Sonntag, 22. Mai 2011

Schuld und Strafe - nicht Tagespolitik

Ein ärgerlicher Kommentar über die Beantragung eines internationalen Haftbefehls für Muammar al-Gaddafi durch den Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (ICC) ist in der taz zu finden: "Irrelevante Geste aus Den Haag".

Dass der Haftbefehl als irrelevant und als Geste beurteilt wird, wäre keiner Erwähnung wert. Doch die Begründung lässt aufhorchen (Hervorhebung durch die Redaktion): "Zunächst einmal ist der Antrag des Anklägers auf einen Haftbefehl zu unterscheiden vom richterlichen Haftbefehl selbst. Im Falle Bashir dauerte der Schritt zum förmlichen Haftbefehl nach Beantragung rund acht Monate. So viel Zeit hat das libysche Volk nicht mehr." Weiter unten heißt es: "Für Libyen bleibt alles gleich. Eine andere Lösung der Krise als der Sieg der Freiheitskämpfer ist nicht denkbar."

MediaWatch möchte darauf hinweisen, dass es nicht die Aufgabe des ICC ist, aktuelle menschenrechtliche Krisen beizulegen. Das wäre es selbst dann nicht, wenn es der Gerichtshof könnte. Der Gerichtshof hat über Schuld und Strafe zu befinden - und nicht Tagespolitik zu betreiben.

Dass das noch nicht überall verstanden wurde zeigt auch, dass die taz wieder einmal den alten Irrtum (ist es einer?) über die ausstehende Verhaftung Umar al-Baschirs (Präsident des Nordsudan) wiederholt: Solang der Mann in Amt und Würden ist, darf er laut ICC-Statut nicht verhaftet werden. MediaWatch hatte bereits vor über zwei Jahren erstmals darauf hingewiesen.

Wenn man hierzulande der Überzeugung ist, die libysche Führung verstoße in einer Weise gegen die Menschenrechte, die einen militärischen Einsatz rechtfertige, muss man diesen eben unternehmen (so der UN-Sicherheitsrat zustimmt). Und man muss sich darüber im Klaren sein, dass ggf. auch die Gegenseite vor den ICC zieht und versucht das eigene Handeln als schuldhaft zu brandmarken und bestrafen zu lassen.

Aber davon auszugehen, dass der ICC dabei behilflich sein könnte, "Probleme" politisch aus der Welt schaffen zu helfen, diskreditiert den Gerichtshof und macht den Rückzug von Staaten aus der Zusammenarbeit mit dem ICC immer wahrscheinlicher.

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