Samstag, 23. Januar 2010

Und wieder Jos

Bei der Berichterstattung über die Kämpfe in Jos, der Hauptstadt des nigerianischen Bundesstaates Plateau, hat sich das Gros der deutschen Medien wieder einmal zu einfach gemacht: Religiöse Unruhen sind das; es ist ein "Hetzen, Jagen, Töten".
Das passt zwar in's Bild, verschleiert aber die tatsächlichen Ursachen. Denn auch in Afrika werden gewaltförmige Konflikte von interessierten Kreisen geschürt und folgen definierten - wenn auch meist nicht formulierten - Interessen.
Hier nun einige der wenigen nachdenklichen und informierteren Pressestimmen zu dem Massaker. Typisch für diese Beiträge ist, dass die Kollegen Kontakt zu Fachleuten oder gut informierten Betroffenen aufgenommen haben. Agenturmeldungen abschreiben, reicht nicht.
Und auf die miesen wirtschaftlichen Bedingungen zu verweisen oder nach dem Staat rufen, reicht auch nicht. Diese Konflikte sind nicht mit wirtschaftlichen oder polizeilichen Mitteln zu lösen. Hier müssen Interessen öffentlich formuliert, diskutiert, vermittelt und dann zu politischen Kompromissen verdichtet werden, die für alle Seiten akzeptabel sind. Nur so ist zu verhindern, dass die Menschen wieder aufeinander gehetzt werden.
Die österreichische Presse.com schreibt:
„Religion ist oft nur der Vorwand für ethnische Rivalität“, erklärt Eric Guttschuss von HRW: „Vor allem geht es um die Frage: Wer sind die Alteingesessenen?“ Jede lokale Regierung könne nämlich einige der (...) Ethnien Nigerias als „indigen“ definieren.
Die haben dann mehr Rechte – und wirtschaftliche Möglichkeiten. Wer nicht dazugehöre, habe es hingegen schwer, im staatsnahen Bereich einen Job zu bekommen (...). In Plateau, einem christlich dominierten Staat, fühlen sich die muslimischen Hausa-Fulani auf diese Weise marginalisiert.
Für Politiker ist es leicht, Rivalitäten auszunutzen, was rasch in Gewalt umschlagen kann. „Die Täter müssen keine Angst haben, vor Gericht zu kommen“, beklagt Guttschuss die verbreitete Straflosigkeit. Viel eher laufen sie Gefahr, einfach erschossen zu werden: Nach Unruhen in Jos Ende 2008 hat HRW 133 außergerichtliche Tötungen registriert.
Glaube aktuell gibt zu bedenken:
„Die Darstellungen, die bisher zur den Ursachen der Unruhen veröffentlicht wurden, sind nicht korrekt. Und es ist auch nicht wahr, dass eine Kirche angegriffen und in Brand gesteckt wurde“, so Erzbischof Ignatius Ayau Kaigama von Jos (...) "Es wurde auch berichtet, dass der Überfall auf die Baustelle eines muslimischen Bauherrn der Auslöser gewesen sein soll. Doch auch das muss erst noch geprüft werden (...).
Ursprung der gegenwärtigen Unruhen, (...) sind Auseinandersetzungen zwischen den muslimischen Hausa und den Eingeborenen, bei denen es sich größtenteils um Christen handelt, doch es geht dabei vor allem um die politische Kontrolle über die Stadt.
(...) Insbesondere soll Klarheit über das Ausmaß der Schäden und die genaue Anzahl der Opfer geschaffen werden. Es besteht Aufklärungsbedarf im Hinblick auf die Umstände. Bei den Auseinandersetzungen kamen (...) auch modernste Waffen zum Einsatz, von denen niemand weiß, woher sie kommen.“
Die Wiener Zeitung ergänzt:
Ein Sprecher des Erzbistums Abuja meint, dass Christen versucht hätten, die Rückkehr von Moslems zu verhindern, die die Stadt nach dem Gewaltausbruch 2008 verlassen hatten.

1 Kommentar:

  1. IRIN bestätigt die Vermutung, dass die neuerliche Gewalt am 7. März in Plateau State, Nigeria ein Racheakt für die Angriffe im Januar war. Das macht die Toten nicht wieder lebendig, ist aber ein wichtiges Detail.

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