Montag, 1. November 2010

Wichtige Einigung

Nachdem der UN-Millenniumsgipfel +10 im September 2010 gescheitert ist (1), (2) kommen nun endlich wieder gute Nachrichten vom internationalen Konferenzgeschehen: Im japanischen Nagoya haben sich 193 UN-Mitgliedsstaaten auf "einen Kompromiss" im Artenschutz und zur Biopiraterie geeinigt, wie Entwicklungspolitik Online ebenso nüchtern wie zutreffend schreibt.
Die Mainstream-Presse ist voll des Lobes über die - allerdings wichtige - Einigung und legt den Schwerpunkt auf den Arten- und Naturschutz (G-News dt.). 17 Prozent der Landfläche und 10 Prozent der Meere will man künftig schützen. Das Artensterben soll bis 2020 gestoppt werden (!). Leider blieb unklar, wie viel Geld für die Schutzprogramme gebraucht wird und wer bezahlen soll. Laut BBC haben die Staaten jetzt zwei Jahre Zeit, entsprechende Pläne auszuarbeiten. Dabei soll ihnen die Weltbank helfen.

Übersicht über das Artensterben: rot = kritisch, orange = gefährdet, gelb = verletzlich.
Quelle IUCN, wikimedia. Es soll bis 2020 gestoppt werden.
Weltweiter Artenschutz geht natürlich nur mit Hilfe der Entwicklungs- und Schwellenländer, da sich die die Artenvielfalt vor allem im globalen Süden findet. Und die wollten eine Gegenleistung für ihre Bereitschaft, die aufwendigen und schwierigen Schutzmaßnahmen mitzutragen: Die reichen Länder mussten bei der Biopiraterie Zugeständnisse machen. Denn bisher profitieren vor allem Firmen in Industrieländern von Patenten, die auf bestimmte Gene oder Stoffe vergeben wurden, die von Lebenwesen aus Entwicklungsländern stammen.

Im Ergebnis wurde das ABS-Protokoll (Intellectual Property Watch) (Access and Benefit Sharing, Zugang [zu genetischen Ressourcen] und Aufteilung des Nutzens) verabschiedet. Darin ist geregelt, wie die Herkunftsländer von genetischen Ressourcen künftig an den daraus erzielten Erträgen beteiligt werden. Entwicklungspolitik Online:
Pharma-, Chemie- oder Medizinfirmen müssten künftig die Herkunftsländer an den Gewinnen beteiligen, wenn sie deren natürliche Ressourcen nutzen. Positiv sei auch, dass das Protokoll Krankheitserreger einschließe. In Notfällen, etwa dem Auftauchen neuer Epidemien wie der Vogelgrippe, könnten neue Medikamente entwickelt werden, um schnell reagieren zu können. Im Nachhinein müsse aber ein Vorteilsausgleich erfolgen.
Natürlich ist nicht alles so einfach, wie es sich anhört. So wird etwa die schwache Überwachung des Protokolls kritisiert. Doch ganz so schlecht kann die Einigung nicht ausgefallen sein, denn die Industrie jammert. Intellectual Property Watch:
Lila Feisee, vice president for global intellectual property policy of the Biotechnology Industry Organization, said that BIO “has significant concerns that some of the language of the text would result in retroactive application of the protocol. Retroactive application of the protocol would have a chilling effect on current and future R&D activity on genetic materials and would have the opposite effect of that desired by the CBD.”
Tatsächlich dürfte jedoch das Gegenteil passieren: Das ABS-Protokoll wird nicht zu einem Stillstand bei Forschung und Entwicklung führen sondern ist eine wichtige Rechtsgrundlage um Entwicklungs- und Schwellenländern die Vermarktung - und den Schutz - ihrer Biodiversität schmackhaft zu machen. Denn wenn bestimmte Eigenschaften daraus industriell verwertbar sind, können sie künftig auch auf einen Anteil an den Gewinnen hoffen. Und schließlich: Wo steht geschrieben, dass auch künftig vorwiegend die Industrie im Norden forschen und entwickeln wird?

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