Dienstag, 26. Juli 2011

Die Zeit wird knapp

Die Menschen in Ostafrika verhungern, und die Zeit, sie zu retten, wird knapp. Eine ganze Generation sei in Gefahr, konstatiert das Welternährungsprogramm. Aber die Deutschen spenden weniger als sonst - zumindest bisher. Unter Bezug auf Manuela Rossbach von "Aktion Deutschland hilft" (ADH) stellt etwa Kanal 8 fest: Die Höhe der Spenden für die Opfer der Erdbebenkatastrophe in Haiti summierte sich innerhalb weniger Tage auf mehr als 7 Millionen Euro. Für Ostafrika und Somalia wurde bisher nur 1,5 Millionen gegeben. Dagegen seien in Großbritannien bereits mehr als 20 Millionen Pfund (umgerechnet 22,7 Mio. Euro) für Ostafrika gesammelt worden. Auch Der Westen und die Ärztezeitung haben die Meldung aufgegriffen.

Schuld an dem Spendendilemma dürften aktuell vor allem die zahlreichen Meldungen sein, dass die somalischen Milizen "keine Hilfsorganisationen" nach Südsomalia hereinlassen (G-News dt.). Natürlich ist das Unsinn, und diese Formulierung kommt einer Falschmeldung gleich (1), (2) (3). Die Frage, inwieweit die anti-muslimische Stimmung und die Propaganda im Zuge des Kriegs "gegen den Terror" eine Rolle spielen, muss leider unbeantwortet bleiben. Es ist unwahrscheinlich, dass jemals jemand den Mumm und die Kohle aufbringen wird, eine entsprechende Umfrage in Auftrag zu geben.

Mit ihren Vorbehalten sind die Privatspender jedenfalls nicht allein. Auch Entwicklungsminister Dirk Niebel hat Bedenken, zu helfen (Spiegel Online): Würden Lebensmittel per Flugzeug abgeworfen, könnten diese womöglich den Milizen und nicht den notleidenden Menschen zugute kommen, warnte der FDP-Mann. An dieser Stelle erlaubt sich der MediaWatchBlog, Herrn Niebel bei allem gebotenen Respekt daran zu erinnern, dass Hilfeleistungen für Hungernde für ihn nicht freiwillig sind, sondern eine völker- und menschenrechtliche Verpflichtung: Die Bundesrepublik Deutschland hat die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menchenrechte ratifiziert, in denen auch das Recht auf angemessene Ernährung enthalten ist. Zum Glück denkt das Welternährungsprogramm da professioneller: Man erwäge, in den nächsten Tagen zumindest in Mogadischu Lebensmittel abzuwerfen. Auch für Südsomalia bereite man Lieferungen "auf neuen Wegen zu Lande und aus der Luft" vor.

P.S.: Mittlerweile rudern die NRO wieder zurück und bescheinigen den Deutschen große Spendenbereitschaft. Das berichten zum Beispiel das Handelsblatt und das ZDF. Die erwähnten 1,5 Mio. eingesammelter Euro der ADH werden dort zu einer guten Nachricht. Das sind sie ja auch, wenn man die Relation zur Spendenbereitschaft bei anderen Katastrophen unterschlägt.

2 Kommentare:

  1. Na, wenigstens Reuters kommt auf den Trichter und hat gemerkt, dass es durchaus möglich ist, Nahrungsmittel nach Südsomalia reinzukriegen. Das Internationale Rote Kreuz (und der Internationale Rote Halbmond, der von Reuters natürlich verschwiegen wird) wollen aber nicht mit dem Welternährungsprogramm zusammenarbeiten ("The ICRC is an independent agency, for reasons you'll understand, for its protection"). Das zeigt, wie ruiniert der Ruf der Vereinten Nationen als Erfüllungsgehilfin westlicher Interessen vor Ort schon ist.

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  2. Einen vernünftigen Artikel über Hungersnöte und wie man sie künftig vermeiden kann bietet die Zeit. Wertvoll ist der Hinweis auf Guatemala. Es fehlt eigentlich nur ein Absatz zur Spekulation mit Nahrungsmitteln.

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