Donnerstag, 30. April 2009

Pakistan und kein Ende

So nach und nach sprechen sich die wichtigsten Informationen über die Lage in Pakistan auch in den Mainstream-Medien herum. Der hier verlinkte FTD-Artikel ist ziemlich ok - auch wenn er die Aktivitäten der USA wohlweislich übergeht. Ein Absatz wie dieser hier weist in die richtige Richtung:
Einige militante Islamistengruppen wurden lange offen von der pakistanischen Militärführung gefördert, damit sie gegen Indien und früher die Sowjets in Afghanistan kämpften. (...) Andere Beobachter glauben, dass die Führung in der Armee und der Regierung sich immer noch eher vom Erzfeind Indien bedroht fühlt als durch die Islamisten (...) "Sie haben versucht, Kaschmir von den Indern zu befreien, und dabei Swat verloren", kommentierte die Tageszeitung "The News" kürzlich diese Fehleinschätzung.
Eine wesentlich präzisere Darstellung der bestimmenden Momente der letzten Wochen findet sich in der aktuellen Ausgabe der Asia Times Online: "The Myth of Talibanistan". Der Autor, Pepe Escobar, geht davon aus, dass die Aufregung der letzten Wochen nur Hysterie war und Pakistan in Wirklichkeit ziemlich stabil ist. Und seine Argumente sind nicht nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen:

Pakistan is not an ungovernable Somalia. The numbers tell the story. At least 55% of Pakistan's 170 million-strong population are Punjabis. There's no evidence they are about to embrace Talibanistan; they are essentially Shi'ites, Sufis or a mix of both. Around 50 million are Sindhis - faithful followers of the late Benazir Bhutto and her husband, now President Asif Ali Zardari's centrist and overwhelmingly secular Pakistan People's Party. Talibanistan fanatics in these two provinces - amounting to 85% of Pakistan's population, with a heavy concentration of the urban middle class - are an infinitesimal minority. The Pakistan-based Taliban - subdivided in roughly three major groups, amounting to less than 10,000 fighters (...)
Ob eine genuine pakistanische Demokratie wirklich eine so große Bedrohung für Washington wäre, wie Escobar behauptet, sei dahin gestellt. Aber so wie Escobar die in der FTD geschilderten Dillemata der pakistanischen Armeee auffasst, wird durchaus auch ein Schuh draus:
Moreover, there are canyons of the Pakistani military/security bureaucracy who would love nothing better than to extract even more US dollars from Washington to fight the Pashtun neo-Taliban that they are simultaneously arming to fight the Americans and NATO. It works. Washington is now under a counter-insurgency craze, with the Pentagon eager to teach such tactics to every Pakistani officer in sight.
Siehe auch hier. Zudem liefert Escobar einen wichtigen Hinweis und einen Namen, den man sich wohl wird merken müssen:
It's crucial to remember that every military coup in Pakistan has been conducted by the army chief of staff. So the man of the hour - and the next few hours, days and months - is discreet General Ashfaq Kiani, Benazir's former army secretary. He is very cozy with US military chief Admiral Mike Mullen, and definitely not a Taliban-hugger.
Der Name könnte schnell in aller Munde sein - vor allem angesichts der Tatsache, dass sich der US-Präsident zwar öffentlich Sorgen um die Stabilität der pakistanischen Regierung macht - im gleichen Atemzug aber versichert, die atomare Bewaffnung des Landes könne vor den Taliban geschützt werden. Völlig unbestreitbar ist das nächste Argument, und es gilt auch für unsere Mainstream-Medien:
What is never mentioned by US corporate media is the tremendous social problems Pakistan has to deal with because of the mess in the tribal areas. Islamabad believes that between the Federally Administered Tribal Areas (FATA) and NWFP [North West Frontier Province], at least 1 million people are now displaced (not to mention badly in need of food aid). FATA's population is around 3.5 million - overwhelmingly poor Pashtun peasants. And obviously war in FATA translates into insecurity and paranoia in the fabled capital of NWFP, Peshawar.
Leider weist die Argumentationsschiene von Escobar auch einige problematische, ja verschwörungstheoretische Züge auf: So unterstellt er den Amerikanern, sie hätten das Kopfgeld von fünf Millionen US-Dollar auf einen gewissen Baitullah Mehsud ausgesetzt und würden ihn nun absichtlich ungeschoren davon kommen lassen, um einen weiteren (diesmal pakistanischen) Sündenbock präsentieren zu können, der ähnlich schwer zu fangen sein werde wie Osama bin Laden - und daher genauso gut als Projektionsfläche dienen könne. So weit hätte Escobar nicht zu gehen brauchen. Folgende Feststellung hätte als Begründung für die Hysterie-These völlig genügt:
(...) the new Obama administration accelerated the Predator "hell from above" drone war over Pashtun peasants. Now comes the stage where the soon over 100,000-strong US/NATO troops are depicted as the true liberators of the poor in Af-Pak (...) - an essential ploy in the new narrative to legitimize Obama's Af-Pak surge.
Und dabei geht es keineswegs nur um die Weltöffentlichkeit. Wer weiß, wie empfindlich die pakistanischen Stellen gegenüber Operationen der US-Amerikaner auf ihrem Territorium sind, kann sich vorstellen, wie wichtig eine gute Begründung gerade gegenüber der pakistanischen Öffentlichkeit werden wird, sollte der Westen - und allen voran die USA - den Krieg dauerhaft nach Pakistan hineintragen und gegebenenfalls sogar noch weiter ausdehnen wollen.

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