Freitag, 14. Oktober 2011

Liberia: Das Rennen ist noch nicht gelaufen

Am 6. Oktober hat die amtierende liberianische Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf zusammen mit der liberianischen Menschenrechtlerin Leymah Gbowee und der jemenitischen Journalistin Tawakkkul Karman den Friedensnobelpreis 2011 erhalten. Da kann es leicht übersehen werden, dass die 72 Jahre alte Johnson-Sirleaf zu Hause mit ihrer Partei der Einheit (Unity Party, UP) in einem verbissen geführten Wahlkampf steckt.

Am letzten Dienstag den 11. Oktober haben die allgemeinen Wahlen stattgefunden. Fast 1,7 Millionen LiberianerInnen waren aufgerufen, eine politische Richtungsentscheidung fällen, die die nächsten sechs Jahre in dem kleinem aber rohstoffreichen westafrikanischen Land entscheidend bestimmen werden. Das Rennen ist noch völlig offen und es wird allgemein mit einer Stichwahl um das Präsidentenamt gerechnet.

Und da kann sich der Nobelpreis noch als Bärendienst für die amtierende Präsidentin erweisen: Viele Menschen in Liberia haben keineswegs vergessen, dass Johnson-Sirleaf 2005 im ersten Wahlgang nur an zweiter Stelle hinter dem Ex-Fußballspieler George Weah gelegen hatte, um die Stichwahl dann doch noch zu gewinnen. Und viele hatten damals schon gemunkelt, dass die USA und die EU an einem Sieg Johnson-Sirleafs allzu sehr interessiert gewesen sind. Diese Menschen werden nun unterstellen, dass der Nobelpreis die Präsidentin bei ihrem Kampf um eine zweite Amtszeit über die Ziellinie tragen helfen soll.

Auch der Ex-Fußballstar George Weah, inzwischen 44 Jahre alt, kandidiert wieder für ein Spitzenamt. Diesmal tritt er als Vizepräsident zusammen mit dem Juristen und ehemaligen UN-Diplomaten Winston Tubman an. Der Kongress für den Demokratischen Wandel (Congress for Democratic Change, CDC) ist die aussichtsreichste Oppositionspartei. Sie wird auch vom liberianischen Ex-Präsident Charles Taylor unterstützt, der vom Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt ist.
Ein weiterer alter Bekannter unter den PräsidentschaftskandidatInnen ist Charles Brumskine, dessen Stern jedoch im Sinken begriffen ist. Auch ein ehemaliger Warlord und amtierender Senator, Prince Yormie Johnson möchte Liberia künftig gerne regieren. Abgerundet wird das Feld der bedeutenderen KandidatInnen von dem Geistlichen Kennedy Sandy, einem Geschäftsmann mit ausgezeichneten Verbindungen in die USA, auf den im Verlauf des Wahlkampfes schon zwei Mordanschläge verübt worden sind.

Diese Wahlen sind die zweiten, nachdem der über zehn Jahre dauernde und äußerst grausam geführte Bürgerkrieg Liberias 2003 endete. Der Knackpunkt bei dieser Wahl ist die Tatsache, dass die liberianischen Stellen sie in Eigenverantwortung organisieren. 2005 hatten die Vereinten Nationen das übernommen - vom Transport der Materialien über die Berechnung des Ergebnisses bis hin zur Ausbildung der WahlleiterInnen. Und immer noch unterstützt die UN-Mission in Liberia (UNMIL) den Prozess. Allerdings beschränkt sie sich bei diesem Urnengang darauf, die Sicherheit zu gewährleisten. Seit Ende des Bürgerkrieges sind vor allem die UN der Garant für Frieden in Liberia.

Am 16. September 2011 hat der UN-Sicherheitsrat das UNMIL-Mandat wieder um ein Jahr verlängert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die wichtige Rolle hingewiesen, die die derzeit etwa 8.000 Männer und Frauen zählende Truppe für einen geordneten Ablauf des Urnengangs spielt. Sorgen machen zudem die aus der Elfenbeinküste hereingeströmten Flüchtlinge und die große Zahl der liberianischen Ex-Kombattanten sowie die vielen arbeitslosen jungen Männer, die sich von einem Warlord für billiges Geld anwerben lassen würden. Mit unschöner Regelmäßigkeit werden zudem immer wieder Waffendepots ausgehoben.

Allgemein wird Johnson-Sirleaf von westlichen politischen Beobachtern eine gute Leistung attestiert. Der Sicherheitssektor wurde reformiert, die gender-bezogene Gesetzgebung ist teilweise vorbildlich und die Infrastruktur ein gutes Stück weit rehabilitiert. Dieser letzte Punkt ist vielleicht der größte Erfolg der Präsidentin. Denn sie hat es verstanden, den traditionellen Partnern in Amerika und Europa durch systematische Vergabe von Aufträgen an chinesische Träger unbequeme Konkurrenz zu schaffen. Derzeit wird eine wichtige Brücke über die Lagune von Monrovia und die neue Universität von den Chinesen gebaut.

Diese Erfolge kontrastieren scharf zu der großen Unzufriedenheit breiter Bevölkerungsgruppen, die von den Fortschritten in keiner Weise profitieren. Im Zuge der weltweit gestiegenen Nahrungsmittelpreise ist auch da Leben in Liberia teuer geworden. Zudem wird Liberia auf absehbare Zeit eine Extraktionsökonomie bleiben. Der Diamantenexport ist schon seit längerem wieder erlaubt und die Eisenerzförderung boomt. An Liberias Status als Rohstofflieferant wird weder die Tatsache etwas ändern, dass vor Küste Erdöl gesucht wird noch, dass das Land einen der intransparentesten Finanzsektoren weltweit sein eigen nennt.

Der Text ist leicht gekürzter Fassung im Neuen Deutschland erschienen.

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