmal alle genug zu Essen haben.

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